Der Königssohn und der Tod

 Der Königssohn und der Tod ist ein altes Märchen aus Frankreich. Ich erzähle es in etwas veränderter Form nach. Es war einmal ein Königssohn, der war sehr klug. Er reiste viel, studierte viel und las alle weisen Bücher seiner Zeit. Als er dreißig Jahre alt war, besaß er ein großes Wissen. 

Da traf er auf den Tod. Er traf auf einen Menschen, der krank war, durch eine Zeit des großen Leidens hindurchging und dann starb. Dieser Mensch war sein Vater, der alte König. Und kurz darauf starb auch seine Mutter, die Königin. Sie konnte den Kummer nicht ertragen, dass ihr geliebter Mann nicht mehr an ihrer Seite war. Sie starb an gebrochenem Herzen. 

Bis dahin wusste der Prinz zwar, dass es den Tod gab. Er wusste, dass alle Menschen eines Tages sterben mussten. Aber dieses Wissen hatte ihn nicht weiter berührt. Es hatte scheinbar mit ihm persönlich nichts zu tun. Jetzt änderte sich die Situation. Der Prinz trauerte über den Verlust seiner Mutter und seines Vaters. Ihm wurde drastisch klar, dass auch er eines Tages krank werden, sehr leiden und dann sterben müsste. Mit diesem Wissen konnte er trotz seiner großen Weisheit nicht umgehen. 

Er konnte sich nicht mehr am Leben erfreuen, weil er wusste, dass eines Tages alles zu Ende ist. Das Leben erschien ihm sinnlos, weil es so vergänglich war. Der Tod konnte jederzeit jeden Menschen treffen. Wie sollte er leben, wenn er doch bereits am nächsten Tag tot sein konnte? Sollte er sich in das weltliche Vergnügen stürzen und jeden Tag des Lebens soweit wie möglich genießen?

Das tat er eine Zeitlang. Aber dann merkte er, dass er doch nur dabei war die Tatsache des Todes zu verdrängen. In seinem Unterbewusstsein schlummerte weiter die Angst vor dem Tod und schränkte seine Lebensfreude in der Tiefe seiner Seele ein. Ihm fehlte die tiefe Gelassenheit, die unbeschwerte Lebensfreude seiner Kindheit.

Als nächstes beschloss er die Angst vor dem Tod dadurch zu überwinden, dass er an das Paradies im Jenseits nach dem Tod glaubte. Das beruhigte ihn etwas. Er würde nicht sterben, sondern in größerem Glück weiterleben. Aber alle Weisen seiner Zeit erklärte ihm, dass es nicht sicher sei, ob es überhaupt ein Leben nach dem Tod gibt. Und selbst wenn es ein Leben nach dem Tod gibt, wie könne er sicher sein, dass er ins Paradies aufsteigen würde? Es könne auch sein, dass er nach seinem Tod in einem Höllenbereich lande oder als wildes Tier wiedergeboren werde.

Der Königssohn suchte Sicherheit. Deshalb ging er zu einem erleuchteten Meister, der die Dimension von Leben und Tod bereits überwunden hatte. Der Meister lebte abseits aller Menschen in einer kleinen Hütte in den Bergen. Er war schon sehr alt und sah bereits aus wie der Tod. Der Tod würde auch ihn bald holen. Aber dem Meister machte das scheinbar nichts aus. Er wirkte in sich glücklich, gelassen und heiter. Er hatte das Licht in sich und strahlte Licht aus. In seiner Gegenwart war man glücklich und vergaß alle seine Sorgen.

So wollte der Königssohn auch werden. Er bat den Meister deshalb sein Schüler werden zu dürfen. Der Meister war damit einverstanden unter der Bedingung, dass er drei Jahre mit ihm in der Hütte leben müsste. Damit war der Königssohn einverstanden. Er übergab sein Königreich einem Verwalter und zog zu dem Meister in die Hütte.

Da saß er nun drei Jahre neben dem Meister in der Hütte. Es gab nichts zu tun. Sie schwiegen einfach nur. Das wurde dem Königssohn schon nach ein paar Tagen langweilig. Aber da er versprochen hatte drei Jahre durchzuhalten, hielt er sich auch an sein Versprechen. Der Geist des Königssohn kam zur Ruhe und die Langeweile verschwand. In ihm entstanden Frieden und Glück. 

Aber irgendwie quälte ihn der Gedanke an den Tod weiterhin. Da empfahl ihm sein Meister direkt auf die Tatsache des Todes zu meditieren. Er sollte den Gedanken an den Tod und an das zukünftige Leid nicht verdrängen, sondern hineingehen und hindurch gehen. Das tat der Königssohn. Es tauchten alle Ängste vor dem Tod in ihm auf. Es tauchte die Trauer über den Verlust seiner Eltern auf. Es tauchte das Gefühl auf, dass das Leben sinnlos sei.

Zum Schluss tauchte sein Ego auf. Sein Ego wollte die Dinge nicht so annehmen wie sie sind. Es wollte nicht die Tatsache von Tod, Vergänglichkeit und Leiden akzeptieren. Aber der Königssohn blieb eisern auf seinem Weg, meditierte immer weiter und das Ego löste sich auf. Er wurde eins mit allem und auch mit dem Tod. Leben und Tod waren keine Gegensätze mehr. Alles war genauso richtig wie es war. Alles war irgendwie glücklich und gut.

Jetzt saß der Königssohn einfach nur noch glücklich neben seinem Meister. Sie machten jeden Tag einen Spaziergang, kochten sich ihr Essen, lachten über kleine Scherze und saßen ansonsten einfach nur schweigend in der Meditation. Durch die spirituelle Energie des Meisters lösten sich im Laufe der Zeit alle inneren Verspannungen und Energieblockaden im Königssohn auf. Er brauchte dazu einfach nur in der Gegenwart des Meisters zu leben. Das genügte.

Nach drei Jahren erwachte das Licht auch in dem Königssohn. Er hatte jetzt das Licht in sich und strahlte Licht aus. Dazu war nicht mehr die Gegenwart des Meisters notwendig. Deshalb ging er zurück in sein Königreich. Er wurde zum König gekrönt, heiratete eine schöne Prinzessin und lebte glücklich bis an sein Lebensende. Durch sein Licht konnte er auch seine Mitmenschen glücklich machen, ihnen Frieden schenken und sie von vielen Krankheiten heilen. 

Eines Tages kam sein Meister zu Besuch. Er sah jetzt schon sehr alt und tot aus. Sein Anblick erinnerte den jungen König daran, dass auch er eines Tages sterben würde. Er erinnerte ihn daran, demütig zu sein und das Leben zu achten. Wenn er als guter Mensch leben würde, dann würde er sicherlich nach dem Tod ins Paradies kommen, wenn es ein Paradies im Jenseits geben würde. 

Das waren die letzten Worte des Meisters. Dann setze sich der Meister auf seinen Platz an der Königstafel, richtete seine Augen zum Himmel, tat seinen letzten Atemzug und starb. Und alle spürten, dass der alte Meister weiterhin in seiner energetischen Präsenz bei ihnen anwesend war. Da wusste der junge König, dass es ein Leben nach dem Tod gibt und dass der Weg der Erleuchtung der Weg ins Paradies ist. Er verband sich jeden Tag geistig mit seinem Meister, meditierte und widmete sein Leben dem Glück und der Erleuchtung aller Wesen. So blieb sein Leben immer ein Weg des Lichts. Frieden, Liebe und Glück waren immer mit ihm. 

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