Es war einmal eine Königin, die war sehr ehrgeizig. Sie wünschte sich einen Sohn, der ein mächtiger Herrscher werden würde. Sie gebar auch einen Sohn. Doch leider entsprach ihr Kind nicht ihren Erwartungen. Statt für Macht und Reichtum interessierte sich der junge Prinz nur für Wein, Weib und Gesang. Er war ein richtiger Nichtsnutz und Faulpelz. Er tat nichts anderes als den ganzen Tag faul herumzusitzen und Spaß zu haben. Und auch das interessierte ihn nicht wirklich. Er suchte nach dem inneren Glück. Er suchte das Glück auf dem inneren und nicht auf dem äußeren Weg.
Sein Vater, der alte König, konnte ihn so annehmen wie er war. Er akzeptierte es, dass sich sein Sohn eher mit geistigen als mit weltlichen Dingen beschäftigte. Aber seine Mutter, die Königin, war sehr unzufrieden mit ihm. Sie beschimpfte ihn sogar mit den Worten: „Du bist ein Esel.“ Und als der Prinz in einen Brunnen blickte, sah er dort tatsächlich das Bild eines Esels. Er erkannte, dass er aus weltlicher Sicht wirklich ein Esel war. Der Prinz nahm seine Rolle an und beschloss als Esel zu leben. Er erklärte allen Menschen, dass er ein Esel sei. Er fühlte sich sogar mit seiner Rolle als Esel sehr wohl, weil er so seinen weltlichen Pflichten als Königssohn entkommen und auf seine Art leben konnte.
Auf der Suche nach seinem spirituellen Weg entdeckte er die Musik als seine Haupttechnik. Durch das Singen der Namen Gottes konnte er immer wieder ins innere Glück durchbrechen. Er ging er zu einem bekannten Spielmann und wollte von ihm das Laute spielen erlernen. Doch der Meister sprach: „Wie kann ein Esel eine Laute spielen? Du hast viel zu ungeschickte Hände dazu.“ Der Prinz glaubte an sich selbst und meinte: „Mit Ausdauer und Talent werde ich es schaffen.“ Und tatsächlich wurde der Prinz nach einiger Zeit ein sehr guter Musiker.
Eines Tages hörte der Prinz von der Schönheit der Prinzessin des Nachbarkönigreiches. Sie wurde von allen Spielleuten des Reiches begeistert besungen. Als er ein Bild von der Prinzessin sah, war es um ihn geschehen. Er hatte sich verliebt. Er verließ das Königreich seines Vaters und machte sich auf den Weg zum Schloss der schönen Prinzessin. Er setzte sich an das Schlosstor und sang sehnsüchtige Liebeslieder.
Das hörte der Vater der Prinzessin. Er war sehr angetan von dem schönen Lautespiel und machte den Prinzen zu seinem Hofmusiker. Er durfte sogar mit an der Tafel des Königs sitzen und mit der Prinzessin zusammen speisen. Die Prinzessin wunderte sich über das gute Benehmen des Musikers. Sie wusste ja nicht, dass er als Prinz aufgewachsen war und sich mit den Sitten an einem Königshof gut auskannte. Da der Prinz sich auch geistvoll und lustig mit ihr unterhalten konnte, gewann sie ihn mit der Zeit lieb.
Der König fragte ihn: „Ich weiß, dass Musiker gerne umherziehen. Was kann ich tun, damit du an meinem Königshof bleibst? Möchtest du gut verdienen und viel Geld besitzen?“ „Nein,“ antwortete der Musiker, „Geld interessiert mich nicht.“ „Möchtest du mein Königreich haben und ein König werden?“ „Auch das begehre ich nicht,“ wies ihn der Musiker ab. „Möchtest du vielleicht meine Tochter zur Frau,“ versuchte es der König noch einmal. Und diesmal traf er ins Schwarze. Erfreut rief der Musiker: „Genau das wünsche ich mir!“
Die Königstochter hätte zwar lieber einen richtigen Prinzen als einen Esel zum Mann gehabt. Da ihr der Musiker aber ansonsten gut gefiel, willigte sie in die Heirat ein. Und da geschah das Wunder. In der Hochzeitsnacht legte der Prinz seine Eselshaut ab und vor ihr stand ein stattlicher Mann. Sie liebten sich die ganze Nacht und am Morgen verbrannte die Königstochter die Eselshaut. Sie ließ ihm königliche Kleider bringen. Jetzt konnten alle seine wahre Größe erkennen. Seine Mutter versöhnte sich mit ihm und sein Vater übergab ihm sein Königreich. Sie bekamen viele Kinder und lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.
Jeder darf seinen spirituellen Weg gehen. Unser Eselchen bevorzugte es unauffällig zu bleiben und seine Erleuchtung geheim zu halten. Erst die Prinzessin zwang ihn dazu sich der Welt als Erleuchteter zu zeigen. Ob er damit glücklich geworden ist? Vermutlich wird er einen Weg gefunden haben, ein König zu sein und gleichzeitig ausreichend auf seine Art, als Musiker, als Narr und als Esel zu leben. Der große niederländische Philosoph Erasmus von Rotterdam lehrte: „Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.“ Wer etwas verrückt ist, hat mehr Spaß am Leben. Wir sollten es nur nicht übertreiben.
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Warum bist du so zornig?