Neti – Wirkungsvolle Nasenreinigung im Yoga
Von Alexander Kobs
Vor langer Zeit wurden im Yoga sechs Reinigungstechniken (shatkarma) entwickelt, die an verschiedenen Körperbereichen ansetzen. Im Yoga werden vier Arten der Nasenreinigung benannt: Jala Neti, die Wasserreinigung; Sutra Neti, die Reinigung mit einem Faden oder Gummikatheter; Dughda Neti, die Reinigung mit Milch; Ghrita Neti, die Reinigung mit Ghee (geklärter Butter). Jala Neti ist die bekannteste dieser Techniken im Westen, deren Nutzen von immer mehr Menschen entdeckt wird – als natürliche, preisgünstige und wirkungsvolle Reinigungstechnik ohne negative Nebenwirkungen
Zunehmend leiden immer mehr Menschen in den Industrieländern an Erkrankungen der Nasenwege. Allein in Deutschland müssen pro Jahr etwa 50.000 Menschen an den Nasennebenhöhlen operiert werden. Weitere Probleme sind Krankheiten wie Allergien, Heuschnupfen, chronischer Schnupfen und Nasennebenhöhlenentzündungen. Ferner sind Reizungen und Verkrustungen durch Austrocknen der empfindlichen Nasenschleimhäute zu nennen, die sich in unseren oftmals trockenen und überheizten Räumen rasch entwickeln.
Die Nasenregion
Die gesamte Nasenregion wird in Sanskrit saphta-patha genannt – die sieben Wege. Sieben Öffnungen münden in diesen Körperbereich: zwei Nasenlöcher, zwei Tränengänge, zwei Euchstachsche Röhren sowie der Rachen. Zusätzlich finden wir dort die Mündungen der Stirn- und Kieferhöhlen. Über 20.000 Atemzüge gehen tagtäglich hin und zurück, und das freie und gute Funktionieren dieser Region hat beträchtlichen Einfluß auf unser mentales und körperliches Wohlbefinden.
Die Nase reinigt und befeuchtet die Luft und wärmt sie an, bevor sie in die Lunge gelangt. Diese Aufgaben werden von einer Schleimhaut übernommen, mit der unsere Nase und unsere Luftwege ausgekleidet sind. Mikroskopisch feine Härchen, die Cilien, transportieren durch rhythmische Bewegungen einen sich ständig erneuernden Schleimteppich laufend weiter in Richtung Rachenraum – einerseits aus den Bronchien und der Luftröhre, andererseits aus der Nase. Von dort aus gelangt das Sekret, in dem alle eingedrungenen Fremdkörper wie Staub und Bakterien aufgefangen worden sind, in den Magen und wird dort durch Enzyme neutralisiert. In diesen Selbstreinigungsprozeß sind ebenfalls die Nasennebenhöhlen mit einbezogen, die durch feine Kanäle mit dem Naseninnenraum verbunden sind.
Die Schleimhaut der inneren Nase hat somit eine wichtige Abwehrfunktion gegenüber Fremdkörpern und damit gegen Infektionen zu erfüllen. Ist das Schleimhautsekret zu dick, verfestigt oder zu flüssig, so kann der sofortige Abtransport der eingedrungenen Partikel und Mikroorganismen nicht mehr ausreichend erfolgen. Nasennebenhöhlenentzündungen und chronischer Schnupfen sind oft die Folge und bis in den Rachenraum und im Bereich der Mandeln kann es leicht zur Anhäufung von fremden Keimen und dadurch zu Infektionen (wie Halsschmerzen oder Mandelentzündungen) kommen.
Weitaus häufiger auftretende Probleme sind schmerzhafte Entzündungen der Stirnhöhlen und Nasennebenhöhlen, hervorgerufen durch eine Verklumpung der feinen Verbindungskanäle in dem Naseninnenraum. Durch fehlenden Luftaustausch kann es zu Druckproblemen (Unterdruck) und Schmerzen kommen. Eine Entzündung kann kommen, weil Sekret gestaut wird. Daraus entwickelt sich leicht eine bakterielle Infektion, weil Bakterien anschließend in die Nebenhöhlen hineinwachsen. Dann können Vereiterungen entstehen.
Die Nasenwäsche
Leicht gesalztes, lauwarmes Wasser fließt durch die Nasengänge und spült Verunreinigungen, Pollen, Viren, Bakterien usw. hinaus. Verkrustungen werden gelöst, und die normale Funktionsfähigkeit der Nasenschleimhaut wird wieder hergestellt. Durch die Nasenspülung werden die kleinen Öffnungen der Verbindungskanäle, die in die Nasenhöhle münden, freigehalten. Die Schleimhäute schwellen ab, die Nasenatmung wird wieder freier. Da die Nasenscheidewand nicht durchgängig bis zur Nasenwurzel ausgebildet ist, kann das Wasser durch einen Durchgang oben im Rachenraum hindurchfließen. Durch diesen Durchgang stehen beide Nasenflügel in Verbindung; das Wasser fließt in das eine Nasenloch hinein und aus dem anderen heraus.
Vielen Menschen ist die Vorstellung unangenehm, salziges Wasser durch ihre Nase fließen zu lassen. Wenn man sich jedoch in Erinnerung ruft, daß der Tränenkanal in den Nasenraum mündet, wird deutlich, daß dies keineswegs eine merkwürdige Angelegenheit ist: ein kontinuierlicher feiner Strom salziger Tränenflüssigkeit fließt ständig als eine natürliche Nasenwäsche in die Nase hinein. Körperwarmes, leicht gesalzenes Wasser ist also dem inneren Milieu der Nase vollständig angepasst.
Man braucht unter Umständen Zeit, die richtige Salzmenge herauszufinden. Der Salzgehalt sollte sich an dem Geschmack von Tränenflüssigkeit orientieren (physiologische Kochsalzflüssigkeit). Bei zuwenig oder zuviel Salz entsteht ein Brennen in der Nase. Nach einigen Versuchen und etwas Experimentieren findet sich die individuell richtige Salzmenge. Danach verschwindet jegliche Unannehmlichkeit. 9 g Salz auf 1 Liter Wasser (physiologische Kochsalzlösung) sollte die Richtschnur sein.
Einfaches, jodfreies Kochsalz genügt völlig für die Nasenwäsche; auch mit Emser Salz habe ich persönlich sehr gute Erfahrungen gemacht. Salz ohne chemische Trennmittel ist für besonders empfindliche Patienten zu empfehlen. Meersalz ist oft zu großklumpig, daher ist feineres Kochsalz vorzuziehen. Es muß darauf geachtet werden, daß sich das Salz wirklich vollständig aufgelöst hat.
Das gefüllte Nasenkännchen wird in ein Nasenloch geführt, man neigt den Kopf nach vorne über ein Waschbecken und etwas schräg zur Seite. Die Salzwasserlösung läuft von selbst ganz leicht aus dem anderen Nasenloch wieder heraus. Geatmet wird ruhig und regelmäßig durch den Mund. Wenn die Lösung in den Rachenraum teilweise abläuft, so ist die Kopfhaltung noch nicht völlig korrekt; eine leichte Haltungsänderung des Kopfes nach unten löst auch dieses Problem. Anschließend wird die Nase durch leichtes Ausschnauben getrocknet.
Indikationen:
häufig verstopfte oder "laufende" Nase
häufige Erkältungen
Neigung zur Entzündung der Nasennebenhöhlen
Neigung zur Entzündung der oberen Luftwege
Heuschnupfen
häufig auftretender Stirnhöhlenkatarrh
Tätigkeiten in staubigen, verschmutzten oder klimatisierten Räumen
häufige Ohrenschmerzen durch Entzündungen des Mittelohres
Kontraindikationen
Keine bekannt; bei Fenstern in den Nebenhöhlen und bei operativen Eingriffen im Nasenraum sollte vor der Nasenwäsche der Arzt befragt werden.
Wissenschaftliche Untersuchungen bei Erkältungskrankheiten
Einige Untersuchungen über Wirken und Nutzen der Nasenwäsche stehen bereits zur Verfügung. So untersuchten Wissenschaftler der medizinischen Hochschule in Hannover und der Universität Magdeburg die Wirkung der regelmäßigen Nasenspülung auf das Auftreten von Erkältungskrankheiten. 88 Rekruten der Bundeswehr stellten sich dafür zur Verfügung. 27 der jungen Soldaten spülten sechs Wochen lang morgens und abends nach dem Zähneputzen ihre Nase. Sie erkrankten deutlich seltener an Schnupfen, Hals-, Rachen- oder Mandelentzündungen als ihre 61 Kameraden, die nur ihre Zähne putzten. Die Anzahl der Krankentage verringerte sich auf ein Sechstel.
Die regelmäßige Anwendung der Nasenwäsche wirkt vorbeugend bei Erkältungskrankheiten, indem der ph-Wert der Nasenschleimhaut ins Basische verändert wird. Denn nur wenn die Schleimhäute zu sauer sind, d.h. der ph-Wert zu niedrig ist, können Virusorganismen überleben und sich in der Schleimhaut festsetzen. Ist der ph-Wert jedoch höher, stirbt der Virus; und nur dort, wo der Virus sich einen Weg in die Schleimhaut gebahnt hat, kann sich eine Infektion entwickeln. (Zeitschrift Bindu 1/1993) Die Gmünder Ersatzkasse GEK ist übrigens von der Nasenspülung so überzeugt, daß der Kassenzuschuß 100 % beträgt. (Focus 6/1999)
Die Wirkung auf die Koshas
Auf der Annamaya-Kosha wird die Atmung freier, und ein Gefühl von Klarheit und Sauberkeit stellt sich sofort ein. Insbesondere frühmorgens hilft es ungemein zum Wachwerden! Durch das rasche Ausschnauben der Nase werden Herz und Lunge angeregt. Bei aufkommenden Schnupfen mehrmals täglich spülen, so dass der Kopf "frei" bleibt und ein Infekt schneller abklingt. Geruchs- und Geschmacksempfinden verbessern sich deutlich, und es ist eine wichtige Vorbereitung für Pranayama und Meditation.
Der Atem ist die Brücke zwischen Körper und Geist. Wie wir atmen, so denken und fühlen wir. Wie wir fühlen und denken, so atmen wir. Den Atemfluss frei von Blockaden und Krankheit zu halten, ist nur eine der Aufgaben von Neti. Es verbessert zusätzlich die Pranaaufnahme, was mit einem Energieanstieg auf Pranamaya-Kosha und auf der Manomaya-Kosha deutlich spürbar ist. So trägt Neti seinen Teil dazu bei, Intuition auf der Buddhi-Hülle zu erwecken und deutlicher zu unterscheiden, was uns gut und was uns nicht gut tut. Somit bringt uns yogische Reinigung wieder einen Schritt voran hin zu mehr Klarheit über unsere Lebensaufgabe und zu unserem innersten Wesenskern.
Die 5 Koshas (Hüllen)
In der Yoga-Wissenschaft und Philosophie besteht der Mensch aus mehr als nur seinem Körper. Die Taittriya-Upanishad beschreibt den Menschen als von fünf Hüllen durchdrungen, die Koshas genannt werden. Der physische Körper ist der äußeren Hülle Annamaya-Kosha zugeordnet – die Hülle, die aus Essen gemacht ist. Nach dieser grobstofflichen Schicht kommt die Energieebene Pranamaya-Kosha und die mentale Geisthülle Manomaya-Kosha. Unterscheidungsfähigkeit und Intuition finden wir auf der nächst inneren Schicht Jnanamaya-Kosha (Buddhi). Unser innerster Wesenskern ist Atman – unteilbar, unzerstörbar, unsterblich. Diese eigentliche Lebensquelle ist von der fünften und innersten Hülle umgeben – Anandamaya-Kosha, der transzendenten Hülle der Glückseligkeit. Die Hüllen sind miteinander verwoben und beeinflussen sich gegenseitig. Reinigung auf einer Ebene wirkt dadurch auf mehrere Koshas und entwickelt so mannigfaltige Wirkung. Neti, die Nasenreinigung im Yoga, liefert dafür ein exzellentes Beispiel.
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