Meine erste Familienaufstellung

Familienaufstellung ist Barbaras große Leidenschaft. Sie macht sogar eine Ausbildung zur Familienaufstellerin. Leider hat sie mich von ihrer Begeisterung noch nicht so wirklich angesteckt. Deshalb bat sie mich zu einer Probestunde bei einer Freundin von ihr mit in die Hamburger Innenstadt zu kommen.

Natürlich führte das Navi unser Auto wie gewohnt kreuz und quer durch Hamburg. Ich hätte als eingeborener Hamburger sie schneller zum Ziel führen können. Aber wer hört schon auf mich. Immerhin erreichten wir unser Ziel, ein Yogazentrum in einem Hinterhof. Ein großer heller Raum mit vielen Yogakissen, die kreisförmig angeordnet waren.

Zehn Frauen und ein Mann. Der Mann war ich. Und es war so schrecklich wie ich erwartet hatte. Irgendwie ging es um Gefühle. Ein Horror für jeden echten Mann. Eine Frau hatte ein Problem, besprach es kurz mit der Leiterin und stellte dann mehrere Frauen an bestimmten Punkten in den Raum. Sie sollten rollenspielartig die am Problem beteiligten Personen darstellen.

Und dann redeten die Frauen über Gefühle. Ich verstand fast nichts. Warum hatte wer jetzt welche Gefühle und warum fing eine Frau an zu weinen? Und warum betrachteten die anderen Frauen diese Frau liebevoll und fühlten sich mit ihr verbunden? Das Ganze dauerte eine Stunde, dann gab es eine kurze Pause, damit die Frauen auf Klo gehen konnten.

Vier Stunden sollte die Familienaufstellung dauern. Ich fragte mich, was ich mit der Zeit anfangen sollte und wollte mich gerade in eine tiefe Meditation begeben. Da kam die nächste Frau mit ihrem Problem dran. Und das Problem war ein Großes. Viele Jahrzehnte hatte die Frau mit ihrem Mann zusammen auf einem Bauernhof gelebt. Sie hatten mehrere Kinder, die jetzt groß waren und den Hof verlassen hatten. Und der Mann wollte jetzt auch ausziehen.

Warum wurde nicht gesagt. Es ging hier nicht darum Probleme zu lösen, sondern Gefühle auszudrücken. Ich vermute, dass die Frau sich zu sehr mit ihrer Rolle als Mutter identifiziert und ihrem Mann zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Erst war die Liebe gestorben und dann die Sexualität. Jetzt hatte der Mann sich eine andere Frau gesucht und unsere Frau war plötzlich ganz allein und ohne Lebenssinn. Sogar der Bauernhof sollte verkauft werden, weil der Mann sich auszahlen lassen wollte. Die Frau war völlig verzweifelt und weinte viel.

Für die Rolle des bösen Mannes wurde jemand gesucht. Zwanzig Frauenaugen blickten auf mich. Mir tat die Frau sehr leid. Und aus Mitgefühl ließ ich mich dann in die Mitte zerren. So ganz wohl fühlte ich mich in der Rolle des Bösen nicht. Aber im Leben gibt es die Guten und die Bösen. Und die Bösen waren immer die Männer. Und ich war hier der einzige Mann. Ich kam mir vor wie in einem Feministinnencamp, wo alle Frauen ihren Männerhass gegen ein hilfloses männliches Opfer ausleben durften. Ich sah mich schon gefesselt und brutal mit Kissen beworfen.

Aber es wurde dann doch nicht so schlimm wie erwartet. Die Teilnehmerinnen waren überwiegend Yogafrauen. Und Yogafrauen hassen keine Männer. Sie lieben sie eher und leiden darunter. Die Frau, die die verlassene Bäuerin darstellte, identifiziere sich zuerst mit dem Drama. Aber sie zeigte auch ihre Zerrissenheit. Sie liebte ihren Mann immer noch. Er war der Halt und der tiefere Sinn in ihrem Leben.

Ich wurde gefragt, wie es mir in meiner Rolle ging. Ich erklärte, dass ich mich wie ein Fels in der Brandung fühlte. Aber ich müsse einfach meinen Weg der Wahrheit gehen, obwohl ich auch Mitgefühl mit meiner Exehefrau hatte. Mir kam die Situation sehr bekannt vor, weil ich vor 30 Jahren etwas Ähnliches durchlebt und durchlitten hatte.

Um die Situation zu entlasten, wurde jetzt eine Frau für die Rolle der göttlichen Mutter aufgestellt. Die Aufgabe der göttlichen Mutter war es beide Partner zu lieben und den tieferen Sinn des Lebens darzustellen. Sie wurde hinter uns gestellt und berührte uns beide mit ihren Händen.

Und die göttliche Mutter verliebte sich spontan in mich. Das war im Spielplan nicht vorgesehen. Sie warf mir ständig verliebte Blicke zu. Ich war verunsichert und wusste nicht wie ich darauf reagieren sollte. Erst sah ich verlegen weg, was die göttliche Mutter wohl noch mehr reizte. Dann blickte ich manchmal zurück und manchmal nicht. Ich versuchte mich nicht in das Spiel hineinziehen zu lassen.

Ich hoffte, dass meine Freundin nichts davon merken würde. Aber sie merkte es natürlich sofort. Sie ließ sich nichts anmerken. Und obwohl sie sehr zur Eifersucht neigt, war sie auch später erstaunlich locker. Vielleicht hatte sie gemerkt, dass ich mich sehr zurück gehalten hatte. Außerdem hatte sie mir vor dem Abend zwar verboten, den Frauen auf den Busen zu blicken. Von einem Blick in die Augen war nicht die Rede gewesen. Letztlich hatte sich die Situation auch dadurch entspannt, dass die göttliche Mutter sich nach dem Rollenspiel wieder in die Neutralität zurückgezogen hatte. Das hatte meine Freundin vermutlich auch gesehen und es hatte sie beruhigt.

Jedenfalls gingen wir danach zum Griechen essen und hatten einen schönen Abschluss. Barbara war froh, dass ich einmal zur Familienaufstellung mitgekommen war und ich war glücklich, dass ich irgendwie den Sinn der Familienaufstellung begriffen hatte. Als Teilnehmer an dem Rollenspiel war ich in die Energien der Gruppe eingebunden und konnte so die starke energetische Wirkung der Familienaufstellung spüren. Mein Weg geht zwar anders, aber für viele Frauen ist die Familienaufstellung sicher ein guter Weg, insbesondere als Ergänzung zum Yoga.

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Kommentare

  • Hallo und danke für das Teilen deiner Erlebnisse.
    Ich habe mal eine Familienaufstellung mit gemacht.
    Es war magisch. Da sind wirklich unsichtbare starke Kräfte am Werk.
    Ist meine Erfahrung.

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