Der Dalai Lama hat erklärt, dass es nur eine Religion gibt, die Religion der Liebe: „Ich glaube, dass die einzig wahre Religion darin besteht, ein gutes Herz zu haben.“ Der Dalai Lama engagiert sich für die Zusammenarbeit aller Religionen der Welt. Er trifft sich oft mit religiösen Führern aus dem Christentum, dem Islam und dem Hinduismus. Unter den Buddhisten ist der Dalai Lama die herausragende Persönlichkeit, die sich für die Einheit aller Religionen engagiert.
In Indien gibt es den Weg des Neohinduismus. Er geht zurück auf den Yogi Ramakrishna, der verschiedene Religionen ausprobierte und erkannte, dass es alles Wege zur Erleuchtung sind. Er verglich die Religionen mit einem Berg, zu dessen Gipfel verschiedene Wege führen. Jede Religion ist ein Weg ins Licht, wenn man sie ernsthaft und mit Weisheit praktiziert. Meine hinduistischen Meister lehren alle den Weg des Neohinduismus und haben diesen modernen Weg wesentlich geprägt. Das gilt für Mutter Meera, Sathya Sai Baba, Anandamayi Ma, Swami Sivananda und Amritanandamayi (Amma). Sie alle stellen die umfassende Liebe in das Zentrum des spirituellen Weges. Sie alle lehren die Toleranz der Religionen untereinander.
Toleranz im Christentum
Das Christentum ist überwiegend eine sehr dogmatische Religion, die nur ihren Weg für den einzig richtigen hält. Sie beruft sich dabei auf das Johannes Evangelium, nach dem Jesus gesagt haben soll, dass nur er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Keiner komme zum Vater außer durch ihn. Diese Behauptung ist aber eine Falschbehauptung, die Jesus so nie gesagt hat. Sonst hätten auch andere Evangelien davon gesprochen. Jesus sah sich nicht als Begründer einer neuen Religion. Er wollte nur das Judentum reformieren und auf den Weg der umfassenden Liebe bringen. Einer solchen Lehre würde ein Alleinvertretungsanspruch völlig widersprechen, weil das letztlich zu ewigen Religionskriegen geführt hat und führen wird.
Es gibt im Christentum auch viele Vertreter der Zusammenarbeit aller Religionen. Zuerst sind hier die Katholiken zu nennen, die auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil erklärt haben, dass der Geist Gottes durch alle Religionen wirkt. Dementsprechend haben sich die Päpste oft mit Vertretern anderer Religionen getroffen und auf ein friedliches Miteinander hingewirkt. Der katholische Priester und erleuchtete Mystiker Bede Griffiths vertrat sogar ausdrücklich die Einheit aller Religionen. Nach ihm sind die Lehren aller Religionen ein Gesamtwissen, dass der gesamten Welt gehört. Seine Schülern lernten von allen Religionen, um den für sie persönlich passenden Weg zu finden.
Erleuchtung und Toleranz
Nach meiner Erfahrung gibt es nur eine höchste Wahrheit. Diese Wahrheit erfährt man in der Erleuchtung. In der Erleuchtung erhebt man sich über jeden religiösen Streit und erkennt das Gemeinsame in allen Wegen. Durch die Erleuchtung gelangt man in eine Ebene über allen Religionen. Die Erleuchtung ist über allen Worten und dogmatischen Systemen. Die einzelnen Religionen sind Wege, die zu einem Leben im Licht führen. Wie man ins Licht gelangt, ist für jeden Menschen individuell. Man kann diesen Weg nur finden, wenn man den Weg seiner eigenen Weisheit findet und sich über alle Dogmen erhebt.
Ich glaube, dass die Gründer der verschiedenen Religionen eine Erleuchtungserfahrung gemacht haben. Darauf beruht jede echte Religion. Religionsgründer wie Buddha, Jesus, Mohammed, Moses und Krishna haben dann in den Worten ihrer Kultur beschrieben, wie man den Weg ins Licht finden kann. Alle dieser großen Religionen haben Erleuchtete hervorgebracht. Allein das beweist, dass es in allen Religionen letztlich um die Erleuchtung, die Gotteserfahrung, das Leben im Licht geht.
Ich konnte nach meiner Erleuchtungserfahrung plötzlich die Bücher aller Religionen auf einer tiefen Ebene verstehen. Jede Religion zeigte verschiedene Aspekte des spirituellen Weges auf. Zusammen ergaben sie das Gesamtsystem des spirituellen Wissens. Von jeder Religion habe ich etwas für meinen spirituellen Weg gelernt. Deshalb vertrete ich die Einheit aller Religionen und den individuellen Weg eines jeden Menschen. Jeder darf herausfinden, was ihn spirituell voranbringt. Er kann dem Weg einer speziellen Religion folgen oder sich aus allen Religionen seinen persönlichen Weg zusammenstellen. Wenn er wirklich nach Erleuchtung sucht und konsequent praktiziert, wird er seinen Weg finden.
Der individuelle spirituelle Weg
In der westlichen Welt ist es üblich, dass man bei verschiedenen Meistern lernt. Man wandert von Meister zu Meister und von Religion zu Religion, bis man seinen persönlichen Weg gefunden hat. So war es auch bei mir. Ich begann mit der Philosophie und der Psychologie. Dann fand ich zum Christentum, zum Buddhismus und zum indischen Yoga. Ich probierte aus, was für mich persönlich funktioniert. Das praktiziere ich seit vierzig Jahren.
Ich engagiere mich für die Zusammenarbeit aller Religionen und für die religiöse Toleranz, weil ich eine Welt des Friedens, der Liebe und des allgemeinen Glücks wünsche. Eine solche Welt ist nur möglich, wenn die Religionen untereinander Frieden finden und sich auf ihre gemeinsamen positiven Werte besinnen. Ich behaupte sogar, dass eine dauerhaft friedliche Welt nur möglich ist, wenn die Menschen ihren Egoismus überwinden und sich auf die Liebe und das innere Glück als ihr wahres Lebensziel besinnen. Ich engagiere mich deshalb für das Weltparlament der Religionen. Meine Hauptarbeit besteht aber darin innerhalb meiner spirituellen Gruppen Frieden, Liebe und Toleranz zu lehren.
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