Von einem, der auszog, seine Angst zu überwinden

Ein armer Töpfer hatte zwei Söhne. Der Älteste war groß, stark und furchtlos. Er würde später ein guter Töpfer werden. Der Jüngere war schwächlich, ängstlich und zu nichts zu gebrauchen. Der Vater war ratlos, ob aus ihm jemals etwas werden würde. Für alle Berufe erschien er ungeeignet. Die Menschen lachten über ihn, weil er vor allem Angst hatte. Er traute sich keine Aufgabe zu. Er hatte Angst vor dem Leben insgesamt. Sie nannten ihn den Angsthasen.

Der jüngere Sohn beschloss in die Welt hinauszuziehen, um einen Weg zu finden seine Angst zu überwinden. Das sah er als seine große Lebensaufgabe an. Der Vater gab ihm fünfzig Taler mit auf die Reise, damit er etwas Geld zum Leben hatte. Der Angsthase machte sich auf seine große Wanderschaft. Er wanderte bergauf und bergab, bei Regen und bei Sonnenschein, bis er an ein großes Gasthaus kam.

Im Gasthaus traf er einen alten Soldaten. Bei einem Glas Bier kamen sie ins Gespräch. Der Ängstliche erzählte dem Soldaten von seiner Angst. Der Soldat erklärte: „Wenn du mir deine fünfzig Taler gibst, zeige ich dir den Weg aus der Angst.“ Der ängstliche junge Mann gab dem Soldaten sein ganzes Geld und hoffte dafür auf einen guten Rat. Der alte Soldat berichtete von seinem langen Leben als Soldat und wie er gelernt hatte die Angst zu überwinden: „Was auch geschieht, du darfst vor der Angst nicht davon laufen. Du musst immer in das Zentrum der Angst hineingehen. Dann löst sie sich auf. Frage dich wovor du am meisten Angst hast. Dann finde einen Gedanken, der dir bei der Angst hilft.“

Am nächsten Tag wanderte der junge Mann weiter, um den Rat des alten Soldaten auszuprobieren. Als erstes verbrachte er eine Nacht auf einem Friedhof, um seine Angst vor dem Tod zu überwinden. Er meditierte auf den Tod. Als er vor der Friedhofskapelle zwischen den vielen Gräber auf einer Friedhofsbank saß und er langsam immer dunkler wurde, erhoben sich nach und nach die Geister der Verstorbenen aus den Gräber. Der junge Mann überlegte sich, wie sich der alte Soldat jetzt wohl verhalten würde. Er saß wie ein Soldat auf seinem Wachposten und blickte ruhig die Spukgestalten ruhig an, Die Geister flossen an ihm vorbei, durch ihn hindurch und machten schreckliche Spukgeräusche. Aber sie taten ihm nichts. Als es Morgen wurde, kam das Tageslicht und die Geister verschwanden. Der junge Mann hatte es das erste Mal geschafft seine Angst zu kontrollieren.

Er kam durch ein großes Moor. Der Weg war schmal und jeder Fehltritt würde den Tod bedeuten. Der junge Mann war vorsichtig und sah bei jedem Schritt genau hin. Er lebte konsequent im Hier und Jetzt. So fand er den Weg durch das Moor. An seine Angst dachte er nicht, weil er sich vollständig auf seinen Weg konzentrierte. Und wenn Angstgedanken auftauchten, dann stoppte er sie.

Nach einiger Zeit gelangte er in ein Königreich, in dem es ein Spukschloss gab. Der König hatte demjenigen seine Tochter zur Frau versprochen, der drei Nächte in dem Schloss verbringen und so das Schloss vom Spuk befreien würde. Aber alle Bewerber waren gescheitert. Keinem war es je gelungen auch nur eine einzige Nacht in dem Schloss durchzuhalten. Der junge Mann dachte: „Das ist eine gute Möglichkeit den Rat des Soldaten einmal gründlich zu testen. Bis jetzt hat sich der Rat ja gut bewährt.“

Der junge Mann stellte sich dem König vor. Dabei konnte er einen kurzen Blick auf die schöne Prinzessin werfen. Er war sofort unsterblich verliebt. Bereits am nächsten Tag machte er sich auf den Weg ins Spukschloss. Er ging durch den dunklen Wald, stieg die vielen Stufen auf dem Berg zum Schloss empor und richtete sich im Kaminzimmer gemütlich ein. Er machte ein schönes Feuer an, setzte sich auf einen bequemen Lehnstuhl und wartete auf die Dinge, die da kommen sollten.

Um Mitternacht schlug die große Turmuhr zwölf mal. Im Schloss erhob sich ein Brausen und Heulen. Geister aller Art erschienen dem ängstlichen jungen Mann. Er sah Katzen mit großen Augen, schwarze Riesenhunde und Gerippe, die von der Decke fielen und auf dem Fußboden wieder lebendig wurden. Der junge Mann blieb völlig ruhig und gelassen. Er ließ alle Erscheinungen durch seinen Geist fließen ohne daran anzuhaften. Er verweilte einfach in der Meditation. Weil er seinen Geist ruhig hielt, lösten sich alle Spukgestalten nach einiger Zeit von alleine wieder auf.

In der zweiten Nacht wurde die Prüfung schwieriger. Jetzt tauchte der Tod als gruseliges Gerippe auf, bedrohte ihn mit einem Messer und stach auf ihn ein. Zwar war alles nur eine Erscheinungen in seinem Geist, aber es wirkte sehr real. Der junge Mann ging entsprechend des Rates des Soldaten durch den Tod hindurch. Er war bereit zu sterben. Nach dem Tod würde das Paradies auf ihn warten. Dieser Gedanke gab ihm die Kraft alle Ängste vor dem Tod zu überwinden. Er dachte das Wort Paradies als Mantra. Er wünschte allen Wesen Glück. Er erinnerte sich daran, dass alles im Leben vergänglich ist. Nur wenn man positiv mit allen Erscheinungen des Lebens fließt, kann man seinen inneren Frieden bewahren. Man darf letztlich an nichts anhaften. Man muss alles so annehmen, wie es kommt. Man muss seinen Eigenwillen loslassen, wenn das Schicksal nicht zu ändern ist. So konnte ihm der Tod nichts anhaben.

In der dritten Nacht erfolgte die schwerste Prüfung. Der junge Mann war jetzt müde geworden und schlief in seinem Lehnstuhl ein. Im Traum sah er wie seine Mutter, sein Vater und sein Bruder starben. Der Traum war so real, dass er an die Echtheit glaubte. Aber gleichzeitig erinnerte er sich auch an die schöne Königstochter. Die Liebe zu ihr ließ ihn allen Kummer und alle Angst vergessen. Er dachte immer nur das Wort „Liebe“, und er wachte in der Liebe und im Licht auf. Er hatte die Prüfung bestanden. Alle bösen Geister verließen das Schloss. Der junge Mann heiratete die schöne Prinzessin und wurde zum neuen König gekrönt.

Der junge Mann hatte die Aufgabe seines Lebens gelöst. Durch die mystische Hochzeit war alle Angst in ihm verschwunden. Mit der Erleuchtung erlöscht das Ego. Dann verschwindet jede Angst, weil wir uns nicht mehr mit uns identifizieren. Wir leben jetzt im erleuchteten Sein, anhaftungslos und zentriert im eigenen inneren Glück. Wir vergessen uns selbst und konzentrieren uns darauf allen Wesen auf dem Weg des Glücks zu helfen. Wir wünschen allen Wesen Glück und leben so dauerhaft in einer Dimension des Glück, der Liebe und des inneren Friedens.

Diese Geschichte ist dem Märchen „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ nachempfunden. In dem Märchen geht es um einen Mann, der keine Angst empfinden kann. Es ist im Leben auch wichtig Angst spüren zu können. Etwas Angst macht uns vorsichtig. Sie warnt uns vor den Gefahren des Lebens. Sie bringt uns dazu uns rechtzeitig zu schützen. Zu viel Angst dagegen macht uns unglücklich. Sie erzeugt Depressionen und psychosomatische Krankheiten.

Zur Angstbewältigung gibt es viele Strategien. Märchen gegen die Angst sind ein Weg. Angsttherapie ist ein weiterer Weg. Wichtig ist es achtsam auf unsere Gedanken zu sein und uns mit positiven Gedanken zu helfen. Wenn wir bei einer Situation genau hinsehen, finden wir meistens einen Weg durch die Angst. Notfalls hilft es ein Mantra zu denken, zu meditieren, darüber zu reden oder eine positive Aufgabe zu haben. Wenn wir uns auf das Licht und die Liebe konzentrieren, sind wir immer beschützt.

https://youtu.be/m1Qen-ofl4U

Ganzer Film (ARD-Mediathek) https://www.ardmediathek.de/video/maerchen/einer-der-auszog-fuerchten-zu-lernen/mdr-fernsehen/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9iZDE4NzAzYi04ZmFmLTQ4YmItYTEzYy1hOTZlYzMwZTRkNWI/?isChildContent

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