Heute habe ich im Altersheim mit meinen alten Freundinnen meinen Geburtstag gefeiert. Gestern bin ich 65 Jahre alt geworden. Ich habe damit die Grenze von der Jugend zum Alter überschritten. Vorgestern war ich noch ein junger Hüpfer und heute bin ich ein alter Sack. Vorgestern fröhlich durch die Welt hüpfen und das Leben genießen. Sex, Drugs and Rock'n Roll. Heute gemütlich von Sofa aus die Welt beobachten und wehmütig an die vergangene Jugend denken. Kein Sex, keine Drogen und keinen Rock'n Roll mehr. Meine Droge war allerdings Zeit meines Leben der Kuchen, also Zucker und Fett. Das passt zu mir als yogischer Vata Typ. Und Kuchen gibt es im Altersheim-Cafe auch bis zur Sättigung. Kuchen ist der Sex des Alters. Habe ich irgendwo gehört.

Und Rock'n Rock ist auch noch da in Form von spirituellen Liedern und Kinderliedern. Im Alter wird man wieder zu einem Kind. Insofern passt das. Und mit meiner Ukulele rocke ich damit das Altersheim. Gestern Abend habe ich aber mit meiner Schwester eine Stunde Bhajans zum Harmonium gesungen. Bhajans sind die indischen Gesänges des Gotteslobes. Man wiederholt immer wieder die Namen Gottes und gelangt dadurch in die Energie Gottes. Die indischen Götter sind für mich Symbole für verschiedene Erleuchtungspersönlichkeiten. Man kann es deshalb so ausdrücken, dass man die verschiedenen Eigenschaften eines Erleuchteten besingt und dadurch die Erleuchtungsenergie aktiviert.

Wer erleuchtet ist, hat ein glückliches Alter. Er geht im Zustand des inneren Glücks, des Friedens und der umfassenden Liebe durch die oft schwierige Zeit. Das Alter macht ihm deshalb nichts aus. Es ist umgekehrt die Zeit des höchsten Glücks und Lebensgenusses. Wen man als spiritueller Mensch lebt. Die Glücksforschung hat sogar festgestellt, dass alte Menschen allgemein oft glücklicher sind als junge Menschen, weil der Stress des Lebens wegfällt und man die Dinge gelassener sehen kann. Wenn man gesund ist.

Ich frage die Alten im Altersheim, was ich jetzt als alter Sack im Alter zu beachten habe. Übereinstimmend rufen sie, dass die Gesundheit das wichtigste Gut ist. Man sollte deshalb jeden Tag spazieren gehen. Das tue ich. Insofern bin ich mit Gesundheit gesegnet. Und was ist noch wichtig im Alter? Dass man Freunde hat. Ich habe viele Freundinnen. Sie rufen den ganzen Tag von morgens bis abends an. An Unterhaltung und spannenden Geschichten besteht in meinem Leben kein Mangel.

Zum spirituellen Weg raten die Alten nicht. Das haben sie noch nicht begriffen, obwohl es ein christliches Altersheim ist. Aber da übernimmt der Pfarrer die Spiritualität und die Alten sind nur die Konsumenten. Sie haben nicht gelernt selbständig ihre spirituelle Energie zu erwecken und sich so jeden Tag ins Glück zu bringen.

Das praktizieren sie nur mit mir, wenn wir gemeinsam Lieder singen. Heute waren wieder alle da und wir schmetterten natürlich erstmal aus voller Kehle "Happy birthday, Nils". Wir sangen das so lange, bis sie alle das Gefühl hatten, dass sie selbst Geburtstag haben. Dann gab es wieder die Vorstellungsrunde mit "Mein Hut, der hat drei Ecken." Wir fügten dann statt Hut die Namen der Beteiligten ein. Wir sind Alte mit Ecken und Kannte. Uns macht man nichts vor. Und wir sind immer gut drauf. Gisela lachte wieder laut und die Namenlose hatte immer noch ihren Namen vergessen. Wir gröhlten also wieder "Die Namenlose hat drei Ecken".

Die Stimmung stieg schnell bis zur Extase. Das lag auch daran, dass ich heute das erste Mal meine neue Ukulele mitgebracht habe. Die klaren Töne sind ein Genuss für die Ohren. Der Nachteil besteht darin, dass man jeden falschen Ton hört. Was die Alten auch gnadenlos bemerkten. Dann wiederholte ich das Lied so lange, bis alle mit den Tönen zufrieden waren. Es ist gut ein unperfekter Musiker zu sein. Da kommt immer wieder Freude auf.

Meine Mutter baut geistig immer mehr ab. Sie konnte kaum noch mitsingen. Sie hört interessiert zu und oft ist sie auch geistig abwesend. Sie befindet sich jetzt in einem Dauerzustand des Gleichmuts und der Meditation. Sie meditiert beständig, hält so ihren Geist in der Ruhe und nimmt das Leid ihres Lebens kaum wahr. Der Nachteil besteht darin, dass sie auch die Freude des Lebens kaum noch registriert. Und vor allem meditiert sie falsch. Sie macht den Fehler der meisten Yogis. Sie erweckt nicht durch die Meditation ihre Kundalini-Energie. Dann könnte sie im Zustand des Glücks durch das Alter gehen. Dann würde sie im Licht leben und nicht in der Dunkelheit.

Leider konnte ich ihr den Weg der Kundalini-Meditation nicht begreiflich machen. An einem bestimmten Punkt blockiert sie den Meditationsprozess. Ihre Psyche weigert sich, weil sie in Bereiche gehen muss, wo sie nicht hingehen will. Also blieb mir nicht anderes übrig, als ihr ihren Weg zu lassen und einmal in der Woche beim gemeinsamen Singen etwas ihre Energie in Gang zu bringen. Vielleicht kommt sie so eines Tages von alleine zu einem spirituellen Durchbruch und die Energie beginnt zu fließen. Dann wird aus der ruhigen Meditation ein sehr dynamischer Prozess, wie es bei mir der Fall ist. Es gibt oft Zustände der Glückseligkeit, aber es tauchen auch immer wieder Schatten aus der Vergangenheit auf, die gelöst und durchlebt werden wollen.

Mein Schwester und ihr einer Sohn waren heute auch im Altersheim. Sie reisten von dort aus zurück in den Schwarzwald. Ich brachte sie mit meiner Mutter im Rollstuhl zur Bushaltestelle. Da ich meine Ukulele dabei hatte, sangen wir zum Abschied einige Lieder. An der Bushaltestelle warteten viele Menschen auf den Bus. Sie hörten alle interessiert zu. So wurde es ein spontaner Flashmob mit Mutter, Schwester, Sohn und Neffe. Ein kleiner Junge war begeistert und fragte, ob ich auch "Gottesliebe ist so wunderbar" spielen könnte. Er hatte wohl eine christliche Mutter. Zum Glück ist das eines meiner christlichen Lieblingslieder, weil es so schön einfach ist und man sich damit schnell in Extase singen kann. Und so gab es zum Abschluss heute an der Bushaltestelle spirituellen Rock vom Feinsten.

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