Swami Sivananda: Samadhi Jnani und Vyavahara Jnani

Die Lebensweise von Jivanmuktas und Weisen ist nicht immer gleich. Der eine lebt fürstlich. Bhagiratha lebte so. Ein anderer Weiser lebt wie ein Bettler. Der eine ist immer in Meditationsstimmung. Er verrichtet keine Aktivitäten. Er spricht nicht. Er lebt zurückgezogen. Jada Bharata lebte so. Ein anderer Weiser lebt in einer hektischen überbevölkerten Stadt. Er stürzt sich in den Dienst. Er spricht mit den Menschen. Er hält Vorträge, gibt spirituellen Unterricht, schreibt Bücher, usw. Shri Shankara lebte so. Das hängt vom Prarabdha ab, dem jeweiligen Karma. Jeder Weise hat sein spezielles Prarabdha. Wenn alle Weisen dasselbe Leben und dasselbe Prarabdha hätten, wäre diese Welt eintönig. Die Vielfalt der Erscheinungsformen ist das Wesen von Prakriti.

Der Jnani, der den Wunsch nach weltlichen Aktivitäten, Vyavahara, hat und in der Welt tätig ist, wird Vyavahara Jnani genannt. Der Jnani, der sich vollständig zurück­zieht, ist ein Samadhi Jnani. Beide kommen zur selben Erkenntnis. Aber der Samadhi Jnani erlebt mehr Ananda, Glückseligkeit, als der Vyavahara Jnani. Der Samadhi Jnani ist ein Mensch, der stets in Brahman aufgegangen ist. Er sieht keine Namen und Formen. Die Welt ist für ihn gänzlich verschwunden. Er kann eigentlich nicht tätig sein. Er ist ein Muzub. Er ist ein Paramahamsa. Dem Samadhi Jnani muss man Essen geben und ihn dazu bringen, Nahrung aufzunehmen. Von sich aus würde er nicht essen.

Ein Vyavahara Jnani spürt Schmerz, wenn er sich in den Finger schneidet, aber ein Sa­madhi Jnani empfindet keinen Schmerz, auch dann nicht, wenn sein Bein amputiert wird. Der Fall von Shams Tabriez aus Multan ist dafür ein Beispiel. Als er gehäutet wurde, lachte er und rief Analhaq, Analhaq. ‘Analhaq’  heißt ‘Ich bin Er’ und entspricht dem Mantra ‘Soham.

Ein Vyavahara Jnani sieht Namen und Formen. Ein Vyavahara Jnani weiß und unterscheidet: Das ist Vishta (Kot), das ist Chandan (Sandelholzpaste); das ist ein Narr, das ist ein kluger Mann; das ist ein Adhikari, ein Schüler, das ist ein Schurke, das ist ein ehrlicher Mensch. Aber es berührt seine Gefühle nicht. Er frohlockt nicht, wenn er Erfolg hat, und er ist auch nicht niedergeschlagen im Misserfolg. Weder liebt er den Rechtschaffenen noch hasst er den Schurken. In dieser Hinsicht hat er Sama Drishti, die gleichmütige universelle Sicht.

Der Wunsch nach Tätigkeit im Fall des Vyavahara Jnani beruht auf Prarabdha. Er nutzt Körper und Geist als Werkzeuge, so wie ein Zimmermann seine Werkzeuge verwendet. Während er tätig ist, verliert er keinem Moment lang die gleichzeitige Sicht Brahmans. Er ist immer fest verankert in Chaitanya Svarupa, reinem Bewusstsein.

Der Vyavahara Jnani sieht die ganze Welt in sich selbst. Er sieht nichts im Außen so wie du. Er sieht durch Divya Drishti, den göttlichen Blick oder Jñana Chakshus, das Auge der Erkenntnis, und nicht durch die physischen Augen. Ein Jnani sieht mit Hilfe starker Linsen, dem Auge Atmans, die ganze Welt in all ihren Ein­zelheiten der Schöpfung. Er sieht des Menschen Astralkörper, den Kausalkörper mit seinen Samskaras, die Prana-Aura, die psychische Aura, usw. Es ist für einen weltlichen Menschen von praktischem Verstand sehr schwierig, sich vorzustellen, wie ein Jnani das physische Universum wahrnimmt, während er wirkt.



Dies ist eine Textpassage aus dem Buch:

Swami Sivanandas
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