Es war einmal ... In Amerika ...
dort, wo die Menschen nicht mit der Bahn fahren, wenn sie weite Strecken hinter sich bringen wollen. Sie benutzen Überlandbusse, die Greyhound-Busse, wie es sie heute noch gibt.
Eines Tages stand dort am Terminal wieder einer dieser Greyhound-Busse, um die Strecke von der Ost- bis zur Westküste zurückzulegen. Der Motor lief, das Gepäck wurde verstaut und langsam füllte sich der Bus mit Fahrgästen. Es dauerte keine dreißig Minuten und der Bus setzte sich in Bewegung. Zunächst einmal ging es aus der Stadt heraus und dann auf den Highway. Endlose Strecken und viele Stunden wird es dauern bis die Westküste erreicht ist.
Das Geräusch des Motors war monoton, Fahrgäste unterhielten sich leise und nach und nach wurde es im Bus immer lauter.
In der sechsten Reihe gab ein Fahrgast seinen Nachbarn Getränke und man unterhielt sich über Beruf, Zweck und Ziel der Reise. Es kam eine richtig fröhliche und ausgelassene Stimmung auf.
Ein älterer Herr ging durch den Gang, um sich die Füße zu vertreten und da fiel ihm in der letzten Reihe ein Mann auf, der nur einfach still da saß und aus dem Fenster schaute.
Etwas schien ihn zu bedrücken.
So setzte sich der Alte neben ihn und fragte ihn, ob er Sorgen habe und ob er helfen könne.
"Wissen Sie, ich komme gerade aus dem Gefängnis und bin auf dem Weg nach Hause zu meiner Frau", sagte der Mann.
"Na guter Mann, dann seien Sie doch fröhlich und feiern Sie mit uns. Was vorbei ist ist vorbei und jetzt liegt ein neues Leben vor Ihnen", erwiderte der alte Mann.
"Wissen Sie, so einfach ist das Ganze nicht. Ich wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt und das ist eine lange Zeit. Und ich habe eine hübsche Frau und so eine hübsche Frau wartet bestimmt nicht acht Jahre auf einen Verbrecher. Nach einem Jahr hatte ich ihr einen Brief geschrieben, dass ich sie freigebe. Sie brauche nicht auf mich zu warten und darf tun und lassen was immer sie will."
Der Mann holte tief Luft, schaute auf den Boden und erzählt weiter:
"Vor einem Monat habe ich meiner Frau geschrieben, dass ich jetzt aus dem Gefängnis entlassen werde und dass ich mich in den Greyhound setzen werde, um zur Westküste zu fahren. Diese Strecke führt direkt an unserem Dorf vorbei, wo meine Frau wohnt. Vor unserem Dorf, direkt an der Strasse da steht ein großer Eichenbaum, den man schon von weitem sehen kann. Als wir noch jung und verliebt waren, haben wir viel Zeit unter diesem Baum verbracht."
Wieder holte er tief Luft - es fiel ihm schwer weiter zu reden:
"Ich habe ihr geschrieben, sie soll ein gelbes Band in den Eichenbaum binden, wenn sie möchte, dass ich zu ihr zurück komme. Ich werde dem Busfahrer dann sagen, dass er anhalten soll und ich steige aus, um zu meiner Frau zu gehen. Wenn kein gelbes Band im Baum hängt, dann bleibe ich sitzen und fahre weiter, bis der Bus nicht mehr weiter fährt. Ich werde dann dort an der Küste versuchen, mir ein neues Leben aufzubauen."
Der alte Mann war sehr ergriffen von dieser Geschichte und wusste nicht, wie er da weiterhelfen kann. So blieb er einfach sitzen und eine ganze Weile saßen sie schweigend nebeneinander und schauten auf den Boden.
Die Zeit verging. Der alte Mann saß längst schon wieder auf seinem Platz. Er hatte die Geschichte weiter erzählt und nach und nach wußten immer mehr Fahrgäste von der Geschichte des Mannes in der letzten Reihe. Wo noch vor einiger Zeit reges Treiben war, herrschte jetzt Nachdenklichkeit und Stille. Es war nur noch das eintönige Fahrgeräusch des Busses zu hören.
Alle dachten darüber nach, was jetzt wohl in dem Mann vorgeht, worüber er nachdenkt:
Wird in dem Eichenbaum ein gelbes Band hängen oder nicht?
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Die Fahrt würde noch lange dauern.
Das Dorf ist noch weit.
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So verging Stunde um Stunde in einem Bus voll mit schweigenden Menschen.
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Was wird die Frau machen?
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Was wird aus dem Mann, wenn die Frau ihn nicht mehr möchte?
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Mittlerweile wusste auch der Busfahrer Bescheid, so oft wurde er gefragt,
ob er nicht etwas schneller fahren könne.
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Endlos schien die Fahrt zu werden.
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Wird ein gelbes Band im Baum hängen?
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Irgendwann nach endloser Zeit, da war es bald soweit.
Der Bus musste nur noch drei Anhöhen nehmen und man würde den Eichenbaum sehen können.
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Mühsam nahm der Bus die Steigung.
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Endlich, nur noch zwei Anhöhen.
Die Augen der Fahrgäste waren nach vorne gerichtet.
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Jetzt ging es wieder rauf.
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Stille im Bus.
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Endlich, auch diese Anhöhung war geschafft.
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Jetzt nur noch dieser eine Berg.
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Aber zunächst musste der Bus erst runter runter fahren.
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Dieser letzte Hügel und man würde den Baum sehen können.
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Wird im Baum ein gelbes Band hängen, oder nicht.
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Langsam quält sich der Bus aufwärts.
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Aber es geht vorwärts und der höchste Punkt ist bald erreicht.
Was wird man sehen können?
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Vorne sind die Fahrgäste aufgestanden, weil sie als erstes den Baum sehen wollen.
Andere Fahrgäste stehen auf um sich nach vorne zu drängeln.
Der Busfahrer wird angewiesen, dass er doch schneller fahren soll.
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Nur noch wenige Meter ...
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Plötzlich ... ein Aufschrei ....
Der Baum ist zu sehen ....
Die Leute jubeln und fangen an zu springen ...
Sie nehmen sich in die Arme ,,,,
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Der Eichenbaum ist von oben bis unten vollgehängt mit unzählig vielen gelben Bändern.
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Ich wünsche allen, dass sie erkennen mögen, an welcher Stelle im Leben ihnen ein Zeichen gesetzt wird.
Ich wünsche allen, dass sie das Angebot der Liebe annehmen.
Hierzu bedarf es ein Anhalten und ein Aussteigen aus gewohnten Lebensweisen.
Ich danke allen, die mich einen Teil meines Lebensweges begleitet haben.
Ich danke allen, die mit mir geredet haben und die mich gerüttelt haben.
Ich danke allen, die mir mir in diesem Bus saßen.
Ich wünsche allen ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Euer Peter
Antworten
Hallo Peter,
vielen Dank für diese wunderbare Geschichte! Zu Tränen rührend – der Mann mit seiner Idee und die Leute im Bus
mit ihrer Anteilnahme, wie sie alle mit dem Mann mitbibbern, und wie schließlich beim Anblick des gelb-geschmückten Baums ein Freudensturm losbricht. Tatsächlich, dieser Bus war durchzogen von Schwaden der Liebe und des Mitgefühls um den bangenden Mann herum, einem beschützenden Mantel gleich. Der entlassene Häftling, der soeben karge Gefängnisjahre hinter sich gelassen hatte, ihm schlug nun hier so viel menschliche Wärme entgegen, die sein Leid zumindest leichter erträglich gemacht hätten, falls die Antwort seiner Frau negativ gewesen wäre. – Allein das Gesehenwerden von so vielen netten, wohlmeinenden Mitreisenden, die auf ihn blickten, muss nach den entbehrungsreichen Zeiten, die er hinter Gittern durchlebt hatte, einen Hauch von Paradies an sich gehabt haben.
Om Shanti und herzliche Grüße, Devaki-ErikaHa