Aus einem Yogi wird ein Beziehungsmensch

Ein junger Mann hörte von dem Weg der Erleuchtung. Es begeisterte ihn dauerhaft im inneren Frieden, in der Liebe und im Glück zu leben. Es begeisterte ihn unermesslich viel Kraft zu haben, so dass er alle Herausforderungen des Lebens bestehen konnte. Es begeisterte ihn nach dem Tod ins Paradies im Jenseits aufzusteigen. An sich war er ein Atheist und glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod. Aber wenn es ein Leben nach dem Tod gab, warum sollte er dann nicht in einen Glücksbereich aufsteigen? Am wichtigsten war ihm das Ziel der Erleuchtung. Die Frage des Weiterlebens der Seele nach dem Tod beschäftigte ihn nur am Rande.

Der junge Mann begann sich gründlich über den Weg der Erleuchtung zu informieren. Er las viele Bücher und besuchte viele erleuchtete Meister. Er meditierte jeden Tag drei Stunden und arbeitete an seinen Gedanken. Nach einiger Zeit hatte er sein erstes Erleuchtungserlebnis. Da wusste er, dass die Erleuchtung das richtige Ziel für ihn war. Jetzt brauchte er nur noch den persönlich zu ihm passenden spirituellen Weg. Dabei beschäftigte ihn eine große Frage. Muss man alleine leben, um zur Erleuchtung kommen zu können? Oder kann man die Erleuchtung auch in einer Beziehung erreichen?

Buddha hatte gelehrt, dass man als Haushälter, also mit einem Beruf und einer Beziehung kaum aus dem Traum des weltlichen Leben (Samsara) erwachen kann. Er verließ deshalb im Alter von 29 Jahren seine Frau und seinen Sohn und wurde ein Yogi. Sechs Jahre lebte er abgeschieden im Wald mit einer kleinen Gruppe von Asketen und praktizierte intensiv Yoga und Meditation. Dann gelangte er zur Erleuchtung. Das war eine relativ kurze Zeit für die Zielerreichung. In den Yogaschriften werden zwölf Jahre als normaler Übungszeitraum angegeben. Aber Buddha hatte vermutlich in früheren Leben schon viel spirituell praktiziert. Laut buddhistischer Lehre soll er vor seiner Erleuchtung viele Leben als Bodhisattva verbracht haben. Der indische Meister Sathya Sai Baba meint, dass man zur vollständigen Buddhaschaft mindestens drei Leben des intensiven spirituellen Übens braucht.

Die indische Meisterin Amma (Amritanandamayi Ma) hat erklärt, dass man ohne eine Beziehung fünfmal schneller spirituell wächst. Sie toleriert Beziehungen, empfiehlt es aber als Swami (Mönch oder Nonne) zu leben. Das entspricht auch der Lehre Buddhas. Andererseits gibt es im Hinduismus und im Buddhismus auch den tantrischen Weg. Ein Tantriker nutzt alle Möglichkeiten des Lebens um spirituell zu wachen. Er lehnt auch Sex und Beziehungen nicht ab. Es gibt in der Spiritualität sehr unterschiedliche Modelle. Im Christentum wurde jahrhundertelang das Mönchtum propagiert. Heutzutage gibt es aber nur wenige Menschen, die als Mönch oder Nonne leben wollen. Allerdings gibt es auch kaum noch erleuchtete Christen. Der tibetische Buddhismus ist zwar ein tantrischer Weg, aber er beruht grundsätzlich auf dem Mönchtum. Im indischen Yoga gibt es viele Asketen ohne eine Beziehung. Im westlichen Yoga dagegen gibt es kaum Mönche und Nonnen. Ebenso ist es im westlichen Buddhismus. Der westliche Buddhismus ist vorwiegend eine Laienbewegung.

Der junge Mann wälzte diese Frage in seinem Inneren hin und her. Dann entschied das Leben für ihn und brachte ihn auf den Weg des abgeschieden lebenden Asketen. Sechs Jahre nachdem er seinen spirituellen Weg begonnen hatte, zerbrach seine langjährige Beziehung. Wie Buddha verließ er seine Frau und seinen Sohn und zog in die Abgeschiedenheit. In einer kleinen Hütte im Wald lebte er dreißig Jahre als einsamer Yogi. Es gab viele Durchbrüche zur Erleuchtung, aber die dauerhafte Erleuchtung stellte sich nicht ein. Andererseits blieb der Beziehungswunsch in ihm bestehen. Er mochte es nicht alleine zu leben und war oft traurig. Sollte er den Rest seines Lebens jetzt weiterhin alleine leben und intensiv spirituell praktizieren? Oder sollte er jetzt einen mittleren Weg beschreiten und das Leben etwas mehr genießen?

Er betrachtete genau seine Situation. Seine Kundalini-Energie war vor vielen Jahren erwacht und reinigte ihn spirituell weitgehend von alleine. Er brauchte nicht mehr so extrem spirituell zu üben. Es war gut für ihn das Leben etwas mehr zu genießen. Andererseits merkte er schon, dass er im Kontakt mit anderen Menschen viel spirituelle Energie verlor und sich sein spirituelles Wachstum verlangsamte. Mit einer Beziehung würde er vielleicht noch mehrere Leben zur Erleuchtung brauchen. Aber er würde dann auch nicht so sehr unter der Einsamkeit leiden und viel schönere Leben haben. Und des Weiteren hatte er das Bodhisattva Gelöbnis abgelegt und beschlossen gemäß der Lehre des Mahayana als Bodhisattva zu leben. Als Bodhisattva würde er ohnehin noch mehrere Leben auf der Erde haben. Für einen Bodhisattva kann eine Beziehung hilfreich sein, weil man in einer Beziehung gut ein positives soziales Miteinander lernen kann. Als Eremit wird man auf die Dauer sozial merkwürdig. Das konnte der Mann auch bei sich beobachten. Also entschied er sich im Alter von 66 Jahren ein Frau zu suchen. Er beschloss auch in seinen folgenden Leben einen gemischten Weg aus Asketentum und Beziehung zu gehen. Sein Vorbild war der Yogagott Shiva, der im ständigen Wechsel von abgeschiedener Meditation und der Beziehung mit seiner Frau Parvati lebt.

Wie findet mann in der heutigen Zeit eine Frau? Natürlich in einer Partnerbörse im Internet. Also meldete sich der Mann in einer Singlebörse an. Das war für einen alten Asketen ohne große Computererfahrung ein großes Abenteuer. Und dazu war er noch ziemlich verschroben und sah sich eigentlich als beziehungsunfähig an. Er hörte, dass viele Menschen jahrelang erfolglos im Internet auf Partnersuche sind. Er hatte keine große Hoffnung eine Partnerin zu finden. Aber seine erleuchteten Meister befürworteten offensichtlich seinen Beziehungswunsch und schickten ihm die passende Frau. Bereits beim ersten Date funkte es.

Die Frau war schön und der Mann alt und hässlich. Sein Äußeres war auch eher unattraktiv. Die Frau war zuerst nicht sonderlich von ihm angetan. Aber sie hatte schon fünfzehn Jahre erfolglos im Internet nach einem Partner gesucht. Zwar hatte sie als schöne Frau viele Männer kennengelernt. Aber mit keinem hielt die Beziehung längere Zeit. Also hatte die Frau beschlossen ihre Suche aufzugeben. Sie wollte es nur noch ein einziges Mal probieren. Und genau jetzt traf sie auf den merkwürdigen Yogi. Da sie auch spirituell interessiert war und viele Jahre bei verschiedenen erleuchteten Meistern verbracht hatte, konnten sich die beiden gut unterhalten. Beide konnte ihre früheren Leben sehen und begriffen, dass sie sich bereits aus einem früheren Leben in Indien her kannten. Und als der Mann die Frau zum Abschied umarmte, spürte sie seine starke Energie, die sich in den vielen Jahrzehnten des spirituellen Übens aufgebaut hatte. Sie begriff es zuerst noch nicht, aber sie war verliebt. Den großen Durchbruch gab es dann, als der Mann auf die Idee kam mit der Frau shoppen zu gehen. Sie durfte sich alles kaufen, was sie wollte. Dadurch öffnete sich ihr Herz und der Mann bekam einen Platz darin. Und jetzt wollen sie nächste Woche nach einigen Jahren des Kennenlernens zusammenziehen. Aber das ist eine neue Geschichte, die erst in einer Woche beginnt.

 

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Kommentare

  • Was für eine berührende Geschichte und wie schön für euch. 

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