Sucht und Sehnsucht im Yoga

Wikipedia: Abhängigkeit, genannt auch Sucht, bezeichnet das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und die sozialen Chancen eines Individuums. In der Umgangssprache wird von dem Beobachter ein, seiner Meinung nach, krankhaftes, übermäßiges oder zwanghaftes Verhalten oder Gebrauch von Substanzen als Sucht bezeichnet: „Süchtig nach Ruhm“, „Süchtig nach Schokolade“. Das Wort „Sucht“ geht auf „siechen“ (ahd. siuchan, mhd. siechen) zurück, das Leiden an einer Krankheit bzw. Funktionsstörung.

Sehnsucht ist ein inniges Verlangen nach Personen, Sachen, Zuständen oder Zeitspannen. Eine mythische Erklärung der Sehnsucht bietet der Mythos von den Kugelmenschen, den der Philosoph Platon erzählen lässt. Dem Mythos zufolge hatten die Menschen ursprünglich kugelförmige Rümpfe sowie vier Hände und Füße und zwei Gesichter auf einem Kopf. In ihrem Übermut wollten sie den Himmel stürmen. Dafür bestrafte sie Zeus, indem er jeden von ihnen in zwei Hälften zerlegte. Diese Hälften sind die heutigen Menschen. Sie leiden unter ihrer Unvollständigkeit; jeder sucht die verlorene andere Hälfte.

Bei Jacob Böhme gewinnt die Sehnsucht eine neue Bedeutung, da für ihn das „Sehnen“ die Wirkungskraft (der Natur) ist. Die ganze Natur beruhe auf dem Prinzip des „Sehnens“, ein ebenso dynamischer wie schöpferischer Mechanismus. Das Sehnen des Menschen nach Gott sei eine Erinnerung an seine Ursprünge. Böhme spricht vom „Sehnen der Finsternis nach dem Licht und der Kraft Gottes“. Durch Sehnsucht und Erinnerung hebe die Seele sich zum „Göttlichen empor“. Alles geistig Schöne und Große gehe aus Sehnsucht hervor. Fichte und Schelling fassen die Sehnsucht als eine schöpferische Kraft auf. So bezeichnet Fichte sie an einer Stelle als einen „Trieb, mit dem Unvergänglichen vereinigt zu werden und zu verschmelzen“; sie sei der Grund des Daseins, das erst durch sie zum wahrhaftigen Leben komme.

Hegel spricht im vierten Kapitel seiner Phänomenologie des Geistes von einem „unglücklichen Bewusstsein“: „Dieses unglückliche, in sich entzweite Bewußtsein muß zum Siege und zur Ruhe der Einheit kommen. In der vom christlichen Glauben beeinflussten Kultur liegt dieses in der Sehnsucht nach dem Paradies.

Nils: Im Buddhismus sind die drei Grundkräfte Anhaftung, Ablehnung und Unweisheit. Der Mensch haftet an dem Genuss materieller Dinge an. Diese Anhaftung ist der Motor des weltlichen Lebens. Der Mensch lehnt das Leid ab. Diese Leidablehnung bewirkt Angst, Wut und Trauer und zerstört seinen inneren Frieden. Die Unweisheit des Menschen bringt ihn dazu sein Glück in äußeren Dingen zu suchen. Weisheit zu erlangen bedeutet, dass er erkennt, dass das Glück vorwiegend in ihm selbst zu finden ist. Wenn man die Dinge so annimmt, wie sie sind, erlangt man inneren Frieden. Wenn man seine Anhaftung an äußeren Dingen losläßt, dann wendet sich die Lebensenergie nach innen. Der Mensch ruht im inneren Frieden, im inneren Glück und in der Erleuchtung.

Durch das innere Glück verwandelt sich das Bewusstsein eines Menschen. Er denkt vorwiegend positiv. Er sieht vorwiegend das Positive in der Welt. Er gelangt zur Paradiessicht, in die Erleuchtung, in ein Einheitsbewusstsein. Alles ist richtig so wie es ist. Alles ist gut so wie es ist. Mit dem inneren Glück entfaltet sich auch die Liebe. Das Herzchakra öffnet sich. Es entsteht der Wunsch, allen Wesen glücklich zu machen. Erleuchtung bedeutet an sich Wunschlosigkeit, weil es kein Ego mehr gibt. Aus Liebe jedoch kann auch der Erleuchtete handeln. Er stabilisiert und vergrößert dadurch seine Erleuchtung. Er wächst spirituell, nimmt an Energie zu, erlangt übersinnliche Kräfte (Siddhis) und wird zu einem Buddha.

In diesem Zusammenhang ist Sehnsucht etwas Positives, wenn sie auf die Erleuchtung gerichtet ist. Sehnt sich ein Mensch nach Erleuchtung, ist er bereit viel dafür zu tun. Er wird intensiv meditieren, an seinen Gedanken arbeiten und dadurch schnell sein Ziel erreichen. Buddha hat sich sehr nach Leidbefreiung gesehnt. Er hat sechs Jahre konsequent als abgeschiedener Yogi gelebt. Dadurch hat er sich sehr schnell innerlich gereinigt. Kurz vor der Erleuchtung hat er allerdings seinen Wunsch nach Erleuchtung losgelassen. So konnte er zur Erleuchtung gelangen.

Erleuchtung entsteht durch eine tiefgreifende innere Entspannung. Dafür müssen zunächst durch spirituelle Übungen alle inneren Verspannungen und Energieblockaden aufgelöst werden. Dann ist man zur Erleuchtung bereit. Jetzt genügt ein kleiner Funke, um den Durchbruch zur Erleuchtung zu bewirken. Dieses geschieht von alleine. Man kann die Erleuchtung nicht erzwingen. Es ist gut einen erleuchteten Meister zu haben. Er wird im richtigen Moment die Flamme der Erleuchtung anzünden.

Buddha praktizierte in seinem Leben drei Wege. Zuerst lebte er ein weltliches Leben des äußeren Genusses. Er erkannte, dass ihn dieses Leben tief in seinem Inneren nicht befriedigte. Darauf wandte er sich dem spirituellen Weg zu und praktizierte sehr intensiv. Und kurz vor seiner Erleuchtung entdeckte er den mittleren Weg. Er ging weiter seinen spirituellen Weg, aber er genoss auch das äußere Leben. Eine schöne junge Frau schenkte ihm ein leckeres Reisgericht. Buddha entspannte sich, lehnte sich an einen Baum und fiel in eine tiefe Meditation. Er meditierte drei Tage und drei Nächte und war erleuchtet.

Im tibetischen Buddhismus gibt es die Geschichte von einem Yogi, der viele Jahre intensiv meditierte. Er hatte viele Energieerfahrung, konnte aber nicht zur dauerhaften Erleuchtung durchbrechen. Darauf hin riet ihm sein Meister alles spirituelle Bemühen aufzugeben und einfach nur zu tun, wozu er Lust hatte. Der Yogi entspannte sich und die Erleuchtung entstand mühelos.

Es gibt auch noch eine andere tibetische Geschichte. In dieser Geschichte gab der Yogi nach zwölf Jahren Abgeschiedenheit seinen Yogiweg auf und schenkte alle seine Sachen einer armen alten Frau. Durch diese Tat der Liebe öffnete sich sein Herz und er kam zur Erleuchtung. Erleuchtung entsteht durch viel Ruhe, Liebe und spirituelles Üben. Wir müssen mit Weisheit im richtigen Moment das Richtige tun, damit wir auf unserem spirituellen Weg Erfolg haben.

Das Geschehen von Sucht und Sehnsucht ist in diese Erkenntnisse einzuordnen. Anhaftung an äußere Dinge ist normal. Sie schadet einem Menschen, wenn sie zu stark wird und wenn sie ihn vom spirituellen Weg weg bringt. Etwas äußerer Genuss kann zum Glück eines Menschen beitragen. Zu viel Genuss kann der Gesundheit schaden und den Menschen finanziell ruinieren. Seine Sehnsucht sollte sich vorwiegend auf das spirituelle Ziel richten. Dann wird sie ihn eines Tages umfassend glücklich machen.

Ablehnung von Leid ist gut, weil sie einen Menschen dazu bringt sich vor Leid zu schützen. Eine übertriebene Ablehnung von Leid ist ungünstig, weil sie einem Menschen den inneren Frieden raubt und ihn krank macht. Leidsituationen können uns zur Erleuchtung bringen, wenn wir innerlich richtig darauf reagieren. Wir sollten unser Ego loslassen. Wir sollten uns auf das spirituelle Ziel konzentrieren. Wir sollten den Weg der Liebe gehen und allen Wesen Gutes tun. So überwinden wir das eigene Leid. Ist das innere Glück da, sind wir gerettet. Alles Leid und alle Anhaftung verschwinden. Wir sind einfach glücklich aus uns selbst heraus.

Im Christentum wird die Sehnsucht nach dem Paradies und nach Gott sehr gepflegt. So bekommen die Christen Kraft für ihren spirituellen Weg. Im indischen Yoga werden Götter wie Shiva, Vishnu, Durga, Sarasvati, Lakshmi und Ganesha verehrt. Dadurch wird der Geist auf das göttliche Ziel gelenkt. Im Buddhismus ist es ebenfalls wichtig, immer wieder auf die richtige Ausrichtung des Geistes zu achten. Dazu dienen die täglichen Rituale der Zufluchtnahme und des Bodhisattva-Gelöbnisses.

Der Kugelmensch von Platon ist der Erleuchtete. Er ist in sich ganz. Er hat seine weibliche und seine männliche Seite integriert und in Harmonie gebracht. Das geschieht durch das Üben männlicher und weiblicher Eigenschaften. Frauen besitzen oft viel Liebe, eine gutes inneres Gespür und eine ganzheitliche Sicht. Männer sind oft zielstrebig, kraftvolle und voller Selbstdisziplin.

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