Mit der Ukulele im Altersheim

Es regnete. Ich war ziemlich nass, als ich das Altersheim betrat. Meine Mutter lag in ihrem Bett und war wach. Sie erkannte mich nicht mehr. Sie lag einfach nur regungslos da. Immerhin hatte sie keine Schmerzen mehr, wie mir die Altenpflegerin berichtete. Sie war auch nicht mehr wundgelegen. Insofern hatte die Operation des Hüftgelenkes etwas gebracht. Andererseits war sie dadurch in einen Dämmerzustand gekommen, aus dem sie nicht mehr aufwachte.

Ich fasste ihre Hand und begrüßte sie. Das registriere sie kaum. Ich spürte in sie hinein und erkannte, dass ihr Energiezustand gut war. Ich hielt weiter ihre Hand und blieb so in Kontakt mit ihrem Energiesystem. Ich betete zu meinen Meistern und dachte einige Male ein Mantra. So reinigte ich ihren Körper und ihren Geist. Dann griff ich meine Ukulele und sang ihr einige Kinderlieder vor. Plötzlich erfasste meine Mutter eine große Trauer. Sie erinnerte sich, dass ihr das Singen früher sehr viel Freude bereitet hatte. Ihr wurde bewusst, dass jetzt schwer dement in einem Dämmerzustand lag. Irgendwie beruhigte sie die Trauer, löste eine innere Anspannung, und sie schlief ein.

Ich ging ins Altersheim Cafe zum Kuchenessen. Dort traf ich meine alte Freundin Frau Trotzki. Sie freute sich riesig. Sie hatte mich letztes Mal in ihr Herz geschlossen und geistig adoptiert. Ich erzählte ihr, dass ich ein Buch mit Altersheimgeschichten schreibe. Zu Weihnachten wird es fertig sein. Dann schenke ich ihr ein Exemplar. Ich berichtete, dass das Buch auch von ihr handelt. Das machte sie glücklich. Sie wird jetzt endlich auch berühmt und irgendwie unsterblich. Da sie aus einer Akademikerfamilie stammt, ist Ruhm für sie wichtig. Sie bat mich, sie namentlich zu erwähnen und nannte mir ihren Namen: "Frau Irmi-Marie Trotzki". Jetzt wisst ihr alle Bescheid.

Es gibt auch nur Positives von ihr berichten. Sie ist 86 Jahre alt, intelligent, lustig und noch einigermaßen rüstig. Sie liest gerne. Sie ist die einzige Benutzerin der Altersheim-Bibliothek. Bücher sind für sie wichtig und ihr Lebensinhalt. Insofern ist es schön, dass sie jetzt auch in einem Buch vorkommt. Bei den Spielen im Altersheim gewinnt sie immer. Und sie singt gerne.

Wir setzten uns diesmal wieder auf den früheren Platz vor dem Vogelkäfig im Gang. Die strenge Oberaltenplegerin habe ich nie wieder gesehen. Und mit den anderen Altenpflegerinnen habe ich vereinbart, dass ich woanders hingehe, wenn sie im Glasraum am Computer arbeiten müssen. Aber heute arbeitete dort niemand. Und so sang ich mit Irmi-Marie fröhlich Kinderlieder. Nach und nach kamen viele andere Senioren hinzu. Und so waren wir nach einiger Zeit ein richtig großer Chor.

Es war den Alten egal, dass ich jetzt eine Ukule statt eines Harmoniums spiele. Hauptsache es gibt ein Musikinstrument. Die Abwechslung fanden sie sogar schön und interessierten sich jetzt für die Ukulele.

Die Ukulele ist ein gitarrenähnliches Zupfinstrument. Die Portugiesen brachten sie nach Hawai, wo sie den Namen Ukulele (hüpfender Floh) bekam. Von Hawai aus verbreitete sie sich nach Amerika und Europa. Bekannt wurde sie durch den Film "Manche mögen's heiß" mit Marilyn Monroe. Und jetzt durch den heißen Nils, jedenfalls bei seinen Fans in der Fußgängerzone des Altersheims.

Nach einer Stunde hatte ich mein Repertoire erschöpft. Nächstes Mal werde ich noch einige zusätzliche Lieder üben. Ich ging zurück zu meiner Mutter, die inzwischen wieder wach war. Diesmal wollte ich mich auch um die Bettnachbarin meiner Mutter kümmern. Sie war damit einverstanden, dass ich für meine Mutter singe. Sie hört gerne dabei zu. So zupfte ich für meine Mutter noch einige Kinderlieder. Diesmal schien sie die Lieder zu genießen.

Relativ schnell verabschiedete ich mich und radelte wieder nach Hause. Meine Mutter in ihrem bettlägerigen halbtoten Zustand zu sehen, hatte mich sehr mitgenommen. Ich brauchte Zeit, um mich wieder zu erholen. Andererseits habe ich mich diesmal auf die Situation eingestellt und eine gewisse Distanz zum Geschehen aufgebaut. So konnte ich innerlich relativ gelassen bleiben. Ich finde meinen Weg auch mit einer Sterbesituation positiv umzugehen.

https://www.youtube.com/watch?v=p75JcBvC2pw

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