Gestern war Regen angesagt. Nach der Hitze der letzten Tage sollte ein Wetterumschwung erfolgen. Der Wetterbericht hatte Sturm angekündigt. Als ich zu meiner Mutter radelte, schien noch die Sonne. Leicht bekleidet genoß ich die Wärme des Tages. Und da geschah es. Auf dem Rad überholte mich eine schöne junge Frau, so Mitte Vierzig. Ich schloß daraus haarscharf, dass sie auch ein eBike besaß. Und tatsächlich fuhr sie fast genauso schnell wie ich, etwa 25 kmh. Das ist die Höchstgrenze für eBikes. Eine halbe Stunde veranstalteten wir durch die Stadt ein eBike-Rennen. Sie versuchte mich durch eine Abkürzung auszutricksen. Aber sie hatte wohl die Apeln nicht einberechnet. Nach zehn Minuten tauchte sie plötzlich wieder hinter mir auf. Und überholte mich natürlich. Was ich gerne zuließ. Ich blieb ihr auf den Fersen. Leider musste ich dann ins Altersheim und sie setze alleine ihren Weg fort.
Meine Mutter schlief noch. Also genehmigte ich mir erstmal zwei Stücken Torte. Und plauderte etwas mit der Zimmernachbarin, die auch im Cafe saß. Sie beklagte sich über das Leben. Ich fragte sie wie es ihr gehe. Und sie meinte: "Beschissen." Dabei geht es ihr im Verhältnis zu den meisten anderen Alten noch relativ gut. Sie kann noch gehen, sehen, hören, lesen und ihren Fernseher betätigen. Aber sie ist sehr negativ drauf. Wie die meisten Senioren. Sie sieht alles negativ und zerstört dadurch ihre Lebensfreude.
Ich spürte in die Energie des Altersheimes hinein. Die Hauptschwingung war Gleichmut. Den Senioren war alles egal. Sie lebten einfach nur vor sich hin und warteten auf den Tod. Ihnen fehlte eine positive Aufgabe im Leben. So eine Aufgabe gibt einem die Spiritualität. Ein spiritueller Mensch hat immer etwas zu tun. Er kann seine spirituellen Übungen machen, seinen Mitmenschen etwas Gutes tun und nach Erleuchtung streben. Für ihn ist die Lebenszeit eher knapp. Für die Menschen im Altersheim ist die Zeit ein endloser, langweiliger Strom ohne Sinn.
Spirituell sind die meisten Senioren nicht. Aber viele haben Fähigkeiten, die sie auch im Alter nutzen könnten. Sie könnten ihren Mitalten helfen, musizieren, vorlesen oder andere schöne Dinge machen. Stattdessen werden sie bespaßt und verlieren dadurch ihre Eigeninitiative und ihre Lebensfreude. Selbstmachen macht glücklicher als nur zu konsumieren. Das hat das Altersheim noch nicht begriffen. Das ist eine große Aufgabe für die Zukunft, wenn die Zahl der Alten in Deutschland noch stärker ansteigt.
Immerhin hat die Energie des Gleichmutes auch ihre Vorteile. Die Senioren können dadurch relativ unberührt durch das Leid des Alters gehen. Und mir half die Energie, weil ich heute zum Zahnarzt muss. Er will mir einen Zahn ziehen, was mich etwas beunruhigt. Ich verbinde mich deshalb mit der Egalheitsenergie von gestern und gehe gleichmütig durch die Prozedur.
Und erinnere mich auch an die schönen Seiten des gestrigen Besuches. Nachdem meine Mutter aufgewacht war, schob ich sie in ihrem Rollstuhl in den Park. Da es regnen sollte, ließen wir uns unter einem großen Sonnenschirm nieder. Es begann auch leicht zu regnen. Aber durch meinen Gesang wurde der Regen vertrieben und die Sonne kam wieder hervor. Immer mehr Senioren strömten in den Park, genossen meine Musik und klatschten, wenn die Sonne uns mit ihrem Licht und ihrer Wärme beschenkte. So wurde ich gestern zu einem Sonnenmusiker, der die Sonne an den Himmel und in die Herzen der Menschen zaubern konnte. https://www.youtube.com/watch?v=_60yiX4b81I
Kommentare
So ist es.
Das ist es,lieber Nils,den Senioren fehlt eine positive Aufgabe im Altersheim.Früher u. heute noch manchmal auf dem Dorf in Großfamilien,hatten bzw. haben die Alten ihre Aufgaben:Hühner füttern,Aufpassen auf die Enkel,Urenkel,Tiere,Haushüten usw.Das gibt es aber nur noch selten.Im Altersheim warten die Menschen auf das Sterben,lassen sich gehen u. geben sich ihrer Lethargie hin.Spirituelle Leute haben immer was zu tun.Das hab ich in der ambulanten Pflege auch erlebt.Sie haben ihren Tagesrhytmus mit Gebeten,guten Taten usw.Ja,sie werden bespasst im Altersheim.Als ich das zum 1. mal im Altersheim erlebte,hatte mich das sehr betroffen gemacht,wie die Alten bespasst werden.Für mich war das unwürdig.Das Hinderliche im Alter ist die Antriebslosigkeit.