Das blaue Licht

Es war einmal ein Soldat, der diente viele Jahre treu dem König. Eines Tages wurde er im Kampf verwundet. Da er jetzt nicht mehr kriegstauglich war, wurde er ohne Sold vom König entlassen. Da er kriegsversehrt war, konnte er keine Arbeit finden. So irrte er als armer Bettler durch das Land.

Eines Tages kam er in einen großen Wald. In der Mitte des Waldes stand ein Hexenhaus. Und aus diesem Haus schaute eine sehr schöne Hexe heraus. Die Hexe war jung schön und bot dem Soldaten Speise, Trank und ein Nachtlager an. Der Soldat freute sich über den freundlichen Empfang und fragte, ob er der Hexe auch etwas Gutes tun könne.

Die Hexe bat ihn ihren Garten umzugraben. Danach sollte er Holz hacken. Und zum Schluss musste er noch ihr blaues Licht heraufholen, das ihr in den Brunnen gefallen war. Die Hexe ließ ihn an einem Seil in einen wasserlosen Brunnen herab. Dort fand er das gewünschte blaue Licht. Inzwischen hatte der Soldat aber erkannt, dass sich hinter dem schönen Gesicht ein böses Wesen versteckte. Er vertraute seinem Gefühl. Er misstraute der Hexe. Deshalb bat er sie ihn erst ganz heraufzuziehen, bevor er ihr das blaue Licht überreichen würde.

Jetzt zeigte die Hexe ihr wahres Gesicht. Sie haftete so sehr an dem blauen Licht an, welches ein großes Geheimnis barg, dass sie ihre Wut nicht mehr kontrollieren konnte. Sie rief: „Verrotte im Brunnen.“ Dann stapfte sie wütend in ihr Hexenhaus. Der Soldat versuchte seinem Gefängnis zu entkommen. Aber der Brunnen war zu tief. Er konnte nicht herausklettern. Der Soldat dachte: „Dann werde ich wohl hier sterben.“ Er stellte sich auf den Tod ein. Für den Soldaten war der Tod ein gewohnter Anblick. Er hatte ihm auf dem Schlachtfeld schon oft ins Auge geblickt. Ihn schreckte der Tod nicht. Jeder Mensch musste einmal sterben. Das ist der Lauf der Welt. Seine Zeit war eben jetzt gekommen. Er zog ruhig seine Pfeife aus der Tasche, stopfte etwas Tabak hinein und zündete sie mit dem blauen Licht an.

Da erschien ihm plötzlich ein kleines blaues Männchen und fragte: „Was befiehlst du, Herr.“ Der Soldat wunderte sich, dass er mit Herr angesprochen wurde. Er war es gewohnt Befehle zu empfangen und nicht Befehle zu geben. Das geheimnisvolle Männchen erklärte ihm, dass es der Geist des blauen Lichts sei und dem Besitzer des blauen Lichts dienen müsse.

Der Soldat war begeistert von den neuen Möglichkeiten, die ihm das Leben bot. Als erstes befahl er dem blauen Männchen ihn aus dem Brunnen zu holen. Danach bekam der blaue Geist die Aufgabe, die böse Hexe zu töten. Das war dem Geist ein leichtes. Er erfüllte die Hexe mit seiner Energie und löschte sie so einfach aus. Als die Hexe tot war, ging der Soldat in das Haus der Hexe. Dort entdeckte er den großen Goldschatz der Hexe. Überall im Haus versteckt lagen Gold- und Silbermünzen, Diamanten und Smaragde. Jetzt war der Soldat reich. Er wanderte zur die Stadt, kleidete sich neu ein und bezog ein schönes Zimmer im besten Gasthaus.

Für ihn begann eine gute Zeit. Jeden Tag Essen und Trinken nach Herzenslust. Schöne Kleidung tragen und lustwandeln. Aber er fragte sich doch, was er jetzt außerdem mit seinem reichen Leben anfangen sollte. Ihm fehlte noch eine Frau. Da fiel im die schöne Tochter des Königs ein. Wenn er alle Macht der Welt hatte, warum sollte er dann nicht die schöne Königstochter bekommen? Der König war ihm noch seinen Lohn schuldig. Und das empfand der Soldat als seinen gerechten Lohn.

Er befahl dem Geist die schöne Prinzessin aus dem nahegelegenen Schloss zu holen. Mit seinen Zauberkräften bewerkstelligte der Geist diese Aufgabe mit Leichtigkeit. Die Prinzessin blieb die ganze Nacht bei dem Soldaten. Da der Soldat jung, humorvoll und inzwischen auch gut gekleidet war, unterhielten sie sich angeregt die ganze Nacht. Er hatte so viel erlebt und wusste so viel vom Leben. Die Prinzessin war bis jetzt immer im Schloss eingesperrt worden und hatte eine große Sehnsucht nach Abenteuern. Am Morgen brachte der Geist die Prinzessin zurück in ihr Schloss. Sie wachte auf und dachte, dass sie eine schönen Traum gehabt hatte.

In der nächsten Nacht geschah das Gleiche. Die Prinzessin und der Soldat kamen sich immer näher. Es kam sogar zum ersten Kuss. Leider berichtete die Prinzessin am nächsten Tag dem König von ihren merkwürdigen Träumen. Der König wurde misstrauisch.

In der dritten Nacht verliebte die Prinzessin sich in den Soldaten. Sie wollte keinen anderen Mann. Sie wollte nicht mit irgendeinem eitlen Prinzen zwangsverheiratet werden. Sie beschlossen gemeinsam aus dem Königreich zu fliehen und in der Fremde ein neues Leben zu beginnen.

Doch der misstrauische König hatte entdeckt, dass die Prinzessin nicht in ihrem Bett war. Er ließ sie von seinen Soldaten in der ganzen Stadt suchen. Und bevor der Soldat und die Prinzessin fliehen konnten, hatten die Männer des Königs das Liebespaar entdeckt und brachten den Soldaten ins Gefängnis.

Der König verurteilte ihn zum Tod am Galgen. Die Königstochter weinte jämmerlich. Sie fragte den Soldaten, wie sie ihm helfen könne. Der Soldat bat sie, ihm seine Pfeife und das blaue Licht aus seinem Zimmer im Gasthaus zu holen. Als er dann unter dem Galgen stand, wurde ihm ein letzter Wunsch gewährt. Der Soldat zündete sich die Pfeife mit dem blauen Licht an und sofort stand das blaue Männchen mit einem dicken Knüppel vor ihm.

Der Soldat befahl dem blauen Männchen ihn vom Galgen zu befreien und den König und seine Soldaten mit dem Knüppel zu verprügeln. Nach kurzer Zeit stand keiner der Männer mehr aufrecht auf seinen zwei Beinen. Sie lagen auf der Erde und jammerten vor Schmerz. Als der König merkte, dass ihm das gleiche Schicksal drohte, bat er den Soldaten um Gnade. Der Soldat sprach zu dem König: „Ich gewähre dir nur dann Gnade, wenn du mir deine Tochter zur Frau und dein Königreich als Besitz überträgst.“

Der König willigte er ein. Er übergab dem Soldaten seine Tochter und sein Reich. Dafür bekam er sein Leben geschenkt. Der Soldat wurde der neue König im Reich und die Prinzessin seine Frau. Beide waren sehr glücklich. Der Soldat regierte gut und gerecht. Er half den Armen und brachte das ganze Land zum Blühen.

Wie ist das Märchen zu verstehen? Da der Soldat wegen seiner Verletzung im äußeren Leben nichts mehr gewinnen konnte, wandte er sich dem inneren Weg zu. Er zog in die Abgeschiedenheit des Waldes und begann zu meditieren und an seinen Gedanken zu arbeiten (Holz zu hacken). Das Umgraben des Gartens ist ein Weg der Erdung. Es ist vergleichbar mit Buddha, der in der Meditation eine Hand zur Erde streckte. Dadurch öffnete er das Wurzelchakra. Die Energiequelle im Kundalini-Kanal (im inneren Brunnen) begann sich zu entfalten. Das blaue Licht ist Flamme der eigenen spirituellen Energie. Sie reinigt den Körper und verändert im Laufe der Zeit das Bewusstsein. Das Ego (die Hexe) stirbt, das innere Glück (Gold, Edelsteine) offenbart sich und es kommt zur mystischen Hochzeit. Der Mensch wird zum König im Königreich Gottes. Er wird ein Meister der spirituellen Energie und kann damit seinen Mitmenschen auf dem Weg des Lebens helfen.

Der Knüppel des blauen Männchens symbolisiert die Kraft und Selbstdisziplin, die man auf dem spirituellen Weg braucht. In der ersten Phase hat der Soldat mit seinen spirituellen Übungen (Kundalini-Yoga, Chakren-Meditation) seine spirituelle Energie erweckt und die Erleuchtung erlangt. Es kann dann aber noch Stolz in einem Menschen bestehen bleiben. In einer zweiten Phase muss der Stolz besiegt werden und man zu einem bescheidenen Diener seiner Mitwesen werden. Der Tod der Hexe ist der Tod des Egos und der Sieg über den König ist der Sieg über den Stolz. Der spirituelle Weg ist letztlich ein ewiger Weg. Wir können immer weiter an uns arbeiten, bis wir zu einem vollendeten Buddha, einer erleuchteten Gottheit, werden.

Die Geschichte erinnert mich an meinen Großvater. Er ist als junger Soldat für den deutschen Kaiser in den ersten Weltkrieg gezogen. Als Held in der Schlacht von Tannenberg wurde er sehr verehrt. Aber dann wurden durch eine Granate seine Füße zerstört und er konnte sein Leben lang nur mühsam humpeln. In der Weimarer Republik war er meistens arbeitslos und hatte kaum Geld. Er kämpfte sich durch das Leben, heiratet meine Großmutter und bekam meine Mutter als Kind und mich als Enkel. In der Zeit des Nationalsozialismus ging er in den Widerstand, riskierte sein Leben und kam beinahe in ein Konzentrationslager. Nach dem Krieg wurde er diesmal für seine Taten belohnt. Er bekam eine Anstellung als Verwaltungsangestellter. Jetzt hatte er genug Geld für ein einfaches Leben. Ich habe ihn in meiner Kindheit oft besucht. Er hat mir viele Geschichten erzählt. Leider kannte ich damals noch nicht den spirituellen Weg. So konnte er nicht sein inneres Gold entdecken. Da er ein guter und disziplinierter Mensch war, wird er im nächsten Leben ein gutes Karma erhalten und eines Tages auch den spirituellen Weg finden. Das wünsche ich ihm.

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