Es waren einmal ein armer Mann und eine arme Frau, die hatten vier Söhne. Sie waren so arm, dass sie eines Tages nichts mehr zu essen hatten. Sie konnten ihre Kinder nicht mehr ernähren. Da zogen die vier Söhne in die Welt hinaus, um dort ihr Glück zu finden. Sie beschlossen sich in alle vier Himmelsrichtungen zu verteilen und sich nach drei Jahren am Ausgangspunkt wieder zu treffen.

Der erste Sohn wanderte nach Süden. In einer kleinen Stadt in Süddeutschland suchte ein Schneidermeister einen Lehrling. Dort erlernte er das Schneiderhandwerk. Als er nach drei Jahren seinen Abschied nahm, schenkte ihm der Meister eine Nadel, mit der er alles zusammennähen konnte.

Der zweite Sohn wanderte nach Ostdeutschland. Weil dort viel Wald ist, wurde er ein Jäger. Sein Meister schenkte ihm als Lohn nach drei Jahren ein Gewehr, mit dem er jedes Ziel treffen konnte. 

Den dritten Sohn zog es nach Norddeutschland an das Meer. Er wurde Leuchtturmwärter und bekam nach drei Jahren ein Fernrohr geschenkt, mit dem er alles sehen konnte, was er zu sehen wünschte. 

Der vierten und letzte Sohn ging nach Westdeutschland. Er lernte bei einer großen Bank und wurde ein Meisterdieb. Wo es irgendetwas zu ergaunern gab, das ergaunerte er. Er erlernte tausend Tricks alle Gesetze zu umgehen und jedem Menschen sein Geld aus der Tasche zu ziehen. 

Nach drei Jahren trafen sich alle am Ausgangspunkt. Bevor sie zu ihren Eltern zurückkehrten, wollten sie herausfinden, wer der Größte unter ihnen ist. Zufällig war dem König des Landes gerade von einem bösen Drachen die Tochter geraubt worden. Er versprach demjenigen seine Tochter zur Frau, der den Drachen besiegen und seine Tochter retten könnte. Viele junge Männer hatten schon ihr Glück versucht, aber der Drache hatte sie alle gefressen. Jetzt traute sich keiner mehr auf die gefährliche Suche zu machen. 

Die vier Söhne nannten sich jetzt die kunstreichen Brüder. Für sie war es eine gute Gelegenheit ihr Können zu beweisen. Der erste Sohn nahm sein Fernrohr und suchte nach dem Ort, wo der der Drache die Königstocher versteckt hielt. Auf einer einsamen Insel im Meer hauste der Drache auf einem großen Felsen. Also liehen sich die vier Brüder vom König ein Segelboot und segelten zur einsamen Insel. 

Der Meisterdieb schlich sich an Land und stahl die Königstocher aus den Armen des Drachen. Er kam auch bis auf das Boot. Aber als sie gerade auf dem Meer waren, erwachte der Drache und flog den vier kunstreichen Brüdern hinterher. Als er über dem Boot war, nahm der Jäger sein Gewehr und erschoß den Drachen. Der fiel so unglücklich auf das Boot, dass es in tausend Teile zerbrach. 

Jetzt war der Schneider gefordert. Es nahm seine Zaubernadel und nähte das Boot ruck zuck wieder zusammen. Da war die Freude groß. Die Königstochter war gerettet. Doch wer sollte sie jetzt heiraten? Zum Glück hatte sie noch drei Schwestern, so dass jeder der vier kunstreichen Brüder eine Prinzessin zur Frau bekam. 

Der König beschenkte sie mit so viel Gold, Silber und Edelsteinen, dass sie jetzt reich waren. Sie nahmen ihre armen Eltern mit in das Schloss und feierten ein großes Fest. Nach dem Tod des Königs regierten alle vier gemeinsam das Königreich. Da sie zusammen unbesiegbar waren, brach eine Zeit des Friedens und des Glücks für alle Menschen an. 

Wie ist dieses Märchen spirituell zu deuten? Der Drache ist das Ego eines Menschen. Das Ego ist schwer zu erkennen und schwer zu besiegen. Aber wer es besiegt, der erhält ein neues Selbst (das Boot wird neu zusammengenäht). Dieses Selbst besitzt statt des Egos ein Einheitsbewusstsein. Es kann in alle vier Himmelsrichtungen gleichzeitig sehen und erfährt sich als eins mit seiner Welt. 

Gleichzeitig mit dem Einheitsbewusstsein entsteht das große Glück der Erleuchtung. In der mystischen Hochzeit vereinigt sich der Prinz mit der Königstochter. Der Schlüssel zur Erleuchtung sind die vier Eigenschaften Weisheit, Liebe, Zielstrebigkeit und innerer Frieden.

Der Schneider verkörpert das Einheitsbewusstsein und den inneren Frieden. Der Bruder mit dem Fernrohr steht für die Liebe zum Ziel. Der Meisterdieb besitzt das ausreichende Geschick, um mit seinen spirituellen Übungen zur Erleuchtung zu gelangen. Und der Jäger hat die Kraft, die Ausdauer und die Zielstrebigkeit, um so lange spirituell zu praktizieren, bis das Ziel erreicht ist.  

Das spirituelle Märchenbuch. Die schönsten Märchen und ihre Bedeutung – mystiker2 (wordpress.com)

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