Der verrückte Yogaweg

Kokalipa war ein Prinz. Sein Vater war der Maharadscha von Camparna, einem kleinen indischen Fürstentum. Der Prinz wuchs in großem Reichtum auf. Er bekam alles, was sein Herz begehrte. Doch sein Leben langweilte ihn. Er wollte etwas haben, was schwer zu erreichen ist. Der Hofpriester erklärte ihm, dass am schwersten die Erleuchtung zu erreichen sei. Daraufhin wollte der Prinz die Erleuchtung haben.

Er ging zu einem erleuchteten Meister, um in den spirituellen Weg eingeweiht zu werden. Der Meister zeigte ihm verschiedene spirituelle Techniken. Er empfahl ihm zwölf Jahre im Lotussitz zu meditieren, drei Jahre auf einem Bein zu verweilen oder drei Stunden auf dem Kopf zu stehen. Doch keine dieser Techniken sagte Kokalipa zu, obwohl sie nach Angabe des Meisters alle zur Erleuchtung führen.

Der Meister überlegte sich einfachere Techniken. Er riet Kokalipa sich auf seinen Atem zu konzentrieren. Er sollte einfach immer nur ruhig ein- und ausatmen. Das war dem Prinzen deutlich zu langweilig. Der Meister schlug eine dynamischere Technik vor. Kokalipa sollte die schnelle Blasebalgatmung praktizieren und nach zehn Runden immer die Luft so lange anhalten, wie es ihm möglich war. Seine Kundalini-Energie könne er dann durch die Wechselatmung aktivieren. Bei der Wechselatmung drückt man abwechselnd das linke und das rechte Nasenloch zu und füllt so den rechten und den linken Energiekanal mit Energie. Irgendwann erwacht dann von alleine die Kundalini-Energie. Doch diese Techniken vermochte der Prinz leider nur eine Woche durchzuführen. Dann wurde es ihm auch schon wieder zu langweilig.

Der Meister wurde langsam ratlos. Er brauchte einen spirituellen Weg für den Prinzen, der einfach zu erlernen und gleichzeitig spannend und abwechslungsreich war. Dazu fiel ihm der vierfache Yogaweg ein. Als erstes zeigte der Meister dem Prinzen einige einfache Yogaübungen. Er zeigte ihm die Schüttelmeditation, das Beineheben in Rücklage, die Kerze, die Heuschrecke, die Kobra und das Wirbelsäulendrehen im Meditationssitz. Zum Abschluss jeder Yogarunde sollte er einige Minuten in der Totenstellung entspannen. Damit es dem Prinzen nicht langweilig würde, dürfe er kreativ weitere Yogaübungen entwickeln oder aus Büchern dazulernen.

Das gefiel dem Prinzen. Er praktizierte ein Jahr jeden Tag eine Stunde Yoga. Sein Körper wurde gelenkig, sein Geist stark und seine spirituelle Energie erwachte. Jetzt fühlte er sich bereit sein Wissen weiterzugeben. Er sammelte eine Schar schöner Prinzessinnen aus seinem Palast um sich und lehrte sie den Weg des Hatha-Yoga. Das brachte ihm erheblich viel Spaß und er konnte sich damit fünf Jahre lang beschäftigen. Dann verlangte sein Geist nach neuen Abenteuern.

Da der Körper der Prinzen jetzt spirituell weitgehend gereinigt war, empfahl ihm sein Meister sich dem Geist zuzuwenden. Der Prinz sollte verschiedene Gottheiten visualisieren, ein Mantra denken und so die Erleuchtungsenergie in sich aktivieren. Es gab spirituelle Vorbilder der Kraft, der Liebe, des Glücks, der Weisheit und des inneren Friedens. Der Prinz spürte jeden Tag genau, was sein Geist gerade brauchte, visualisierte die entsprechende Gottheit, dachte ihren Namen als Mantra, machte einige Atem- und Yogaübungen dazu, und erweckte so sein inneres Glück. Sein Leben fühlte sich gut an. Seine spirituelle Energie nahm zu.

Nach einem Jahr konnte der Prinz mit diesen Techniken seine Kundalini-Energie erwecken und erlebte starke Energiezustände. Die Kundalini-Energie begann ein Eigenleben zu führen und kreiste Tag und Nacht in dem Prinzen. Oft war er unruhig. Sein Meister schlug ihm deshalb zum Abschluss vor einige Jahre in der Abgeschiedenheit von der Welt in der Ruhe zu verweilen. Er sollte einfach nur je nach Bedürfnis im ständigen Wechsel gehen, meditieren und in den heiligen Schriften lesen. Dabei sollte er achtsam auf seine Gedanken sein. Er sollte Gedanken vermeiden, die ihn beunruhigten und Gedanken fördern, die positive Eigenschaften wie Liebe, Frieden und Selbstdisziplin in ihm stärkten.

Drei Jahre praktizierte der Prinz das Leben in der Ruhe. Dann hatte die Kundalini-Energie ihn so weit gereinigt, dass er ins erleuchtete Sein gelangte. In ihm waren Frieden und Glück. Freude und Leid störten ihn nicht mehr. Er haftete an nichts mehr an. Er ruhte egolos in einem Einheitsbewusstsein. Jetzt gab ihm der Meister der letzte Übung. Er sollte bis zum Ende seines Lebens seinen Mitmenschen dienen und sein spirituelles Wissen an sie weitergeben. Der Prinz begann jetzt wieder als Yogalehrer zu arbeiten und zeigte allen interessierten Menschen in seinem Fürstentum den Weg des vierfachen Yoga. Er teilte seine spirituelle Energie mit ihnen. Für alle seine Freunde begann eine Zeit der Fülle und des Glücks. Und dem Prinzen war nie mehr langweilig.

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