Nach dem Zahnarzt

Alles ging gut. Barbara brachte mich mit dem Auto zum Kieferchirurgen. Es war eine große Klinik nahe dem Alstereinkaufszentrum. Der Warteraum war voller Männer mit schwierigen Zahnproblemen. Barbara spürte die Angst im Raum. Sie ließ mich in der ängstlichen Männergruppe zurück und flüchtete schnell ins Shopping-Paradies. Dort frönte sie ihrer Leidenschaft und vergaß schnell ihren armen kleinen Yogi, der gemeinsam mit den anderen Männern gespannt auf die Operation wartete. Zwischendurch hallte das Mikro: "Frau Soundso möchte bitte ihren Mann aus dem Aufwachraum abholen." Das förderte nicht gerade die Stimmung im Warteraum.

Ich versuchte zu meditieren, um meine Nerven zu beruhigen. Gerade als ich in der Meditation versinken wollte, rief eine junge Zahnarzthelferin: "Herr Horn bitte!" Sie führte mich in den Operationsraum, in dem sich statt eines Zahnarztstuhles eine Operationsliege befand. Ein kraftvoller, durchtrainierter Zahnarzt mittleren Alters trat in den Raum. Mein Herz schlug vor Aufregung. Aber durch die gelassene, bestimmte Ausstrahlung kam ich schnell zur Ruhe. Der Arzt sah sich die Röntgenaufnahme von meinen Zähnen an und erklärte: "Die müssen raus." Dann ging alles ruck-zuck. Mund auf, Betäubungsspritze, etwas warten und dann tauchte eine große Zange vor mir auf. Der Arzt ruckelte an meinem Zahn. Und schwupp, war der Zahn draußen. Nur der andere Zahn machte Probleme. Es war ein großer, querliegender Weisheitszahn. Zwanzig Minuten kämpfte der Arzt mit dem Zahn, dann war auch dieser Zahn draußen. Ich war erleichtetert. Leider muss noch ein Zahn auf der anderen Seite gezogen werden. Das will der Arzt in zwei Wochen tun. Ich muss also noch einmal hin. Aber das Schlimmste ist geschafft. Der dritte Zahn wird leichter zu ziehen sein.

Zuerst spürte ich nichts. Die Betäubungsspritze wirkte sieben Stunden lang. Dann kam der Schmerz. Aber auch der ging vorüber. In der Nacht schlief ich gut und am nächsten Morgen schmerzte die Wunde nur noch etwas. Allerdings hatte mich die ganze Behandlung sehr angestrengt. Ich war ziemlich erschöpft und musste mich erst mal aufbauen. Nach einem langen Waldspaziergang war meine gute Laune wieder da. Die meiste Angst hatte ich in den Tagen vor dem Termin. Mit meiner ganzen spirituellen Kunst versuchte ich meine Nerven zu beruhigen und mich positiv auf die Situation einzustellen. Ich war achtsam auf meine Gedanken. Ich meditierte viel. Ich visualisierte mich als Buddha, der gleichmütig durch alles Leid des Lebens hindurch geht. Das funktionierte nur begrenzt. Dann versuchte ich es mit der Idee eines Bodhisattvas, der für das Glück seiner Mitmenschen lebt und sich selbst nicht so wichtig nimmt. Auch das hatte nur eine begrenzte Wirkung. Abschließend probierte ich mich in das erleuchtete Sein zu versetzen. Und das erwies sich als hilfreich.

Zwar bin ich natürlich total unerleuchtet, wie meine Angst vor dem Zahnarzt beweist. Aber als ich am Morgen vor dem Zahnarzttermin aufwachte, spürte ich tatsächlich Frieden und Glück in mir. Die Konzentration auf das erleuchtete Sein hatte in der Nacht meine spirituelle Energie aktiviert und mich tatsächlich in eine höhere Bewusstseinsdimension gebracht. Das erleuchtete Sein mit seinem Gleichmut und seinem inneren Glück hielt an, bis ich in das Wartezimmer trat. Dort brachte mich die Angstenergie meiner Mitleidenden schnell wieder in die Realität. Da ich aber weiterhin sehr achtsam auf meine Gedanken war und jeden Angstgedanken vermied, konnte ich meinen Geist stabil halten. Ich dachte das Mantra: "Gleich ist es vorbei." Und tatsächlich half mir dieses Mantra durch die Situation. Ich konzentrierte mich einfach auf die Zukunft nach dem Zähneziehen. Also nichts mit "Hier und Jetzt", sondern "in der Zukunft liegt das Glück". Man muss weise mit den spirituellen Theorien umgehen.

Meine Haupttechnik war es zu meinen erleuchteten Meistern zu beten. Ich glaube, dass sie mich gut durch die Situation geführt haben. Sie haben mich mit ihrer Energie gestärkt. In der Nacht vor dem Zahnarzttermin spürte ich, wie sich ein Energiekanal in meinem Unterbauch öffnete. Plötzlich floss eine Kraftenergie in mich hinein, die mich dann durch die ganze Situation trug. Allerdings musste ich trotzdem noch sehr achtsam auf meine Gedanken sein, damit ich mich im inneren Gleichgewicht halten konnte. Ich bin leider sehr sensibel und empfindlich gegen negativen Gedanken und fremde Energien. So waren die Angstenergien beim Zahnarzt durchaus eine Herausforderung für mich.

Dankbar bin ich natürlich auch Barbara. Sie hat sich liebevoll um mich gekümmert. Wir haben während der ganzen Zeit viel gelacht. Man kann mit großen Herausforderung auch humorvoll umgehen. Und da ist Barbara eine Meisterin.

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