Zur Erleuchtung gelangt man durch die Überwindung des Egos. Das Ego kann durch den Weg der Ruhe, der Liebe oder der Weisheit überwunden werden. Wir meditieren und bringen unseren Geist zur Ruhe. Plötzlich ist das Ego weg und wir sind nur noch reines Bewusstsein. Wir leben im erleuchteten Sein, Einheitsbewusstsein und in der Glückseligkeit. Auf den Weg der Liebe überwinden wir unser Ego dadurch, dass wir uns auf das Glück aller Wesen und auf das Ziel einer glücklichen Welt konzentrieren. Wir arbeiten für die Erleuchtung unserer Mitmenschen und sind dadurch plötzlich selbst erleuchtet. Auf dem Weg der Weisheit denken wir so lange über uns und den tieferen Sinn des Lebens nach, bis wir zur Erleuchtung gelangt sind. Wir überwinden nach und nach alle falschen Gedankenstrukturen. Bis wir erkennen, dass wir kein vom Kosmos getrenntes Wesen sind und in Wahrheit alles eins ist. Wir sind Licht, leben im Licht und strahlen Licht aus.
Grundsätzlich hindern uns an der Erleuchtung unsere Anhaftungen an die Welt. Aus den Anhaftungen bilden sich innere Verspannungen und eine Egostruktur des Bewusstseins. Wenn wir alle Wünsche loslassen, gelangen wir ins erleuchtete Sein. Wir haften an nichts an und lehnen nichts ab. Das ist der große Weg Buddhas. Er nennt es Gleichmut gegenüber Freude und Leid. Ich nenne es das Leben im Licht. Im Taoismus spricht man vom Wu Wei, vom vollständigen Nichtstun. Ich nenne es Wunschlosigkeit. Wer keine Wünsche hat, hat keine Handlungsimpulse. Er lebt in der Ruhe, im großen Einverstandensein mit allem, was ist. Aus der Ruhe und dem Einheitsbewusstsein entsteht dann das innere Glück. Wir können unser Glück, unseren inneren Frieden und unsere spirituelle Energie bewahren, wenn wir konsequent in der Ruhe, im Nichtstun, in der Wunschlosigkeit und im Einverstandensein leben.
Im Yoga-Sutra von Patanjali heißt es: „Kommt der Geist zur Ruhe, lebt der Yogi im Licht.“ Das geht aber nicht so einfach. Es reicht nicht, dass wir mit aller Kraft unsere Gedanken stoppen. Es geht darum, die inneren Verspannungen aufzulösen, so dass die innere Energie erwacht. Dann kommt der Geist von alleine zur Ruhe. Der Weg zur Erleuchtung ist deshalb der Weg der inneren Reinigung durch spirituelle Übungen. Das Ziel ist es in der inneren Ruhe und Glückseligkeit zu leben.
Was ist aber, wenn wir in der Welt handeln müssen? Wir können in der Welt und mit unserem Körper nur überleben, wenn wir auch äußerlich handeln. Dadurch würden wir aber unsere innere Ruhe verlieren, weil wir einen Handlungsimpuls brauchen. Wir brauchen eine Wunsch, der uns zum Handeln bringt. Dadurch würden wir unsere innere Ruhe verlieren, insbesondere wenn wir für die Erfüllung unseres Wunsches kämpfen müssen. Die meisten Menschen müssen arbeiten, um zu leben. In Beziehungen geht es oft um Abgrenzung und unterschiedliche Interessen. Wer sich nicht abgrenzen und auch mal Nein sagen kann, der kann in einer unruhigen Welt nicht in Frieden leben.
Wir müssen also in dieser Welt auch äußerlich handeln. Um in der Wunschlosigkeit zu bleiben und trotzdem als Körper zu überleben, können wir reflexartig handeln. Wir können einfach das tun, was jeweils richtig ist. Wir in der Richtigkeit lebt, kann dadurch seinen inneren Frieden bewahren. Wir können des Weiteren das Ergebnis unseres Handelns an Gott, die erleuchteten Meister, den Kosmos oder das Schicksal abgeben. Dann beunruhigt es uns nicht innerlich, ob wir unsere Ziele erreichen. Wir tun unser Bestes, und alles andere geschieht von alleine oder nicht. Wie es das Schicksal will. Eine weitere Strategie ist es, nur soweit Dinge anzustreben, wie es ohne große Mühe möglich ist. Bei einem einfachen Leben können wir oft relativ mühelos unseren inneren Frieden bewahren. Letztlich müssen wir genau hinsehen, welche Möglichkeiten es in unserem Leben gibt, um spirituell zu wachsen und im erleuchteten Sein zu leben.
Auf dem Weg der Liebe sind die Dinge anders. Wir können unsere Erleuchtung bewahren, wenn wir für das Glück unserer Mitwesen und für das Ziel einer glücklichen Welt arbeiten. Wenn wir es nicht für uns selbst tun, handeln wir ohne Ego. Wir handeln als Bodhisattva, als Karma-Yogi, als Friedenstifter. Wir bringen das Licht, die Liebe und den Frieden in die Welt. Der Wunsch nach einer glücklichen Welt und der Erleuchtung aller Wesen ist auch für einen Erleuchteten möglich. Ein Bodhisattva kann aus einem Ego mit einem derartigen Wunsch handeln und wächst dadurch sogar in der Erleuchtung. Er kann sogar höhere spirituelle Fähigkeiten (Siddhis) erlangen und damit zum Wohle aller Wesen handeln. Meine Meisterin sagte, dass sie mit ihren höheren Fähigkeiten allen Wesen helfen kann, nur nicht sich selbst. Das würde ihre Egolosigkeit verhindern. Für sich selbst kann sie nur wie ein einfacher Mensch sorgen.
Ich bevorzuge einen gemischten Weg. Ich lebe in der Ruhe und in der Wunschlosigkeit. Ich bin zufrieden mit dem, was ist. Allerdings habe ich schon dafür gesorgt, dass meine Lebensumstände mir entsprechen und für meinen spirituellen Weg günstig sind. Es gibt auch bei mir Beziehungsprobleme, die ich mit dem Prinzip der Richtigkeit zu lösen suche. Und strebe nur Dinge an, die sich relativ mühelos erreichen lassen und sich fast von selbst ergeben. Und baue viele Zeiten der Meditation und des spirituellen Übens in mein Leben ein. Im Wesentlichen lebe ich aber als Bodhisattva. Und deshalb kann ich äußerlich fast alles tun, weil ich im Kern von dem Wunsch nach dem Glück aller Wesen motiviert bin. Ich bete aber auch zu meinen Meistern und bitte sie um Führung und Hilfe. Und gebe alles Handeln an sie ab. Ich vertraue auf die göttliche Führung und kann dadurch im Frieden bleiben. Innere Kämpfe gibt es aber bei mir auch noch. Das spirituelle Wachstum dauert ewig an.
Kommentare