Das Waldhaus, ein Yoga-Märchen

Es war einmal ein armer Holzfäller, der lebte mit seiner Frau und seiner Tochter in einer kleinen Hütte am Rande eines großen Waldes. Eines Tages ging der Holzfäller weit in den Wald hinein, um einen Baum zu fällen und daraus Feuerholz zu machen. Um die Mittagszeit schickte die Mutter die Tochter mit etwas Essen zu dem Vater im Wald. Doch leider verlief sich das Mädchen im Wald.

Als der Vater am Abend nach Hause kam, machte er der Frau Vorwürfe, weil sie ihm kein Essen geschickt hatte. Da merkten beide, dass die Tochter sich im Wald verlaufen hatte und machten sich große Sorgen.

Die Tochter aber war bei ihrer Suche nach dem Vater immer tiefer in den Wald hineingeraten. In der Mitte des Waldes stand ein Haus. Darin lebten ein alter Mann mit einer Kuh, einem Hahn und einem Huhn. In der Dunkelheit leuchtete das Licht aus dem Fenster weit in den Wald hinein. So fand das Mädchen das Haus. Es freute sich, dass es ein Nachtlager gefunden hatte. Am nächsten Tag würde ihm der alte Mann sicherlich den Weg zurück zu seinen Eltern zeigen.

Der alte Mann hatte graue Haare und einen langen weißen Bart. Er begrüßte das Mädchen freundlich und erklärte ihm, dass es in der Küche in Hülle und Fülle zu Essen gebe. Dann setze er sich an den großen Tisch in der gemütlichen Stube. Am warmen Ofen lag die Kuh und neben ihr das Hähnchen und das Hühnchen. Das Mädchen bereite in der Küche ein schönes Essen für sich und den alten Eremiten zu. Es vergaß auch nicht die drei Tiere zu füttern. Die quittierten das mit einem „Duks“. Da war der alte Mann zufrieden.

In der Nacht legte sich das Mädchen zu dem alten Mann ins Bett und schlief sofort ein, weil es sehr müde war. Am Morgen fing es im ganzen Haus an zu krachen, als ob das Dach einstürzte. Das Mädchen wachte erschrocken auf. Und was musste es sehen? Das ganze Haus hatte sich in Schloss verwandelt und neben ihm im Bett lag ein schöner junger Prinz. Die drei Tiere hatten sich in drei Diener verwandelt.

Der Prinz erklärte dem Mädchen: „Ich bin ein verzauberter Königssohn. Du hast mich erlöst, weil du ein gutes Herz hast. Willst du mich heiraten?“ Da der Prinz schön und reich war, sagte das Mädchen nicht nein. Vielmehr freute sie sich, dass sie ihren Traumprinzen gefunden hatte. Sie feierten eine große Hochzeit, zu der auch die Eltern des Mädchens eingeladen wurden.

Die Geschichte lehrt uns, dass ein gutes Herz belohnt wird. Wer anderen Wesen Gutes tut, erntet ein gutes Karma. Tatsächlich handelt das Märchen wahrscheinlich von dem alten Einsiedler, der viele Jahre im Wald gelebt und spirituell praktiziert hat. Mit seinen spirituellen Techniken, der Meditation und der Achtsamkeit auf die Gedanken hatte er die Verspannungen in seinem Körper und seinem Geist aufgelöst. Manchmal muss man jahrelang an sich arbeiten, bis es zu einem spirituellen Durchbruch kommt. Dann lösen sich die Verspannungen plötzlich in einer Nacht und am Morgen wacht man erleuchtet auf. Es fühlt sich an, als ob sich der ganze Körper auflöst. Man kann dabei durchaus einen Traum haben, in dem ein Haus zusammenbricht. Und dieses Haus verwandelt sich dann in einen Palast. Es findet eine mystische Hochzeit statt. Danach spürt man in sich Glück und die Weltsicht verändert sich völlig. Man sieht plötzlich seine äußere Welt als Paradies. Man erlangt durch die Erleuchtung eine Paradiessicht der Welt. Weil man in sich das Licht hat, kann man auch das Licht in der Welt sehen. Alles strahlt intensiv, ist glücksdurchflutet und erhält eine intensive räumliche Dimension.

Wir können das Märchen weiter interpretieren. Dann könnte der alte Einsiedler tantrische Techniken praktiziert haben, wie wir sie im Hinduismus und im Buddhismus kennen. Das Zentrum des tantrischen Weges ist der Gottheiten-Yoga. Man visualisiert sich als Buddha, als Gott oder Göttin, als erleuchtet. In einem zweiten Schritt visualisiert man seinen Umwelt als Reines Land, als Paradies. Man erkennt alles als richtig so wie es ist.

Egal wie arm man äußerlich ist, das Leben kann durch spirituelle Techniken in ein Glücksleben verwandelt werden. Im Tantra-Yoga gibt es dafür viele Techniken. Vorwiegend wird mit Mantren, Visualisierungen, Atemübungen und Körperhaltungen gearbeitet. Im Wesentlichen geht es darum die Chakren zu aktivieren und die Erleuchtungsenergie zum Fließen zu bringen. Diese Techniken waren den Verfassern der Märchen bekannt. Sie kannten die Chakren, die innere Energie, die Mantren und verwendeten die Märchengeschichten als Visualisierungshilfen. Wenn wir das Märchen visualisieren und uns mit dem alten Mann oder dem jungen Mädchen identifizieren, ihr Glück in uns spüren, auch unsere Welt als glücklich erkennen, dann kann das Glücksgefühle in uns erwecken und uns innerlich glücklich machen. Die Wirkkraft der Märchen beruht letztlich darauf, dass es sich um Erleuchtungsgeschichten handelt.

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