Das Meerhäschen, der Weg der Selbsterkenntnis

Es war einmal eine Königstochter, die lebte in einem großen Schloss auf einem Berg. Im Schlossturm waren zwölf Fenster, die in alle Himmelsrichtungen zeigten und durch die sie ihr ganzes Reich überblicken konnte. Ihr Vater war tot und sie war die Alleinherrscherin über ihr Königreich. Und das wollte sie auch bleiben. Sie wollte ihre Herrschaft nicht mit einem Mann teilen. Deshalb hatte sie beschlossen, nicht zu heiraten. Sie wollte immer Single bleiben.

Da sie sehr schön war, baten viele Prinzen um ihre Hand. Sie erklärte, dass nur der sie heiraten dürfe, der sich so gut verstecken könne, dass sie ihn nicht finden könnte. Sie glaubte, dass es unmöglich wäre diese Aufgabe zu lösen, weil sie durch ihre zwölf Fenster alles in ihrem Reich sehen konnte.

Neunundneunzig Prinzen hatten bereits ihr Glück versucht. Aber alle waren gescheitert. Zur Strafe waren sie alle enthauptet worden. Ihre Köpfen spießten auf Stangen rund um den Palast. Deshalb traute sich lange Zeit kein Mann mehr die Königstochter zu heiraten.

Doch eines Tages klopfte ein schöner junger Mann an die Palasttür. Er war mutig und optimistisch. Er war überzeugt, dass er es schaffen könnte. Da er der Königstochter sehr gefiel, bewilligte sie ihm drei Versuche.

Der junge Mann war ein Tierfreund. Er hatte unter den Tieren drei enge Freunde, einen Raben, einen Fisch und einen Fuchs, Zuerst bat er den Raben ihn zu verstecken. Der Rabe nahm ein leeres Vogelei. Der junge Mann kroch dort hinein und der Rabe legte es in sein Nest.

Dieses Versteck war so gut, dass die Königstochter es erst entdeckte, als sie durch das elfte Fenster blickte. Jetzt hatte der junge Mann noch zwei Versuche. Als zweites fragte er den Fisch nach einem guten Versteck. Der Fisch nahm ihn in seinen Mund und versteckte ihn auf dem Meeresgrund. Aber die Königstochter fand dieses Versteck, als sie durch das zwölfte Fenster sah.

Jetzt bekam der junge Mann doch Angst um sein Leben. Aber er vertraute auf die Weisheit des Fuchses. Der Fuchs ging mit ihm zu einer Quelle, die mitten im Wald lag. Er tauchte mit dem jungen Mann in diese Quelle ein. Dadurch verwandelten sie sich. Der Fuchs wurde zu einem Tierhändler und der junge Mann zu einem kleinen Meerhäschen.

Der Tierhändler stapfte die Treppen hoch zur Königstochter und erklärte, dass er etwas Besonderes für sie zu verkaufen hätte. Er zeigte ihr das süße kleine Meerhäschen. Die schöne Königstochter fand Gefallen daran und machte es zu ihrem Lieblingsspielzeug. Als die Zeit der Prüfung kam, schmuste das Meerhäschen mit der Königstochter und kroch dann unter ihren Zopf.

Die Königstochter blickte durch alle zwölf Fenster in alle Himmelrichtungen, aber sie konnte das Versteck des jungen Mannes nicht entdecken. Sie kam nicht auf die Idee bei sich nachzusehen. So konnte der junge Mann sein Leben bewahren und die schöne Königstochter heiraten. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und tanzen glücklich durch ihr Leben.

Was sagt uns diese Geschichte? Das Glück ist nicht im Außen zu finden. Frau muss es in sich selbst suchen. Sie trägt ihren Traumprinzen in sich selbst. Alle äußeren Versuche sind letztlich zum Scheitern verurteilt. Das dauerhafte große Glück kann sie nur in sich selbst finden. Wenn sie in sich selbst glücklich ist, dann kann sie auch das Glück im Außen finden. Ansonsten wird es immer nach kurzer Zeit ihren Fingern entgleiten.

Diese Erkenntnis entspricht der heutigen Glücksforschung. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass 90 % des Glücks eines Menschen aus seiner Psyche kommen. Die eigene Psyche eines Menschen bestimmt, wie glücklich er in seinem Leben wird. Jeder Mensch lebt auf einem bestimmten Glücksniveau. Er kann für eine kurze Zeit etwas glücklicher oder unglücklicher sein. Äußere Dinge können ihn für kurze Zeit glücklich oder unglücklich machen. Aber dann wird ihn seine Psyche immer wieder auf sein persönliches Glücksniveau zurückführen.

Wir müssen an uns selbst arbeiten, wenn wir in unserem Leben glücklich sein wollen. Wir müssen auf unsere Gedanken achten, denn die Gedanken bestimmen, welche Gefühle wir überwiegend haben. Wenn wir überwiegend negativ denken, werden wir überwiegend in Gefühlen von Wut, Angst, Trauer oder Depression leben. Wenn wir positiv denken, dann werden wir überwiegend Frieden, Glück und Liebe erfahren.

Die große Kunst ist es konsequent und ausdauernd an den eigenen Gedanken zu arbeiten. Wir sollten unsere Psyche jeden Tag immer wieder positiv ausrichten. Wir sollten dankbar sein für das, was wir in unserem Leben haben. Wir sollten uns auf positive Ziele konzentrieren. Wir sollten die Dinge so annehmen wie sie sind und die Liebe zum Mittelpunkt unseres Lebens machen. Am besten richten wir unser Leben auf das Ziel der spirituellen Selbstverwirklichung, der mystischen Hochzeit und des dauerhaften inneren Glücks aus.

Die Geschichte vom Meerhäschen verweist uns auf die Lehre von den fünf Elementen Erde, Feuer, Wasser. Luft und Raum. Die zwölf Fenster symbolisieren das Raumbewusstsein. Wenn wir gleichzeitig in alle Himmelsrichtungen blicken und an allen Orten anwesend sein können, dann haben wir ein Einheitsbewusstsein. Das Einheitsbewusstsein ist die Essenz der Erleuchtung. Das Ego löst sich dadurch auf und es entsteht inneres Glück. Das Raumbewusstsein führt uns zur mystischen Hochzeit.

Dafür müssen wir die vier Eigenschaften Liebe, Frieden, Weisheit und Selbstdisziplin üben. Der Fuchs als Erdtier verkörpert im Märchen die Eigenschaft Weisheit. Diese Eigenschaft ist am wichtigsten. Wir brauchen Zielklarheit und ein gutes Gespür für uns selbst. Dann können wir das innere Glück verwirklichen. Wichtig sind aber auch Selbstdisziplin, Frieden und Liebe. Für die Selbstdisziplin steht der junge Mann. Er geht konsequent seinen Weg der Liebe. Der Rabe zeigt durch das Ei an, dass er im Märchen den inneren Frieden symbolisiert. Das Ei ist das kosmische Ei. Der junge Mann fügt sich in den Kosmos, die Natur, das Leben ein. Er nimmt die Dinge so an wie sie sind und bewahrt dadurch seinen inneren Frieden. Der Fisch bringt uns in Kontakt mit unserer Gefühlswelt, unseren inneren Energien und damit letztlich mit der Liebe.

Für die Liebe steht auch das Meerhäschen. Wobei die Frage auftaucht, was genau ein Meerhäschen ist. Dieses Wort wird in der heutigen Sprache nicht mehr verwendet. Sehen wir es als ein kleines Häschen. Vielleicht ist damit auch ein Meerschweinchen gemeint. Egal. Jedenfalls ist es ein süßes kleines Tier, mit dem man kuscheln kann und das jedermann liebt. Das Zentrum der spirituellen Liebe besteht allerdings nicht darin, dass man geliebt wird, sondern dass man im Lieben lebt. Geben macht seliger als Nehmen. Das ist in allen Religionen bekannt. Diesen Grundsatz kannten auch unsere Vorfahren, die Verfasser der Märchen. Umfassende Liebe, ein Leben des Gebens, ist der schnellste Weg zur Erleuchtung.

https://mystiker2.wordpress.com/2021/10/12/das-spirituelle-marchenbuch-die-schonsten-marchen-und-ihre-bedeutung/

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