Vom Leid ins Licht. Das Horror-Schloss

Wir schreiben das Jahr 1648. Es war gegen Ende des Dreißigjähriges Krieges in Deutschland. In diesem Krieg kämpften im Namen der Liebe auf das Grausamste katholischen und evangelischen Christen um die religiöse Vorherrschaft in Deutschland. Es galt die Parole: „Der Krieg ernährt den Krieg.“ Wo die Soldaten der vielen Heere hinkamen, plünderten, mordeten und vergewaltigten sie. Es gab Hungersnöte und Seuchen. In manchen Teilen Süddeutschlands überlebte nur ein Drittel der Bevölkerung.

Ein Wachtmeister (Feldwebel) der Husaren (Reitersoldaten) war es leid ewig zu kämpfen. Er sehnte sich nach einem Leben des Friedens, der Liebe und des Glücks. Er wollte sein Leben genießen, anstatt beständig andere Menschen zu töten. Er suchte letztlich nach dem tieferen Sinn des Lebens. Der Sinn konnte nicht im ewigen Kampf bestehen. Der Sinn konnte auch nicht in einer Religion liegen, die die Liebe lehrte und das Leid praktizierte. Es musste etwas Höheres geben. Aber wo war es zu finden?

Als sein Heer am Rande eines großen Waldes lagerte, nutzte der Soldat die Dunkelheit der Nacht. Er schwang sich auf sein Pferd und ritt in den tiefen Wald hinein. Der Mond strahlte ein fahles Licht aus. Der Weg durch den Wald war schwer zu erkennen. Deshalb überließ es der Wachtmeister seinem Pferd, den richtigen Weg zu finden. Nach einiger Zeit war von dem Feldlager der Soldaten nichts mehr zu hören. Offensichtlich war ihm keiner gefolgt. Ein großes Schweigen legte sich über den Wald.

Plötzlich blieb das Pferd stehen und weigerte sich weiterzugehen. Der Soldat stieg vom Pferd ab und untersuchte den Waldweg. Er erkannte voller Entsetzen, dass er am Rande eines Abgrunds stand. Er ritt an der Kante des Abgrunds entlang und kam so zu einer verfallenen Burg, die sich schwarz und mächtig hinter den mondhellen Wolken hervor hub.

Eine Totenglocke erklang und die Zugbrücke wurde heruntergelassen. Diener in schwarzen Gewändern und mit Totenköpfen führten den Soldaten in den Thronsaal. Dort saß auf einem mächtigen Thron eine ganz in Schwarz gekleidete Prinzessin. Sie war wunderschön. Der Soldat verliebte sich sofort unsterblich in sie. Die Prinzessin sprach zu ihm: „Du bist mein Erlöser. Viele hundert Jahre habe ich auf dich gewartet.“ „Was muss ich tun, um dich zu erlösen?“ fragte der Soldat. „Du musst drei Tage und drei Nächte schweigen und alle deine Ängste überwinden. Dann bin ich frei und werde dich heiraten.“ erklärte ihm die schöne Prinzessin. „Meine Ängste habe ich in meinem langen Soldatenleben überwunden. Es wird mir gelingen dich zu befreien.“ behauptete der Soldat optimistisch.

Er setzte sich auf einen Stuhl, beruhigte seine Gedanken und begann zu meditieren. Als die Uhr um Mitternacht zwölfmal schlug, da öffnete sich die Tür des Thronsaals und drei Gerippe mit Totenschädeln und schwarzen Umhängen traten ein. Sie setzten sich zu dem Soldaten, zogen ein Kartenspiel aus der Tasche und begannen Karten zu spielen. Der Soldat liebte das Kartenspiel. Er hatte sich damit oft die Zeit zwischen den vielen Schlachten des Dreißigjährigen Krieges mit seinen Kameraden vertrieben. Die drei Untoten versuchten den Soldaten in das Spiel einzubeziehen und lockten ihn mit Goldstücken. Aber der Soldat blieb eisern in seine Meditation versunken und überwand alle Gedanken der Anhaftung an weltliche Genüsse.

Um 1 Uhr nachts verschwanden die drei Untoten wieder. Als am Morgen die Prinzessin in den Saal trat, war ihr Schleier schon weiß geworden. Sie strahlte ihn an: „Die erste Prüfung hast du bestanden. Es warten noch zwei weitere auf dich.“

In der nächsten Nacht tauchten wieder Punkt zwölf Uhr die drei Untoten in den schwarzen Gewändern auf. Diesmal hatten sie Messer und Schwerter mit gebracht. Damit stachen sie auf den Soldaten ein und fügten ihm große Schmerzen zu. Aber er ertrug alle Schmerzen mit Gleichmut. Und nach einer Stunde verschwanden seine drei Quälgeister wieder. Als ihm die Prinzessin am Morgen das Frühstück brachte, war ihr ganzes Gewand bereits weiß geworden. Nur ein Trauerrand zeugte davon, dass die Prüfung noch nicht vorbei war. „Jetzt kommt der schwerste Teil,“ meinte die Prinzessin, „du musst durch den Tod gehen und dabei völlig gelassen bleiben.“

Als es in der dritten Nacht von der fernen Turmuhr zwölfmal schlug, tauchten wieder die drei Untoten auf. Sie hatten ein bösartiges Grinsen im Gesicht und klapperten mit den Zähnen. Wieder stachen sie mit ihren Messern auf ihn ein. Und kurz vor 1 Uhr schlugen sie dem Soldaten mit einem Schwert den Kopf ab. Der Soldat ertrug alles, indem er beständig an die schöne Prinzessin dachte. Er sprach ihren Namen geistig als Mantra und konnte so alle Ängste vor dem Tod überwinden. Er bestärkte sich mit dem Gedanken, dass die Liebe größer ist als der Tod. So ging er meditierend durch den Tod.

Am nächsten Morgen wachte er auf. Das Sonnenlicht strahlte durch die Fenster. Die Prinzessin lief auf ihn zu und umarmte ihn: „Das Schwerste ist geschafft. Jetzt brauchst du nur noch Ausdauer. Finde den Weg zum goldenen Schloss. Dort warte ich auf dich. Dann können wir heiraten. Du musst immer nur auf deinem Weg der Wahrheit und Liebe bleiben.“ Mit diesen Worten verabschiedete ihn die Prinzessin. Sie gab ihm drei Dinge mit auf den Weg, eine schöne Halskette, einen goldenen Ring und einen Geldbeutel, der nie leer wurde.

Der Soldat verabschiedete sich von der schönen Prinzessin. Er setzte sich auf sein Pferd, verließ die verfallene Burg und ritt den Waldweg entlang. Am Abend gelangte er zu einem Wirtshaus, in dem es sehr fröhlich zuging. Bei Wein, Weib und Gesang vergaß der Soldat nach kurzer Zeit die schöne Prinzessin. Er hielt alles für einen schönen Traum. Aber hier im Wirtshaus war die Realität. Hier gab es genug zu essen und zu trinken. Hier gab es Freunde und eine pralle Bedienung.

Da der Soldat einen unerschöpflichen Geldbeutel besaß, blieb er ein Jahr im Wirtshaus und ließ es sich gut ergehen. Dann kam ihm der Gedanke, dass es merkwürdig sei, dass er einen unerschöpflichen Geldbeutel besaß. An seinem Traum musste doch etwas Wahres dran sein. Vielleicht gab es die schöne Prinzessin tatsächlich? Er verabschiedete sich von dem Wirtshaus und seinen weltlichen Freunden und machte sich wieder auf die Suche nach der schönen Prinzessin.

Ein Jahr irrte er auf seinem Pferd durch das Land. Deutschland war damals durch den Dreißigjährigen Krieg sehr verwüstet. Überall lagen Leichen. Es gab verbrannte Felder und verbrannte Städte. Hungernde und kranke Menschen bettelten um etwas zu essen. Da der Soldat eine unerschöpfliche Geldbörse besaß, gab er den leidenden Menschen gerne von seinem Reichtum ab. Dadurch erhielt er ein gutes Karma.

Er traf auf eine alte weise Frau, die den Weg zum goldenen Schloss kannte. Sie zeigte ihm den Weg. Diesmal ließ er sich durch nichts ablenken, sondern ritt immer geradewegs auf sein Ziel zu. Nach einem weiter Jahr erreichte er einen dunklen Wald. Der Wald kam ihm irgendwie bekannt vor. Es war der Wald, in dem die verfallene Burg lag. Aber als er in der Mitte des Waldes ankam, hatte sich die verfallene Burg in das goldene Schloss verwandelt. Im Thronsaal saß wartend die schöne Prinzessin. Sie erkannte den Soldaten sofort an der Halskette, die sie ihm geschenkt hatte. Äußerlich hatte er sich durch die drei Jahre andauernde Reise sehr verändert. Sein Bart war länger geworden, das Haar auf seinem Kopf weniger und sein Geist klarer. Innerlich hatte er sich sehr verändert. Er hatte sämtliche Anhaftungen an das weltliche Leben losgelassen. Das viele Leid auf seinem Weg hatte ihn völlig desillusioniert.

Gleichzeitig hatte das viele Leid auch sein Herz geöffnet. Die Praxis des beständigen Gebens hatte ihn in die umfassende Liebe gebracht. Er war bereit für die Heirat mit der schönen Prinzessin. Er steckte ihr den goldenen Ring an den Finger. Es gab eine glückliche Umarmung und einen langen Kuss. Dann wurde eine große Hochzeit gefeiert. Die vielen Diener mit den Totenschädeln verwandelten sich in fröhliche Menschen.

Auch die drei Untoten wurden wieder lebendig. Statt Messer und Schwerter hatten sie jetzt Musikinstrumente in ihren Händen. Die Musik spielte auf, die Menschen begannen zu tanzen und das goldene Schloss erhob sich aus dem dunklen Wald und schwebte dem Himmel entgegen. Alle fühlten sich wie im siebten Himmel.

In einer Dimension des Lichts leben sie jetzt ewig im Frieden, im Glück und in der Liebe. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute und weisen uns den Weg ins Licht, wenn wir den Weg wirklich wissen wollen. Wir müssen nur auf unsere innere Stimme der Weisheit und der Liebe hören. Und ausdauernd dem Weg unserer persönlichen Wahrheit folgen.

Diese Geschichte ist von dem Märchen „Die Prinzessin von Tiefental“ von Johann Wilhelm Wolf (Deutsche Hausmärchen, 1858) inspiriert.

https://www.youtube.com/watch?v=TJ7FX0A3yTU

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