Siebenschön

Es war einmal ein Mädchen, das war schön und fromm. Die Leute in ihrem Dorf nannten sie Siebenschön, weil sie siebenmal so schön war wie die anderen Mädchen im Dorf. Siebenschön litt unter ihrer Schönheit. Alle Männer starrten hinter ihr her und alle Frauen waren eifersüchtig auf sie. Durch ihre Schönheit wurde sie ausgegrenzt. Sie versuchte ihr Gesicht zu verbergen. Wenn sie am Sonntag in die Kirche ging, trug sie immer einen Schleier vor dem Gesicht.

Eines Tages hörte der Königssohn des Landes von ihrer außergewöhnlichen Schönheit. Er besuchte die Kirche, um sie zu sehen. Aber er konnte sie nur verschleiert antreffen. Das machte ihn sehr neugierig. Durch einen Diener ließ er sie zu einem abgelegene Ort bestellen. Siebenschön dachte, dass der Prinz eine Arbeit für sie hätte. Da ihre Eltern sehr arm waren, ging zu dem Treffen.

Sie traf den Prinzen am Randes des Dorfes auf einer Wiese unter einer großen Eiche. Der Prinz verlangte von ihr, dass sie ihren Schleier entfernt. Das tat sie zwar ungern, aber dem Befehl des Prinzen musste sie folgeleisten. Als der Prinz sah, wie schön sie war, verliebte er sich sofort in sie und wollte sie zur Frau haben. Siebenschön aber meinte, dass der Vater des Prinzen, der König des Landes, einer Heirat nicht zustimmen würde. Die Standesunterschiede wären zu groß. Aus der Liebe zwischen einem armen Bauernmädchen und einem reichen Prinzen könnte nichts Gutes werden.

Da der Prinz aber sehr verliebt war, meinte er optimistisch, dass er die Dinge schon regeln könnte. Siebenschön bat sich drei Tage Bedenkzeit aus. Am ersten Tag brachte der Diener des Prinzen ihr einen goldenen Ring als Zeichen seines festen Willens sie zu heiraten. Am zweiten Tag schickte der Prinz ihr goldene Schuhe und am dritten Tag ein goldenes Kleid.

Siebenschön verriet keinem Menschen ihre Liebe zum Prinzen. Aber als sie den Prinzen wieder unter der Eiche traf, ließ sie sich auf ihn ein. Sie trafen sie jeden Abend an dem abgeschiedenen Ort. Das ging auch eine Zeitlang gut. Aber dann bemerkte eine missgünstige Dienerin des Königs, dass der Prinz immer abends verschwand. Heimlich schlich sie hinter dem Prinzen her und entdeckte das Liebesnest. Sie berichtete sofort dem König davon.

Der König war außer sich vor Wut. Er war ein sehr jähzorniger Mann. Deshalb befahl er Siebenschön und ihre Eltern zu töten. Die Soldaten des König ritten zu Siebenschön und brannten das Haus ihrer Eltern nieder. Die Eltern kamen in den Flammen um, aber Siebenschön konnte sich durch einen Sprung in den Brunnen retten.

Als die Flammen niedergebrannt waren und die Soldaten das Dorf verlassen hatten, kroch Siebenschön aus dem Brunnen. Voller Entsetzen erblickte sie die Leichen ihrer toten Eltern. Warum hatte Gott ihr so ein schweres Schicksal auferlegt? Sieben Tage und sieben Nächte lang weinte sie ununterbrochen. Aber dann meldete sich der Hunger in ihr. Sie hatte nichts mehr zu essen. Von dem Haus und allen Wertsachen war nichts mehr übrig geblieben. Siebenschön musste sich Geld zum Leben verdienen.

Sie verkleidete sich als Mann und machte sich auf den Weg zum Königspalast. Dort würde sie am ehesten eine Arbeit finden. Sie wurde auch tatsächlich als Küchenhilfe eingestellt. Als sie nach ihrem Namen gefragt wurde, nannte sie sich „Unglück“. Sie hatte alles verloren, ihre große Liebe, ihre Eltern und ihre Heimat. Sie war zu einem Nichts geworden. Sie konnte gerade nur so eben durch eine anstrengende und schlechtbezahlte Arbeit überleben. Durch den Namen wollte sie sich immer an ihr Unglück erinnern. Sie praktizierte sozusagen eine Meditation auf ihr Leid. Und dadurch verwandelte sie sich im Laufe der Zeit.

Weil sie vom Außen nichts mehr erwartete, konzentrierte sie auf das Innere. Sie war beständig im Gebet versunken, auch bei ihrer Arbeit. Sie machte den Glauben zum Zentrum ihres Lebens. Sie konnte sich sehr gut mit dem leidenden Christus am Kreuz identifizieren. Dadurch aktivierte sie ihr Wurzelchakra und die Glücksenergie begann in ihr zu fließen. Nach einiger Zeit war sie voller Licht und strahlte Licht aus.

Das bemerkte auch der König. Er spürte, dass er sich in ihrer Gegenwart wohl fühlte. Er merkte, dass ihre Nähe ihm gut tat. Gerade weil er böse und jähzornig war, fehlte ihm die Liebe in seinem Leben. Auch die Königin hatte keine Liebe in sich. Sie war so wie er. Der König machte Siebenschön, die sich als Mann verkleidet hatte, deshalb zu seinem Leibdiener.

Siebenschön hatte große Probleme diese Aufgabe anzunehmen. Der König hatte ihre Eltern getötet und ihre große Liebe zerstört. Wie sollte sie ihm das verzeihen können? Aber ohne Verzeihen würde sie nie wieder zum inneren Frieden finden können. Der König war so wie er war. Er war ein grausamer Herrscher. Das war ihr bewusst. Sie übergab ihre Rachegedanken an Gott. Gott hatte das Leben und ihr Schicksal für sie so geplant. Gott war mächtiger als sie. Das Leben war größer als sie selbst. Sie konnte sich nur dem Willen des Lebens unterordnen und versuchen ihr inneres Glück zu entwickeln und in der Liebe zu allen zu leben. Genauso hätte es Jesus auch gemacht. Er hatte es gelehrt sogar die Feinde zu lieben. Durch diesen Gedanken konnte sie dem König verzeihen.

Der Königssohn dachte wie alle, dass Siebenschön in den Flammen umgekommen sei. Er trauerte lange um seine große Liebe. Im Gegensatz zu Siebenschön konnte er seinem Vater nicht verzeihen. Aber er war weltlich gesehen seinem Vater untergeordnet. Und als sein Vater ihm befahl die Tochter des Nachbarkönigs zu heiraten, musste er einwilligen.

Es wurde eine große Hochzeit geplant. Siebenschön hörte von der Hochzeit und war wiederum sehr traurig. In der Nacht vor der Hochzeit saß sie in ihrer Kammer und sang traurige Lieder. Zufällig kam der Prinz vorbei und hörte sie singen. Er erkannte sofort die Stimme seiner geliebten Siebenschön. Er klopfte an die Kammertür und trat ein. Wie glücklich waren die Beiden, als sie sich wiedergefunden hatten. Ihre große Liebe war immer noch da, aber wie sollten sie den König überzeugen?

Sie konnten es nur mit dem Weg der Wahrheit versuchen. Siebenschön gestand dem König, dass sie in Wirklichkeit kein Mann, sondern eine Frau war. Sie sei Siebenschön, deren Eltern der König verbrannt habe. Sie hätte dem König verziehen. Aber jetzt hätte der Prinz entdeckt, dass sie noch lebt und wollte sie heiraten. Sie müsse deshalb das Königreich verlassen, außer er würde der Heirat zustimmen.

Der König wollte Siebenschön nicht verlieren, weil ihre Nähe ihm gut tat. Es rührte sein Herz, dass sie ihm sein grausames Verhalten verzeihen konnte. Ihm war bewusst, dass er seinen Sohn verlieren würde, wenn er der Heirat mit Siebenschön nicht zustimmen würde. Also sprang er über seinen Schatten, sagte die Heirat mit der Nachbarprinzessin ab und erlaubte die Heirat seines Sohnes mit Siebenschön. Als der König starb, wurde der Prinz zum neuen König gekrönt. Und Siebenschön wurde die neue Königin. Sie regierten gemeinsam das Land voller Liebe und Mitgefühl. Es brach eines Zeit des Glücks für alle an.

So wurde am Ende doch noch alles gut. Siebenschön blieb aber trotz ihr Schönheit und ihres jetzt hohen Standes immer bescheiden und demütig, weil sie wusste, dass das Leben größer ist als der Mensch. Das Schicksal kann sich jederzeit wenden. Der Mensch kann sich nur dem Leben unterordnen und versuchen, das Beste daraus zu machen. Letztlich kann man nur das ewige Wechselspiel von Freude und Leid innerlich heil überstehen, wenn man das innere Glück zum Zentrum des Lebens macht.

Dieses Märchen stammt von Ludwig Bechstein und wurde 2014 verfilmt. Im Film starben die Eltern nicht, sondern wurden vom König gefangen genommen, der damit seinen Sohn erpresste die neue Prinzessin zu heiraten. Die Heirat konnte verhindert werden, weil in der Kirche die fremde Prinzessin durch Siebenschön ausgetauscht wurde. Durch den Schleier konnte der König das erst entdecken, als der Bund fürs Leben bereits geschlossen war. Auch so wurde am Ende alles gut.

https://www.youtube.com/watch?v=ho_qMU7GwAU

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