Schneewittchen, der Weg der weisen Frau

Es war einmal eine Königin, die wünschte sich sehr ein Kind. Sie gebar ein Mädchen, doch leider starb sie bei der Geburt. Der König suchte sich eine neue Frau, die zwar sehr schön, aber innerlich böse und vor allem sehr eifersüchtig auf andere schöne Frauen war. Die böse Stiefmutter besaß einen Zauberspiegel. Oft befragte sie den Spiegel, wer die Schönste im ganzen Land sei. Und der Spiegel antwortete jedes Mal: „Ihr seid die Schönste, Frau Königin.“

Das Drama begann als das Mädchen älter wurde. Sie wurde von Jahr zu Jahr schöner. Ihr Haar war so schwarz wie Ebenholz, ihre Haut so weiß wie Schnee und ihre Lippen so rot wie Blut. Deshalb bekam sie den Spitznamen Schneewittchen. Alle jungen Männer verliebten sich in sie. Als Schneewittchen sechzehn Jahre alt war, befragte die eifersüchtige Stiefmutter wieder einmal ihren Spiegel: „Spieglein, Spieglein an der Wand. Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Der Spiegel antwortete wahrheitsgemäß: „Ihr seid die Schönste hier. Aber Schneewittchen ist noch tausend mal schöner als Ihr.“ Da wurde die böse Königin zornig und befahl ihrem Jäger Schneewittchen zu töten.

Der Jäger führte Schneewittchen in den tiefen Wald. Aber er brachte es nicht über’s Herz, ein so schönes junges Mädchen zu ermorden. Deshalb ließ er sie frei und tötete stattdessen ein junges Wildschwein. Er schnitt dem Schwein die Lunge und die Leber heraus, gab das der bösen Königin und behauptete, dass das von Schneewittchen stamme. Die böse Königin briet die Lunge und die Leber und aß sie genüsslich auf. Sie dachte wohl, dass jetzt die Lebensenergie von Schneewittchen auf sie übergeht.

Schneewittchen ging immer tiefer in den Wald hinein. Da entdeckte sie ein kleines Häuschen. Sie klopfte an, aber es war keiner zuhause. Sie trat ein. Im Häuschen fand sie einen gedeckten Tisch und sieben kleine Betten. Da sie Hunger hatte, aß sie etwas von den Tellern, trank etwas Wein und legte sich dann in das siebte Bett.

Am Abend kamen die Bewohner des Häuschens von der Arbeit zurück. Es waren sieben Zwerge, die im Berg Eisenerz und Gold abbauten. Erstaunt entdeckten sie, das jemand von ihren Tellern gegessen hatte und riefen: „Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?“ Da erblickte der siebte Zwerg Schneewittchen in seinem Bett und ergänzte: „Wer liegt da in meinem Bettchen?“

Da Schneewittchen sehr schön war, verliebten sich sofort alle Zwerge in sie. Als Schneewittchen aufwachte, erzählte sie ihnen seine Geschichte. Die Zwerge rieten ihr bei ihnen zu bleiben, sich aber vor der bösen Stiefmutter in Acht zu nehmen. Schneewittchen machte den sieben Zwergen den Haushalt und die Zwerge verdienten das Geld zum Leben. Sie hatten ein schönes und fröhliches Leben.

Leider war Schneewittchen ein sehr naives junges Mädchen. Die böse Stiefmutter fragte ihren Spiegel, wer die Schönste im Land ist. Und der Spiegel verriet ihr, dass Schneewittchen noch lebt und wo sie wohnt: „Ihr seid die Schönste hier. Aber Schneewittchen bei den sieben Zwergen, hinter den sieben Bergen, ist noch tausend mal schöner als Ihr.“

Da verkleidete sich die böse Stiefmutter als alte Händlerin, klopfte an die Tür und verkaufte Schneewittchen einen schönen Gürtel. Sie band Schneewittchen den Gürtel so straff um den Leib, dass sie keine Luft mehr bekam und ohnmächtig zu Boden fiel. Die alte Königin dachte, dass Schneewittchen tot ist. Aber als die sieben Zwerge nach Hause kamen, lösten sie den Gürtel, Schneewittchen bekam wieder Luft und erwachte aus ihrem Koma.

Die böse Königin gab nicht auf. Der Spiegel sagte ihr, dass Schneewittchen noch lebt, und die Königin machte einen zweiten Versuch. Sie verkleidete sich wieder als alte Händlerin und verkaufte Schneewittchen diesmal einen vergifteten Kamm. Als Schneewittchen sich damit kämmte, wurde sie wieder bewusstlos. Doch als die Zwerge den Kamm entfernten, wachte sie wieder auf.

Jetzt unternahm die alte Königin den dritten und letzten Tötungsversuch. Sie vergiftete einen Apfel und schenkte ihn Schneewittchen. Schneewittchen war jetzt vorsichtig geworden. Sie erklärte der alten Frau: „Ich darf von Fremden nichts annehmen. Meine böse Schwiegermutter trachtet mir nach dem Leben. Der Apfel könnte vergiftet sein.“ Die Stiefmutter hatte den Apfel aber so kunstvoll vergiftet, dass nur die schöne rote Seite giftig war und die weiße Hälfte von Gift frei war. Die Stiefmutter teilte den Apfel in zwei Hälften, aß die weiße Hälfte und sprach: „Siehst du, der Apfel ist völlig ungefährlich und außerdem sehr lecker.“ Da konnte Schneewittchen nicht widerstehen und biss in die rote Apfelhälfte. Sie wurde von dem Gift sofort bewusstlos und fiel zu Boden.

Da jubelte die böse Königin. Sogar der Spiegel bestätigte ihr, dass Schneewittchen jetzt endgültig tot sei. Schneewittchen war aber nicht tot, sondern nur dauerhaft bewusstlos. Als die sieben Zwerge nach Hause kamen, waren sie sehr traurig. Sie legten Schneewittchen in einen Sarg aus Glas, damit sie sie wenigstens immer noch betrachten konnten. Die Tiere des Waldes bewachten den Sarg. Zuerst eine Eule, dann ein Rabe und dann eine weiße Taube.

So vergingen einige Jahre. Dann kam ein Prinz auf einem weißen Pferd geritten, erblickte Schneewittchen in ihrem Glassarg und verliebte sich unsterblich in sie. Er bat die sieben Zwerge den Sarg mit in sein Schloss nehmen zu dürfen. Auf dem Weg zum Schloss stürzten die Träger über eine Baumwurzel. Der Sarg fiel zu Boden und zerbrach. Durch den Aufprall spuckte Schneewittchen den vergifteten Apfel aus und erwachte wieder zum Leben. Der Prinz war glücklich. Die beiden küssten sich und heirateten anschließend im Schloss des Prinzen.

Zur Hochzeitsfeier wurde auch die böse Königin eingeladen. Neugierig ging sie zum Fest. Ihr Spiegel hatte ihr verraten: „Ihr seid die Schönste hier. Aber die junge Königin ist noch tausend mal schöner als Ihr.“ Wer wohl diese junge Königin ist? Eine junge Königin ist natürlich normalerweise schöner als eine alte Königin. Da besteht eigentlich kein Grund zur Eifersucht. Aber wie entsetzt war die alte Königin, als sie entdeckte, dass das von ihr gehasste Schneewittchen die junge Königin war. Offensichtlich war der Prinz vor der Hochzeit noch zum König des Nachbarreiches gekrönt worden. Und Schneewittchen war in den Rang einer Königin aufgestiegen.

Der junge König kannte die Leidensgeschichte von Schneewittchen. Er wusste deshalb sofort, dass die böse Königin die eifersüchtige Stiefmutter war, die seiner Frau nach dem Leben trachtete. Es gab ein Gerichtsverfahren und die böse Königin wurde zum Tode verurteilt. Jetzt brach eine Zeit des Friedens, des Glücks und der Harmonie an. Die beiden Königreiche wurden vereinigt. Schneewittchen und ihr junger König liebten sich sehr. Sie waren glücklich bis an ihr Lebensende. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Wie ist das Märchen spirituell zu deuten? Die sieben Zwerge sind natürlich die sieben Hauptchakren eines Menschen. Schneewittchen schläft im Bett des siebten Zwerges, also im Bereich des Scheitelchakras, das für die Erleuchtung zuständig ist. Wir können Schneewittchen als eine weise Frau ansehen, die eine Chakren-Meditation praktiziert. Die Energie steigt dabei bis in den Kopf hoch und es gibt einen Bewusstseinsumschwung. Die Frau kommt zum ersten Mal in Kontakt mit dem Erleuchtungsbewusstsein. Aber sie verliert es wieder. Sie muss noch fleißig weiter üben. Sie muss ihren Leib, ihre leiblichen Bedürfnisse und ihre Gedanken kontrollieren. Dafür stehen der Gürtel und der Kamm.

Der Apfel ist ein Symbol für das kosmische Bewusstsein. Nach einiger Zeit gelangt die Frau bei der Meditation in ein Einheitsbewusstsein. Aber dieses Bewusstsein ist noch nicht stabil. Die eine Hälfte des Apfels ist noch weiß. Die Frau muss noch viele Jahre meditieren, in einem gläsernen Sarg liegen, bis es zur mystischen Hochzeit, zur dauerhaften Erleuchtung, kommt.

Die böse Stiefmutter verkörpert die schlechten Eigenschaften der Frau, insbesondere ihre Eifersucht und ihr Ego. Ein Erleuchteter kennt keine Eifersucht. Er sieht sich in allen. Er identifiziert sich mit seinen Mitmenschen. Eine erleuchtete Stiefmutter würde sich in ihrer jungen Stieftochter sehen und ihr alles Gute wünschen. Nur das unerleuchtete Bewusstsein lebt in der Trennung von seinen Mitwesen, der Welt und letztlich von sich selbst. Um innerlich ganz zu werden, muss man mit der ganzen Welt eins werden.

Während der Meditation im Glassarg, also in der vollständigen Ruhe und Abgeschiedenheit, durchlebt Schneewittchen verschiedene Phasen. Die Eule ist ein Symbol der Weisheit. Die erste Phase ist die Phase des tiefen Begreifens. Schneewittchen kennt ihren Weg der Erleuchtung und kann mit ihrer Chakrenmeditation (Kundalini-Meditation) immer wieder in den Zustand der Erleuchtung kommen.

Die Phase des schwarzen Raben ist die Phase der Nichtswerdung des Egos. Schneewittchen geht durch eine Phase der Trauer und der Egoauflösung. Um dann zu einer weißen Taube, zu einer reinen Seele zu werden. Die weiße Taube ist ein Symbol für den Heiligen Geist. Die Energie Gottes tritt in Schneewittchen ein. Sie ist von Licht erfüllt und lebt im Licht. Sie wird dadurch zum wahren Schneewittchen, zu einer weißen, weisen, heiligen Frau. Das Ego, die alte Königin, erlöscht und die wahre Königin erwacht. Schneewittchen hat sich selbst verwirklicht und zu seiner inneren Ganzheit gefunden.

Das Zentrum des Märchens ist der Spiegel. Die alte Königin vermag es in sich hinein zu schauen. Sie kann in ihr Inneres spüren. Sie hat Kontakt zu ihrer inneren Weisheit. Der Spiegel zeigt ihr den Weg zu Schneewittchen, zu ihrem höheren Selbst, zu ihrem erleuchteten Bewusstsein. Die alte Königin vermag es aber noch nicht sich mit ihrem höheren Selbst zu identifizieren. Dafür muss sie noch ausdauernd ihren spirituellen Weg gehen und an ihren negativen Eigenschaften arbeiten. Sie muss insbesondere ihre Eifersucht durch einen entgegensetzten positiven Gedanken auflösen. Welche Gedanke bei welcher negativen Eigenschaft hilft, ist individuell zu erspüren. Die Menschen sind unterschiedlich.

Um die Trennung zu überwinden, ist es hilfreich, allen Wesen Glück zu wünschen. Wir sehen alle Menschen als unsere Brüder und Schwestern an. Wir sehen in allen Wesen unsere Kinder. Wir identifizieren uns mit allen Wesen und der Natur insgesamt. So werden wir eins mit allem, überwinden unsere Eifersucht und gelangen in ein Einheitsbewusstsein.

 

Hier der lustige Film von Otto und den sieben Zwergen https://www.youtube.com/watch?v=oWraDM_J4z4 

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