Mein Leben als Yogi

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Mitte 1988 zog ich in mein kleines Haus im Wald. Ich gab meinen Beruf als Rechtsanwalt auf und begann eine Ausbildung zum Yogalehrer und Psychotherapeuten. Zunächst arbeitete ich zwei Jahre als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Hamburg. Dort erhielt ich einen Forschungsauftrag, der es mir ermöglichte, zwei Jahre lang durch Deutschland zu reisen und die alten Universitätsstädte zu besuchen. Meine Aufgabe war es herauszufinden, was an den juristischen Fakultäten zur Zeit des Nationalsozialismus geschehen war. Diese spannende und gut bezahlte Tätigkeit erlaubte es mir, viel Geld zu sparen, es klug in Aktien anzulegen und damit die finanzielle Basis für mein Leben als Yogi zu schaffen.

Ab 1990 arbeitete ich dann als Yogalehrer an der Volkshochschule. Jeden Freitagabend leitete ich eine Gruppe zum Thema positives Denken in einem Gesundheitszentrum, und am Wochenende gab es oft Yogaworkshops. Das genügte für ein bescheidenes Leben als Yogi. In den ersten drei Jahren überlegte ich intensiv, wie ich meinen spirituellen Weg am besten praktizieren könnte. Ich probierte viele Übungen aus und fand schließlich meinen persönlichen spirituellen Pfad, der im Kern aus Meditation, gehen, lesen und für eine glückliche Welt arbeiten im ständigen Wechsel bestand. Dazu gab es Phasen der Entspannung und des Lebensgenusses. Wichtig war auch die ständige Achtsamkeit auf meine Gedanken. Ich versuchte negative Gedanken zu vermeiden und positive spirituelle Gedanken zu pflegen.

Ich meditierte jeden Tag acht Stunden, machte eine Stunde Yoga, ging zwei Stunden spazieren, arbeitete vier Stunden am Computer und verbrachte die restlichen Stunden mit schlafen, essen oder fernsehen. Dieser intensive spirituelle Tagesplan führte dazu, dass ich nach vier Jahren oft zur Erleuchtung durchbrach; eine starke spirituelle Energie entfaltete sich in mir und ich erlebte tiefe Zustände der Glückseligkeit. Allerdings folgten diesen Glücksmomenten oft auch depressive Phasen – die man die dunkle Nacht der Seele nennt.

Ab 1993 reduzierte ich meine spirituellen Übungen etwas und gönnte mir mehr Erholungsphasen. Dadurch wurden die depressiven Phasen kürzer und weniger intensiv. Ab Dezember 1995 trat ich in eine schwierige spirituelle Reinigungsphase ein, die sieben Jahre andauerte. Ich hatte starke Energieprozesse und konnte nachts oft nicht schlafen. Zum Glück stieß ich Mitte 1995 durch ein Buch auf meinen Meister Sai Baba, der mich geistig durch diese herausfordernde Zeit führte.

Im März 2003 endete diese Phase; einen Monat lang zogen permanent starke Energien durch meinen Körper – es fühlte sich an, als hätte ich meine Hand in eine Steckdose gesteckt. Ich konnte kaum schlafen. Danach ging es zehn Jahre lang langsam und ruhig voran. Bis 2008 arbeitete ich weiterhin als Yogalehrer und widmete mich danach vorwiegend dem Schreiben; insgesamt verfasste ich etwa 40 Bücher zu spirituellen Themen.

Ich entdeckte das Internet für mich, gründete dort mehrere spirituelle Gruppen und fand einige spirituelle Freunde – das war wichtig für mein Wohlbefinden, denn ich lebte bewusst ohne eine Beziehung, um meine Anhaftung an Beziehungen aufzulösen; das stellte sich als sehr gute Idee heraus. Im Laufe der Jahre zogen alle meine vergangenen Beziehungen noch einmal durch meinen Geist; so konnte ich sie verarbeiten und loslassen. Am Ende blieb nur noch die Idee zurück, dass man zum Glück eine gute Beziehung braucht – diese Vorstellung konnte ich jedoch nie wirklich loslassen. Ich mochte es nicht allein zu sein; als einsamer Yogi fühlte ich mich oft traurig. Deshalb hielt ich nach einigen Jahren wieder Ausschau nach einer Beziehung.

9.1 Meine spirituellen Erfahrungen

Kaum hatte ich ernsthaft begonnen, meinen spirituellen Weg zu gehen, ging es Schlag auf Schlag. Ich fühlte mich, als würde ich von einem höheren Bewusstsein geführt. Ich glaube, dass meine Meister mich von da an wahrgenommen haben. Im Februar 1983 traf ich auf Epikur, und im April stand das mündliche Examen meiner zweiten juristischen Staatsprüfung an. Die schriftlichen Arbeiten hatte ich alle gut bewältigt, doch kurz vor dem mündlichen Examen überkam mich eine große Versagensangst. Der alte Leistungsdruck durch meine Mutter brach wieder hervor, und ich konnte mich gegen die Stressgedanken nicht wehren.

Innerhalb von zwei Wochen verspannte ich mich immer mehr, litt an starken Schlafstörungen und fiel nach der erfolgreichen Prüfung in eine schwere Depression. Bis zum Examen hatte ich mich noch irgendwie über Wasser gehalten, aber danach ging ich geistig unter. Ein halbes Jahr lang überlegte ich verzweifelt, wie ich mich von der Depression befreien konnte. Ich las viele psychologische Bücher und erkannte schließlich, dass ich hart an meinen negativen Gedanken arbeiten musste. Insbesondere musste ich lernen, das Leid anzunehmen, wenn es in mein Leben trat.

Jeden Tag richtete ich meinen Geist immer wieder positiv aus; es war eine Zeit der intensivsten inneren Arbeit. Nach einem halben Jahr hatte ich das Gefühl, dass sich mein Ich auflöste – es war wie die Trennung von einer guten Beziehung. Ich dachte: „Da geht er hin, der alte Nils.“ Da ich meine Depression überwinden wollte, ging ich durch alle Verlustängste hindurch. Dieser Zustand dauerte eine Woche. Dann löste sich mein Ego auf und am Morgen erwachte ich im Zustand der Erleuchtung.

In mir waren Frieden und Egolosigkeit; es gab keinen Nils mehr – ich war einfach nur Bewusstsein. Ich war alles und identifizierte mich nicht mehr mit meinem Körper. Deshalb störte es mich auch nicht mehr, was mit meinem Körper geschah. Ich sah ihn als eine fremde Person, die ich zwar mochte und für die ich sorgte, die mir aber letztlich egal war. So verschwanden alle Ängste.

Da ich wusste, wie schrecklich Depressionen sind, verspürte ich nun das Bedürfnis, allen leidenden Menschen zu helfen. Mit der Erleuchtung entstand auch ein großes Mitgefühl in mir. Ich bemerkte, dass mein Bewusstsein relativ unabhängig von meinem Körper war; ich musste aufpassen, dass es nicht meinen Körper verließ – denn dann hätte ich ihn und mein Leben nicht mehr steuern können.

Ich erkannte das Ego als eine geistige Fehleinstellung, die durch Anhaftung an Genüsse und durch die Ablehnung von Leid entsteht. Wenn man an nichts haftet, löst sich das Ego auf. Bei meinem Erwachen hatte ich ein kosmisches Bewusstsein; ich war eins mit dem Kosmos und dachte von der Ganzheit her. Doch mir fehlte noch die tiefe Glückseligkeit, die typisch für die Erleuchtung ist – im Yoga spricht man vom Sat-Chid-Ananda: Sein, Einheitsbewusstsein und Glückseligkeit.

Mein Erwachen hielt zwei Wochen an; dann bekam ich wieder ein Ego zurück – aber ich war ein neuer Mensch geworden! Ich dachte positiv und hatte keine Depressionen mehr. Ab jetzt meditierte ich jeden Tag drei Stunden lang.

Zwei Jahre später kam es zur wirklichen Erleuchtung: Während einer Meditation im Liegen stieg aus meinem Becken langsam eine dicke Energiesäule durch meinen Körper bis zu meinem Kopf hinauf. Diese Energiesäule durchstieß die Chakrenknoten, aktivierte alle Chakren und erreichte die Mitte meines Kopfes – dort lag die Zirbeldrüse. Es gab einen Bewusstseinsumschwung und für längere Zeit ruhte ich in absoluter Glückseligkeit.

Kurz nach dieser Erleuchtungserfahrung stieg die Kundalini-Energie ein zweites Mal in meinem Körper auf; sie durchstieß das Scheitelchakra und floss in den Himmel hinein. Sie erfüllte den ganzen Kosmos und floss dann an der Außenseite meines Körpers wieder herunter und in mich hinein. Diese Energie verband mich mit dem gesamten Kosmos. Der Weg zur Erleuchtung ist nach einer solchen Erfahrung unumkehrbar; das bedeutet jedoch nicht, dass man jetzt dauerhaft erleuchtet ist – vor mir lag noch ein langer Weg der inneren Reinigung mit vielen spirituellen Krisen.

Einige Zeit später erlebte ich eine dritte Erfahrung: Während einer Yogaübung im Stehen kam plötzlich vom Himmel eine starke Energie zu mir herab; sie floss durch mein Scheitelchakra in mich hinein und erfüllte mich mit Licht und Glückseligkeit. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, vom Heiligen Geist gesegnet worden zu sein. Auf meinem Kopf bildete sich eine Energieflamme – wie sie manchmal auf Buddha-Bildern dargestellt wird.

Auf meinem spirituellen Weg erlebte ich noch viele Wunder, und eines der wichtigsten war die Entfaltung meines Energiegespürs. Ich praktizierte ein halbes Jahr lang jeden Tag eine halbe Stunde Runen-Yoga. Dieser Yogaweg ist sehr einfach und basiert auf den germanischen Runenzeichen. Aus spiritueller Sicht sind die Runen Energiesymbole. Wenn ich die Rune mit einer Körperstellung nachbildete, wurden bestimmte Energien in meinem Körper aktiviert, Chakren öffneten sich und die Energie begann in meinen Energiekanälen zu fließen.

Der Effekt wurde noch verstärkt, wenn ich die Rune in mir visualisierte, dazu ein Mantra dachte und Atemübungen wie Feueratmung machte. Ich vergrößerte den Effekt zusätzlich, indem ich schöne Musik anschaltete und dabei leicht in den Knien wippte. Dadurch lösten sich meine inneren Verspannungen noch besser und die Energie konnte sich freier entfalten. Ich entwickelte eine Reihe von verschiedenen Runen-Stellungen, die sich gegenseitig ergänzten. Nach einem halben Jahr erlebte ich plötzlich einen großen spirituellen Durchbruch: Eine tiefe Verspannungsschicht hatte sich gelöst und die Energie begann dauerhaft in mir zu fließen. Ich lebte in einem Feld aus spiritueller Energie.

Spirituelle Energie ist eine Form des Bewusstseins; ich konnte sie durch Gedanken lenken. Wenn sie sich vergrößerte, gelangte ich in ein Einheitsbewusstsein – ins erleuchtete Sein. Mit dieser Energie konnte ich meine Mitmenschen über jede Entfernung spüren, mit ihnen geistig kommunizieren, in die Vergangenheit blicken und ins Jenseits reisen.

Der erste große Vorteil für mich war, dass ich nun mit innerem Gespür meine spirituellen Übungen praktizieren konnte. Ich spürte genau, was jeweils effektiv war und konnte meine Übungen so gestalten, dass ich schnell in eine höhere Bewusstseinsstufe kam. Zuerst praktizierte ich körperliche Yoga-Übungen und später vorwiegend den Gottheiten-Yoga, die Identifizierung mit spirituellen Vorbildern. Wichtige Hilfsmittel waren Atemübungen, Mantren sowie Meditation und das positive Denken.

Ein weiterer Effekt war, dass ich nun auch die Energien meiner Mitmenschen spüren konnte; dadurch war es mir möglich, als spiritueller Lehrer zu arbeiten. Ich spürte die Energien in meinen Gruppen und bei den Teilnehmern; durch meine Anweisungen konnte ich diese Energien lenken und so die Menschen sehr schnell zur Entspannung, Heilung und ins Glück bringen.

Ich sah mich nicht als Heiler an; dennoch geschah es manchmal, dass Menschen in meiner Gegenwart heilten – einfach indem sie in mein Energiefeld kamen. Eine Frau hatte eine schwere Operation vor sich; sie verspürte den Impuls, mich in meiner Yogihütte zu besuchen. Wir unterhielten uns eine Stunde lang und dann ging sie wieder. Ich spürte sofort, wie viel schlechte Energie sie auf mich übertragen hatte; daraufhin rannte ich eine Stunde durch den Wald, um diese Energie wieder loszuwerden – man könnte es auch als Karma-Übertragung betrachten. Manchmal übernehmen erleuchtete Meister schlechtes Karma von ihren Schülern, heilen es in sich selbst und helfen damit ihren Schülern auf ihrem spirituellen Weg weiterzukommen. Diese Frau hatte eine erfolgreiche Operation.

Ich konnte auch gut Erleuchtungsenergien übernehmen: Wenn ich einen erleuchteten Meister besuchte, übertrugen sich oft starke Energien auf mich; sie öffneten bestimmte Chakren und brachten mich manchmal sogar in eine Erleuchtungsdimension. Das erste Mal geschah dies bei dem amerikanischen Heiler Keith Sherwood: Nach einem kurzen Treffen mit ihm überfluteten mich plötzlich stundenlang starke Erleuchtungsenergien.

Bei einem Konzert von Krishna Das war die Energie so intensiv, dass mein Körper automatisch bestimmte Yogastellungen einnahm; während eines Satsangs von ShantiMayi fühlte ich zuerst große Traurigkeit – dann entstand ein innerer Frieden gefolgt von großem Glück. Bei einem Vortrag des Dalai Lama war ich danach drei Tage lang im Glücksrausch: Der Dalai Lama öffnete bei mir spürbar zuerst das Herzchakra und dann das Scheitelchakra; danach erschien er mir viele Jahre lang in Träumen und führte mich auf meinem spirituellen Weg.

Überhaupt erschienen mir viele erleuchteten Meister in Träumen: Sie übertrugen mir spirituelle Energien und gaben mir wichtige Einweihungen. Ich erhielt Informationen, die mir vorher nicht zugänglich waren; dadurch lernte ich auch die Echtheit dieser Träume zu erkennen. Sai Baba warnte mich sogar einmal davor, dass eine schwierige Zeit für mich kommen würde – er versprach mir seine Hilfe an.

Tatsächlich trat vier Wochen später eine herausfordernde Reinigungsphase ein, die ich dank Sai Babas Unterstützung gut überstand. Ich besuchte ein Retreat des taoistischen Meisters Mantak Chia: Dort öffnete Mantak Chia die Augenchakren aller Teilnehmer indem er Lichtblitze aus seinen Augen sandte – das war ein großes Abenteuer! Die Teilnehmer unterhielten sich danach lange darüber. Plötzlich konnte ich mit meinen Augen auch Energien über große Distanzen wahrnehmen: Bei Mantak Chia sah ich eine Aura so groß wie die von Jesus auf den Jesusbildern!

Ein großes Wunder war es für mich während der Meditation meine früheren Leben sehen zu können – dies stärkte meinen Glauben an ein Leben nach dem Tod sowie an die Möglichkeit der Reinkarnation erheblich! Wenn es frühere Leben gab, dann würde es auch spätere geben – letztlich erhielten alle Menschen irgendwann die Chance auf Erleuchtung.

Einmal gelangte ich mit meinem Bewusstsein ins höchste Paradies im Jenseits. Dort erlebte ich unermessliches Glück, tiefen Frieden, grenzenlose Liebe und die absolute Wahrheit. Ich befand mich in einer Ebene der Allwissenheit, wo jede Frage beantwortet werden kann. Doch ich hatte nur eine Frage: „Warum bin ich so ein Mickerling?“ Meine Mutter hatte mir oft das Gefühl gegeben, dass ich ihren Leistungserwartungen nicht genüge und dass sie mich deshalb nicht lieben kann.

Die Antwort, die ich erhielt, veränderte mein Leben: Ich bin genauso richtig, wie ich bin. Kleinheit ist keine Schwäche, sondern eine besondere Chance. Gerade weil ich so viele Herausforderungen und Probleme erlebt habe, kann ich anderen Menschen in ihren Schwierigkeiten gut helfen. Seit dieser Erkenntnis nehme ich meine „Mickrigkeit“ bewusst an, nenne mich selbst „den kleinen Yogi“ und lebe in Harmonie mit mir selbst.

In dieser Erfahrung wurde mir klar, dass das Paradies das Ziel aller Seelen ist. Jede Seele inkarniert sich immer wieder, bis sie dauerhaft im höchsten Paradies verweilen kann. Ich erkannte, dass es in allen Religionen letztlich um dieses Ziel geht, auch wenn sie unterschiedliche Begriffe und Wege dafür verwenden. Christen sprechen vom Sitzen bei Gott oder dem Einswerden mit Gott. Hindus nennen es Moksha, die Befreiung. Buddhisten reden vom Parinirvana. Religionskriege sind völlig sinnlos. Alle Religionen sollten den Weg der Liebe gehen und sich gegenseitig auf ihrem spirituellen Weg unterstützen.

9.2 Mein erster Yogakurs

Anfang 1991 saß ich in der Hamburger Volkshochschule vor meiner ersten Yogagruppe. Zwölf fremde Menschen blickten mich neugierig an. So sah also ihr Yogalehrer aus. Was ich wohl jetzt tun würde? Das wusste ich leider auch nicht genau. Aber ich war voller Optimismus – irgendetwas würde mir schon einfallen. Ich muss dazu sagen, dass ich damals weder eine Yogalehrer-Ausbildung noch irgendwelche Erfahrungen mit Yogagruppen hatte. Grundsätzlich sollte man erst eine Ausbildung machen, bevor man eine Yogagruppe leitet. Doch hier war eine besondere Situation, die eine Ausnahme von der Regel erforderte. Immerhin hatte ich bereits vier Jahre tägliche Yogapraxis hinter mir. Ich kannte viele Yogabücher und besaß ein gutes Gespür für innere Energien. Ich konnte spüren, welche Übungen spirituell wirkten und welche nicht.

Als erstes machte ich eine Vorstellungsrunde. Jeder Teilnehmer erzählte, was er persönlich von dem Yogakurs erwartete. Die meisten Gruppenmitglieder wollten etwas Entspannung, etwas Gymnastik und etwas Gesundheitstraining. Sie wollten ihren Stress abbauen und gute Energie erhalten. Einige Teilnehmer waren völlig ohne Erwartungen; sie wollten einfach nur einmal Yoga kennenlernen.

Nach der Vorstellungsrunde schaltete ich eine schöne Musik an und ließ alle Menschen zehn Minuten lang auf ihre Art ihren Stress austanzen. Daraus entwickelte sich später die Schüttelmeditation, bei der ich die Schüttelbewegung mit Gymnastikübungen (Schulterkreisen, Wirbelsäulendrehen, Selbstmassage) verband. Nach dem freien Tanzen legten sich alle auf ihre Yogamatten und entspannten sich.

Dann zeigte ich ihnen einfache Yogaübungen in der Rückenlage, der Bauchlage und im Sitzen. Grundsätzlich werden in einer Yogastunde immer alle Körperbereiche trainiert, sodass nach der Stunde ein rundherum gutes Körpergefühl entsteht. Nach den dynamischen Yogaübungen meditierten wir zehn Minuten im Sitzen und fünfzehn Minuten im Liegen. Ich brachte meinen Teilnehmern alle wichtigen Meditationen des Yoga bei.

Nach der Yogastunde fragte ich die Teilnehmer, was sie gut und was sie schlecht fanden. Entsprechend ihren Wünschen und Anregungen veränderte ich die Yogaübungen und passte sie den Bedürfnissen der Menschen an. So entwickelte ich meinen speziellen Yogastil, den ich intuitiven Hatha-Yoga nannte. Der Schwerpunkt des Übens lag auf dem inneren Gespür; jeder Teilnehmer durfte selbst herausfinden, was für ihn hilfreich war und was ihm gut tat.

Ich sagte die Übungen an, machte sie vor und dann durfte jeder kreativ seinen eigenen Weg des effektiven Übens finden. Später fand ich für meinen Yogastil das Wort Glücks-Yoga – einen Yoga, der glücklich macht! Nach einer Yoga-Stunde aus dynamischen Übungen, positivem Denken, Meditation und Entspannung waren alle Teilnehmer entspannt und glücklich.

Ich war als Yogalehrer so erfolgreich, dass ein regelrechter Ansturm auf meine Gruppen einsetzte! Nach und nach bekam ich immer mehr Yogagruppen, bis ich fast jeden Tag in der Woche ein bis zwei Gruppen hatte. Am Wochenende veranstaltete ich regelmäßig ein Wochenendseminar.

Trotz all dieser Erfolge hatte ich irgendwie ein ungutes Gefühl dabei, keine Ausbildung als Yogalehrer und kein Zertifikat zu haben. Es nagte an mir – doch gleichzeitig wusste ich tief in meinem Inneren, dass meine Leidenschaft für Yoga und mein Gespür für die Bedürfnisse meiner Teilnehmer mir halfen, einen wertvollen Raum für ihre Entwicklung zu schaffen.

9.3 Die Yogalehrer-Ausbildung

Im Herbst des Jahres 1991 entschloss ich mich, einige Tage bei meiner Stiefschwester Inge in Berlin zu verbringen. Während meines Aufenthalts entdeckte ich einen Sivananda Yoga Kurs, der in einem nahegelegenen Stadtteilzentrum stattfand. Neugierig und stets auf der Suche nach neuen Erfahrungen, beschloss ich, an einer Probestunde teilzunehmen.

In dieser Stunde erlebte ich etwas Ungewöhnliches. Eine energetische Welle durchströmte mich – eine Energie, die weder von der Gruppe noch vom Yogalehrer ausging. Ich spürte, dass die Energie von Swami Sivananda, dem Gründer des Sivananda Yoga, mich berührte. Ich kontaktierte die Hauptzentrale in München und erhielt Informationsmaterial über eine bevorstehende Yogalehrer-Ausbildung. Die Idee, diese Ausbildung in Kanada zu absolvieren, faszinierte mich sofort. Ohne zu zögern meldete ich mich für die Ausbildung im Sommer 1992 im Hauptashram in Kanada an.

Im Juli 1992 machte ich mich auf den Weg nach Montreal. Am Flughafen wurde ich abgeholt und gemeinsam mit anderen zukünftigen Yogalehrern zum Ashram gebracht. Dort errichtete ich mein Zelt an einem kleinen Teich im Wald und bereitete mich auf die bevorstehenden vier Wochen intensiver Ausbildung vor.

Der Alltag im Ashram war geprägt von Disziplin und Hingabe. Schon um 5:30 Uhr morgens begann der Tag mit einem Gong, der alle Teilnehmer weckte. Der Tag war vollgepackt mit Mantra-Singen, Vorträgen, Yoga-Übungen und Meditationen, die bis spät in den Abend andauerten. Etwa 150 Menschen aus der ganzen Welt durchliefen ein anspruchsvolles Programm.

Die Hauptausbilderin der deutschen Gruppe war Swami Durgananda – eine charismatische Frau mit eiserner Disziplin. Ihre strenge Art stieß nicht immer auf Begeisterung, insbesondere bei den westlichen Yogis, die oft einen Hang zur Antiautorität hatten. Hier kam ich ins Spiel: Meine positiven Bemerkungen und Interventionen halfen dabei, die aufkeimenden Spannungen zu lösen und die Atmosphäre in der Gruppe aufrechtzuerhalten.

Doch ich war keineswegs ein vorbildlicher Schüler im traditionellen Sinne. Ich liebte es, Durganandas strengen Stil mit meiner eigenen undogmatischen Herangehensweise zu kontrastieren. Oft machte ich die Übungen anders als von Durgananda angesagt; ich probierte aus, was mir persönlich gut tat. Manchmal bemerkte es Durgananda und manchmal nicht – ich versuchte sie nicht zu sehr zu reizen und gleichzeitig doch meiner eigenen Linie treu zu bleiben. Durch diese Strategie brachte mir die Ausbildung viel Spaß.

Das Essen im Ashram war hervorragend! Es wurde von den Teilnehmern selbst zubereitet; jeden Tag gab es zweimal ein großes Büfett, an dem sich jeder sein persönliches Menü zusammenstellen konnte. Morgens erhielten wir Obst, Brot oder Müsli und abends um 18 Uhr fand das große gemeinsame Hauptessen statt – rein vegetarisch! Das gefiel mir sehr gut; seit meinem Beginn im Yoga hatte ich das Fleischessen konsequent abgewöhnt. Stattdessen gab es leckere indische Reisgerichte, viel Salat und als Nachtisch köstliche Süßspeisen.

Ich war seit meiner Kindheit ein Fan von Süßigkeiten und in Kanada war ich derjenige, der sich am häufigsten Nachschlag holte! Einmal schmeckte mir der Nachtisch besonders gut; ich stellte mich so oft in der Schlange beim Essentisch an, dass ich schließlich die ganze Schüssel zum Auskratzen bekam! Ich ließ mich vier Wochen lang richtig verwöhnen und vermisste dann zuhause die Yoga-Frauen, die so gut kochen konnten.

Jeder Teilnehmer hatte während der Zeit im Ashram Aufgaben zu erledigen; ich übernahm gerne handwerkliche Tätigkeiten. Eine Frau musste vier Wochen lang die Toiletten putzen – das gefiel ihr gar nicht! Sie protestierte laut gegen diese Aufgabe; aber es nützte ihr nichts – irgendjemand musste ja schließlich die Klos machen! Und sie war genau dieser „Irgendjemand“.

Am Ende der Ausbildung wurde von jedem Teilnehmer erwartet, eine Yogagruppe zu leiten. Die Anspannung war greifbar während alle ihre Lehrproben vorbereiteten; mir wurde klar, wie stark die Persönlichkeit eines Yogalehrers den Unterricht beeinflusst – nicht nur die Übungen selbst prägen eine Stunde maßgeblich, sondern auch die Energie des Lehrers.

Nach den Prüfungen fand eine feierliche Zeremonie statt: Die Yogalehrer erhielten von den Ausbildern das begehrte Yogalehrer-Zertifikat! Jeder wurde einzeln aufgerufen – auch ich hatte meine Prüfung bestanden! Als mein Name genannt wurde ging ich auf das Podium und erhielt von Durgananda meine Urkunde – unterschrieben von Swami Vishnudevananda!

Im Jahr 1993 starb Swami Vishnudevananda; doch 1999 erschien er mir in meiner Yogahütte im Traum und umarmte mich. Diese Umarmung beinhaltete einen Segen: Swami Vishnudevananda akzeptierte damit, dass ich meinen eigenen Yogastil lehren durfte. Sein Grundsatz lautete: „Einheit in der Vielfalt.“ Es gibt viele Wege zum spirituellen Ziel; jeder Yogi darf seinen eigenen Weg gehen.

Gleichzeitig sollten jedoch alle Yogis für das Ziel einer glücklichen Welt zusammenarbeiten; sie sollten sich als eine spirituelle Familie sehen. Die Worte von Swami Vishnudevananda hallten in meinen Gedanken wider: „Ich bin kein Superguru; auch ich bin wie ihr eine suchende Seele – auch ich kann fallen! Das tägliche Gebet zum Meister oder zu Gott ist sehr wichtig! Ich werde nie ohne Gebet meinen Weg gehen.“ Ich betete morgens und abends; es ist von keiner Bedeutung auf welcher Stufe der spirituellen Entwicklung du dich befindest – halte das Gebet immer in deinem Herzen! Bitte Gott oder die erleuchteten Meister darum dir die Kraft zu geben immer auf dem spirituellen Weg zu bleiben.

9.4 Yoga und Positives Denken

Positives Denken führt zu positiven Gefühlen, Gesundheit und Glück. Wenn wir Yoga mit positivem Denken verbinden, erhalten wir gleichzeitig den Körper und den Geist gesund. Die Wirkung von
Yoga wird verstärkt, wenn wir die Übungen mit positiven Sätzen verbinden.

  1. Wir gehen auf der Stelle, bewegen die Arme wie eine
    Dampflokomotive, drehen uns um uns selbst, visualisieren Licht um
    uns herum und denken: „Ich gehe den Weg des Positiven.“
  2. Wir grätschen die Beine auseinander, beugen uns in der
    Windmühle vor, drehen uns in der Wirbelsäule und denken: „Meine
    Ziele sind …“. Welche Ziele möchtest du in deinem Leben
    erreichen? Gesundheit, Erleuchtung, Glück, Erfüllung?
  3. Wir beugen uns aus dem Stand mit dem Oberkörper vor. Wir
    stützen uns mit den Händen auf dem Boden ab und bewegen den
    Hintern nach unten in die Hocke und wieder nach oben in die
    Vorbeuge. Der Kopf geht dabei nach oben und wieder herunter zur
    Erde. Wir praktizieren mehrmals den Frosch und denken: „Ich habe
    Kraft und Ausdauer.“
  4. Wir legen uns auf den Bauch. Wir heben den linken Arm und das
    rechte gestreckte Bein an. Wir senken beides wieder ab und heben
    den rechten Arm und das linke Bein an. Das machen wir mehrmals.
    Beim entgegengesetzten Armbeinheben denken wir: „Ich nehme die
    Dinge so an, wie sie sind.“ Was willst du heute annehmen?
  5. Wir liegen auf dem Bauch, stützen die Hände seitlich auf den
    Boden und drücken mehrmals den Oberkörper hoch und runter. Das
    ist eine einfache Form des Liegestützes, bei der das Becken auf dem
    Boden bleibt. Beim Ein- und Ausatmen denken wir: „Ich lasse meine
    falschen Wünsche los.“ Was möchtest du heute loslassen?
  6. In der Bauchlage drehen wir entspannt das Becken hin und her.
    Der Kopf liegt auf den Händen. Wir denken: „Ich bin traurig, weil …
    „. Was ist heute dein Grund der Trauer?
  7. Wir bewegen in der Bauchlage sanft die Füße und denken: „Ich
    verzeihe … (Ich verzeihe meinem Partner/Eltern, dass er/sie …. Ich
    verzeihe dem Kosmos/Gott, dass mein Leben so schwer ist. Ich
    verzeihe mir, dass ich …)“. Wem möchtest du heute was verzeihen?
    Denke deine Worte so lange, bis in dir ein Gefühl der Trauer, des
    Loslassens und des Verzeihens entsteht.
  8. Wir drehen uns auf den Rücken, heben den Kopf und fahren mit
    Armen und Beinen Rad. Dabei denken wir: „Ich sorge gut für meinen Körper und meinen Geist „.
  9. Wir gehen in die Kerze, strecken die Beine zum Himmel und stützen uns mit den
    Händen am Rücken ab. Wir visualisieren den Himmel, bewegen die
    Füße und denken mehrmals das Mantra „Himmel“, bis die Energie
    des Himmels in uns hineinfließt.
  10. Wir rollen aus der Kerze ab in den Meditationssitz
    (Schneidersitz, Fersensitz). Wir legen die Hände in den Schoß. Der
    Rücken ist gerade und der Bauch entspannt. Wir bewegen segnend
    eine Hand und senden allen unseren Freuden Licht. Wir
    hüllen sie mit Licht ein und denken: „Ich sende Licht zu … Mögen
    alle Wesen glücklich sein. Möge es eine glückliche Welt geben.“
  11. Wir stoppen eine Minute alle Gedanken und entspannen uns danach.
  12. Wir legen uns entspannt auf unsere Yogamatte und meditieren im Liegen.

Weiterlesen: Auf der Suche nach Glück und Liebe – ein Roman – mystiker2

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