Tangolehrerin verführt Yogi im Altersheim

... zum Tangotanzen! Der Saal war halbvoll. Meine Mutter und ich fanden einen Sitzplatz in der ersten Reihe. Der Tanznachmittag begann mit einem guten Witz. Meine Mutter blickte sich um und meinte: "Die Menschen sind hier alle so alt." Ich fragte: "Und wir?" Voller Überzeugung erklärte meine Mutter: "Wir nicht!" Durch ihre Demenz hat sie auch vergessen, dass sie alt ist. Sie hält sich für jung. Manchmal ist Demenz praktisch.

Beim Tanzen allerdings kam ihr Alter dann doch zum Vorschein. Wir standen eher auf der Stelle als das man eine Bewegung erkennen konnte. Gute Laune kriegte meine Mutter aber trotzdem. Sie begann die Lieder mitzusummen. Nach zwei Tänzen mussten wir uns erst mal erholen. Wir setzen uns wieder hin. Ich beobachte die alten Menschen. Viele alte Frauen und wenige alte Männer. Viele mit einem Rollator, einige im Rollstuhl und einige wenige konnten noch selbständig gehen. Der Altersdurchschnitt lag irgendwo zwischen 80 und 90. Meine Mutter war mit ihren 92 Jahre eine der ältesten. Ein Ehepaar war noch relativ jung. Die Frau etwas über 50 und der Mann knapp 60. Die Frau saß in einem Rollstuhl, war krank und hatte deutlich erkennbar Schmerzen. Ihr Mann betreute sie und streichelte liebevoll ihren Arm.

Und da war er wieder. Der Schlurfer. Ein kleiner alter Mann liebte es zu tanzen. Man merkte einen gewissen Sexhunger in ihm, den er anders wohl nicht ausleben konnte. Hier beim Tanzen aber war er der König. Er stürzte sich auf die alten Frauen und tanzte mit einer nach der anderen. Allerdings konnte er nicht mehr richtig gehen. Er setzte einen Fuß vor und zog schlufend den anderen seitlich nach. Er konnte gerade das Gleichgewicht halten. Man hatte Angst, wenn man ihn über die Tanzfläche schlurfen sah. Insbesondere wenn er alleine quer durch den ganzen Saal mit fixiertem Blick auf dem Weg zu seiner auserkorenen Tanzpartnerin war. Und plötzlich geschah es. Er fiel um. Er lag der Länge nach auf der Tanzfläche. Die beiden Tangolehrer rannten sofort zu ihm und versuchten ihm aufzuhelfen. Was nicht einfach war. Zum Glück hatte er sich nichts gebrochen. Das kann im Alter leicht geschehen, weil die Knochen morsch werden.

Nach einige Schreckminuten ging das Tangotanzen weiter. Und dann geschah das Unfassbare. Die schöne junge Tangolehrerin (auf dem Video zu sehen) kam direkt auf mich zu und wollte mit mir tanzen. Ich sah die peinlichsten Minuten meines Lebens vor mir. Ich habe mich seit 40 Jahren nicht mehr auf die Tanzfläche gewagt. Ich kann absolut nicht tanzen. Sie bemühte sich vergeblich. Sie war sehr enttäuscht. Ich merkte, dass ich aus ihrer Liebe heraus fiel. Sie verschloss ihr Herz. Aus irgendwelchen Gründen mochte sie mich. Na gut. Ich gestehe. Ich bin ein attraktiver Typ. Durchtrainierter Yogakörper. Knackiger Hintern. Eine wahnsinns Ausstrahlung. Das innere Glück leuchtet mir förmlich aus den Augen. Jedenfalls glaube ich das manchmal von mir. Wenn ich zu viel Yogitee getrunken habe. Vielleicht war der Grund auch einfach, dass sie mal Frischfleisch brauchte nach den vielen alten Männern.

Da ich mich weigerte, tanzte sie dann mit einem anderen Mann. In meinem Geist diskutierte es hin und her. Die eine Seite meinte: "Gut, dass du dir diese Peinlichkeit erspart hast." Es gibt aber auch den Macho in mir und der schrie: "Bist du verrückt. So eine Gelegenheit läßt mann sich nicht entgehen." Nach einiger Zeit gewann die Machoseite die Oberhand. Ich überlegte, wie ich meinen Fehler wieder gut machen konnte. Als hätte die Tangofrau das geahnt, setzte sie sich auf den freien Stuhl neben mir. Ich berührte sie vorsichtig am Arm und erklärte schüchtern, dass wir es vielleicht doch einmal versuchen könnten.

Sie war erfreut und ihr Herz öffnete sich wieder. Sie zog mich auf die Tanzfläche. Dort mutierte sie zuerst zur strengen Tanzlehrerin und erklärte, dass Tangotanzen ganz einfach ist. Ich bräuchte nur den Oberkörper ruhig zu halten und sie zu führen. Sie würde alles tun was ich wollte. Und dann schmiegte sie sich an mich und legte sanft ihren Kopf an meinen Kopf. Mir stockte der Atem. "Ha," frohlockte die schüchterne Seite in mir: "Das hast du jetzt von deinem Übermut." Der Macho in mir entgegnete: "Du hast doch den Tiger in dir. Lass ihn frei." Irgendwie machte sie mich zum Tänzer, weil sie den Tänzer in mir sah. Ihre Devise war: "Tango ist einfach nur eine Umarmung. Jeder kann Tango tanzen." Mich erinnerte das eher an Dirty Dancing. In welchem Film war hier gelandet. Eben noch ein asketischer Yogi in einer einsamen Yogihütte im Wald. Und plötzlich eng umschlungen mit einer heißen Tangobraut auf der Tanzfläche. Das hätte ich in meinen wildesten Yogiträumen nicht gedacht.

Aber jeder Traum endet irgendwann. Und so fuhr ich wieder zu meiner Yogihütte und überlegte, wie ich mein Kopfkino ausschalten kann. Da ist ein Yogi Profi. Ein langer Spaziergang. Ein kurzes Nachdenken über den tieferen Sinn des Lebens. Da war doch was? Ach ja. Die Erleuchtung. Das innere Glück. Yoga. Viel Ruhe. Abgeschiedenheit. Allen Wesen Licht senden. Der schönen Tangofrau Licht senden. Allen weltlichen Gedanken Licht senden. Einmal tief durchatmen. Zweimal tief durchatmen. Dreimal tief durchatmen. Den knirschenden Schnee unter den Füßen spüren. Den weißen Winterwald visualisieren. Die Stille um mich herum wahrnehmen. Und schon lösten sich die weltlichen Anhaftungen und der innere Frieden war wieder da. Wie schön ist doch das innere Glück, das aus einem selbst heraus entsteht. Obwohl etwas weltlicher Genuss auch glücklich machen kann. Wie gut, dass mein spiritueller Weg auch etwas Lebensfreude erlaubt.
https://www.youtube.com/watch?v=qvWy9OhbP4k

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