Swami Sivananda: Der Geist im Traum

Der Geist dreht sich immer wie ein Rad. Er spielt mit den fünf Sinnen der Wahrnehmung und macht Erfahrungen im Wachzustand. Er nimmt die verschiedenen Sinneseindrücke durch die Straßen der Sinne auf. Die Eindrücke haben ihren Sitz im Kausalkörper. Ajnana, der Kausalkörper, ist wie ein Tuch, in dem die Samskaras, die Eindrücke aller früheren Geburten, enthalten sind.

Im Traum schafft der Geist Verschiedenes aus den Eindrücken, die von der Erfahrung des Wachzustandes geschaffen werden. Manchmal tauchen auch Eindrücke aus vergangenen Geburten, die im Kausalkörper sind, im Traumzustand auf.

Im Traum nimmt der Geist wahr, und der Geist selbst ist das Wahrgenommene. Die Traumobjekte gibt es nicht unabhängig vom Geist. Sie haben keine vom Geist getrennte Existenz. So lange der Traum andauert, bleiben die Traumgeschöpfe. Im Jagrat (Wach-) Zustand hingegen existiert das Objekt unabhängig vom individuellen Geist. Die Objekte des Wachzustandes sind uns allen gemein, während diejenigen des Traumes nur dem Träumenden gehören.

Der Geist schafft im Traum Biene, Blume, Berg, Pferde, Flüsse, usw., ohne äußere Mittel zu Hilfe zu nehmen. Er schafft verschiedene eigenartige phantastische Mischungen. Vielleicht erfährst du im Traum, dass dein noch lebender Vater tot ist oder dass du in der Luft fliegst. Du siehst vielleicht im Traum einen Löwen mit einem Elefantenkopf oder eine Kuh mit einem Hundekopf. Manche Wünsche, die im Wachzustand nicht erfüllt werden, erfüllen sich im Traum. Der Traum ist ein geheimnisvolles Phänomen. Er ist interessanter als der Wachzustand.

Es sind die Wünsche, die alle Erfahrungen im Wachzustand und auch im Traum beherr­schen. Wachen ist das physische Wirken von Wünschen. Die Sinne werden im Wachzustand von Wünschen bewegt; der Geist wird im Traum von Wünschen bewegt. Im Wachzustand nimmt der Geist durch die Sinne wahr; im Traum nimmt der Geist alleine wahr, ohne das Medium der Sinne.

Der Träumende schafft sich im Traumzustand seine eigene Welt. Nur der Geist allein arbeitet in diesem Zustand. Die Sinne werden in den Geist zurückgezogen. Die Sinne ruhen. Der Geist ist dann wie ein wilder Elefant, den man losgelassen hat.

So wie ein Mensch sich von der Außenwelt zurückzieht, Tür und Fenster seines Zimmers schließt, um im Zimmer in Ruhe zu arbeiten, so zieht sich auch der Geist von der Außenwelt zurück, spielt in der Traumwelt mit den Vasanas und Samskaras, und erlebt Dinge aus feinstoff‍lichen subtilen Gedanken, die die Produkte der Wünsche sind. Der Traum ist nur ein Spiel des Geistes.

So wie Bilder auf eine Leinwand gemalt werden, so werden auch die Eindrücke des Wachzustandes auf die Leinwand des Geistes gemalt. Die Bilder auf einer Leinwand erschei­nen mehrdimensional obwohl sich alles nur auf einer ebenen Fläche abspielt. Ebenso, obwohl die Traumerfahrungen in Wirklichkeit nur Zustände des Geistes sind, macht der Träumende in der Traumwelt innerliche und äußerliche Erfahrungen. Er hat im Traum das Gefühl, dass die Traumwelt ganz real ist.

Es scheint nur, dass der Träumende im Traum Dinge tut, tatsächlich liegt aber keine äußere Akti­vität vor. Es spielt sich alles nur im Geist ab.  Wenn die Schriften über unsere Traumhandlungen schreiben, sagen sie davon ‘als ob’: „Als ob man sich vergnügte, als ob man reiste, als ob man lachte.“ Auch wir Menschen beschreiben Träume genauso: “Es war, als stiege ich auf den Gipfel eines Berges. Es war, als sähe ich einen Baum.“

Aus dem Buch:

Swami Sivanandas
Inspiration und Weisheit
Für Menschen von Heute


Auszüge aus Werken von Swami Sivananda
Essays und praktische Anleitungen
für spirituelle Aspiranten

Einige Bücher von Swami Sivananda findest du online unter:
yoga-vidya.de/yoga-buch/sivananda

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