Wo finden wir Zuflucht vor dem Leid des Lebens?

Die Zufluchtnahme ist eine zentraler Begriff im Buddhismus. Manche Menschen behaupten sogar, dass die Zufluchtnahme darüber entscheidet, ob man ein Buddhist ist. Oft wird die Zufluchtnahme jeden Tag als Ritual praktiziert, damit ein Buddhist seinen Weg nicht wieder verliert.

Acht Buddhisten stritten darüber, was Zufluchtnahme genau bedeutet. Der erste Buddhist erklärte: „Ich nehme Zuflucht zu Buddha, damit ich selbst eines Tages ein Buddha werde. Buddha ist mein spirituelles Vorbild. Wenn ich mich jeden Tag mit Buddha verbinde, wachse ich immer mehr zur Erleuchtung.“

„Das ist ja schön und gut,“ meinte der zweite Buddhist, „das Entscheidende am Buddhismus ist aber nicht der Buddha, sondern die Lehre des Buddhas. Nur wenn du die Lehre Buddhas praktizierst, wirst du ein Buddha. Die Lehre besteht aus der täglichen Meditation und der beständigen Achtsamkeit auf die Gedanken, die Gefühle, die Umwelt und den spirituellen Weg. Wir müssen es lernen im inneren Frieden, in der Liebe und in der Wahrheit zu leben. Dadurch erwachen wir und verwirklichen unsere Buddha-Natur.“

Der dritte Buddhist behauptete: „Am wichtigsten ist die buddhistische Gemeinschaft. Die meisten Menschen haben nur wenig Selbstdisziplin. Ohne eine spirituelle Gruppe bleiben nur etwa 20 % der Menschen auf ihrem Weg. Mit einer Gruppe können 90 % dauerhaft ihre spirituelle Praxis bewahren. Der Buddhismus lebt durch seine Sangha. Deshalb wird im Zen die Sangha in den Mittelpunkt gestellt.“

Der vierte Buddhist rief: „Ohne einen lebenden erleuchteten Meister kommt kaum ein Mensch zur Erleuchtung. Erleuchtung bedeutet egoloses Sein. Wer das egolose Sein nicht kennt, kann den Weg dort hin nicht finden. Sein Ego wird seine Erleuchtung immer verhindern, außer es wird durch Zufall, zum Beispiel durch einen Unfall, zerstört. Das wichtigste am spirituellen Weg ist der authentische erleuchtete Meister. Deshalb nimmt man im tibetischen Buddhismus vorwiegend Zuflucht zum spirituellen Lehrer, zum Lama, zum Guru. Man verbindet sich mit der Energie des Lamas und wächst so im Laufe der Zeit in die Erleuchtung hinein. Da der Lama das Ziel kennt, weiß er auch, was der einzelne Schüler braucht, um spirituell voranzukommen. Der spirituelle Meister ist das wichtigste auf dem spirituellen Weg. Deshalb heißt es auch: Ist der Schüler bereit, erscheint der Meister in seinem Leben.“

Der fünfte Buddhist widersprach: „Wir müssen Zuflucht zur Erleuchtung nehmen. Alles andere wird uns nicht vor dem Leid des Lebens beschützen. Nur wer erleuchtet ist, geht glücklich durch den Tod und steigt ins Nirwana auf. Alle anderen Zufluchtnahmen sind Hilfsmittel. Sie können uns mal schaden und mal nützen. Es gibt gute und schlechte Meister. Es gibt gute und schlechte buddhistische Gruppen. Wer die buddhistische Lehre dogmatisch praktiziert, kommt spirituell nicht voran. Genauso ist es mit der Fixierung auf Buddha als Vorbild. Wir brauchen ein gutes Gespür für uns selbst. Nur so können wir erkennen, was uns nützt und was uns schadet. Das Entscheidenden auf dem spirituellen Weg ist die eigene innere Weisheit. Je mehr Weisheit wir besitzen, desto weniger werden wir ein Opfer unseres Egos und des Egos der anderen Menschen.“

Der sechste Buddhist war immer noch nicht zufrieden mit der Debatte: „Das ist alles Ego-Gerede. Ins Licht bringt uns nur die umfassende Liebe. Wer nur für sein eigenes Glück strebt, endet immer im Ego. Es gibt viele scheinbar erleuchtete Menschen, die letztlich doch nur ihr Ego leben. Man erkennt sie daran, dass sie nach Macht, Geld, Sex oder Anerkennung streben. Ein wahrer Erleuchteter zeichnet sich durch Demut, Bescheidenheit und umfassende Liebe aus. Wenn wir es üben allen Wesen mit Liebe zu begegnen, wachsen wir zur Erleuchtung. Wenn wir uns in allen Wesen sehen können, uns mit ihnen identifizieren, brechen wir in ein Einheitsbewusstsein durch. Wenn wir als Bodhisattva leben, dann gelangen wir in die egolose umfassende Erleuchtung. Dafür ist es wichtig regelmäßig zu meditieren und auf unsere Gedanken zu achten, aber entscheidend ist die Praxis der umfassenden Liebe, die Metta-Meditation. Entscheidend ist es als Bodhisattva zu leben. Dann wachsen wir von alleine in die Erleuchtung. Dann bekommen wir Hilfe von allen Buddhas und Bodhisattvas, die je gelebt haben und in Zukunft leben werden.“

Der siebte Buddhist schüttelte den Kopf bei so viel Unweisheit: „Ihr müsst alle Methoden gleichzeitig praktizieren. Das ist der sicherste Weg ins Licht. Alle Methoden ergänzen sich gegenseitig. Wir brauchen Buddha als klare Orientierung. Wir brauchen die Lehre, um spirituell üben zu können. Wir brauchen eine Gruppe, einen Meister und unsere innere Weisheit. Und natürlich brauchen wir die Liebe auf unserem Weg. Ohne die Liebe ist alles nichts und führt ins Nicht. Erleuchtung ohne Liebe bedeutet Versacken im Nirwana. Erleuchtung mit Liebe erfüllt die Welt mit Frieden und Glück. Die Welt wird von alleine zu einer besseren Welt.“

Der achte Buddhist lachte über das vergebliche Bemühen seiner Freude: „Ihr denkt alle noch dualistisch. Erkennt eure Welt als Paradies und ihr seid erleuchtet. Alles ist richtig so wie es ist. Erkennt euch selbst als erleuchtet und ihr verwirklicht spontan eure Buddha-Natur. Ihr könnte so viele Methoden praktizieren, wie ihr wollt. Nur wenn ihr das dualistische Denken überschreitet, wacht ihr aus dem Traum des Samsara auf. Ihr seid alle schon erleuchtet. Die Welt ist bereits erleuchtet. Alles ist Licht und das Licht ist in allem. Nehmt Zuflucht zu eurer Buddha-Natur. Das genügt.“

Jetzt waren alle Buddhisten völlig verwirrt. Und das war gut so. Denn das zwang sie zum eigenen Nachdenken. Und so konnten sie ihren eigenen Weg finden und auf ihrem persönlichen Weg in ein Leben im Licht gelangen.

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