Wie ich Weihnachten feierte

Ich wachte auf. Die Glocken läuteten. Nicht wegen mir, sondern weil Weihnachten war. Hurtig aufstehen, dachte ich. Es ist Mittagszeit. Im Altersheim warten alle auf dich. Zur Klarstellung: Meine Mutter lebt im Altersheim. Nicht ich. Ich bin noch jung, laut Ausweis 63 und gefühlt 25. Schließlich bin ich Yogi. Yogis werden nicht alt. Sie bleiben immer jung, jedenfalls gefühlt. Dreimal am Tag renne ich durch den Wald und mache Feueratmung. Das hält fit. Außerdem meditiere ich viel. Dadurch entstehen innerer Frieden und Glück.

Fehlt nur noch die Liebe. Das ist etwas schwierig für einen abgeschieden im Wald lebenden Yogi. Zum Glück gibt es das Internet. Dadurch habe ich viele Freunde. Man kann chatten, skypen, telefonieren und sich manchmal auch besuchen. Und es gibt meine alte Mutter (91). Sie wurde vor einem Jahr dement, verlor ihr Gedächtnis und lebt seit einem dreiviertel Jahr im Altersheim. Sie ist derzeit mein Hauptweg des Karma-Yoga. Die regelmäßigen Besuche im Altersheim sind deutlich ein spiritueller Wachstumsweg. Ich treffe jede Woche die Menschen im Altersheim, tauche in die Leidenergie ein, übe Gleichmut und Mitgefühl. Und tue den Alten Gutes, wo ich es kann. Und wenn ich wieder zuhause im Wald bin, lade ich mich wieder mit guter Energie auf.

Die Lieblingstätigkeit meiner Mutter ist Singen. Das öffnet ihr Herz und macht ihre Seele froh. Also schenkte ich ihr zu Weihnachten einen Liederabend. Ich sang Weihnachtslieder zum indischen Harmonium. Und Kinderlieder, weil meine Mutter Kinderlieder am meisten liebt. Das erinnert sie an das Glück ihrer Jugend. Das macht sie glücklich. Meine Schwester war mit ihren beiden Söhnen aus dem Schwarzwald angereist. Meine Schwester ist auf dem Ökotripp und hat eine Ziegenherde. Sie lebt von der Herstellung von biologischem Ziegenkäse.

Zuerst gab es Geschenke. Ich öffnete meinen großen Rucksack und kramte viele schöne Dinge hervor. Ich legte sie auf den Tisch und jeder konnte sich nehmen, was er wollte. So machen wir es immer zu Weihnachten. So bekommt jeder sein Lieblingsgeschenk. Meistens sind so alle glücklich. Diesmal gab es Streit um die schöne weiße Buddhastatue, die ich in einer spirituellen Buchhandlung gekauft hatte. Alle wollten sie haben. Meine Schwester war am schnellsten. Zum Glück hatte ich noch zwei Buddhas in Reserve. So war letztlich jeder zufrieden. Eine alte Frau kam vorbei und wollte mitfeiern. Da ich immer viele Geschenke dabei habe, konnte ich auch sie erfreuen. Sie liebte Marzipan mit Schokale. Und genau das hatte ich auch in meinem Rucksack. So leicht kann man eine alte Frau glücklich machen. Gerade wenn sie nicht mit einem Geschenk gerechnet hat, weil keiner sie besucht. Aber ich bin für alle da und beschenke alle, wenn sie meinen Weg kreuzen.

Meine Mutter bekam eine Schachtel mit Pralinen. Sie kommentiere es mit ihrem Lieblingsspruch: "Ich bin alt und brauche nichts mehr." Aber die Lieder hat sie dann gerne als Geschenk angenommen. Ich kann zwar nicht singen und bin völlig unmusikalisch, aber im Familienkreis ist das egal. Alle singen manchmal schief und freuen sich, wenn es irgendwann einmal doch harmonisch klingt. Und mit dem indischen Harmonium brachte es besonders viel Spaß, weil es so ein interessantes Instrument ist und irgendwie alle schiefen Töne überdeckt.

Ich habe das Singen als spirituelle Tradition wieder entdeckt. Es ist schön im Familienkreis zu singen, besser als fernsehen oder sich streiten. Singen macht glücklich. Es reinigt die Chakren und öffnet das Herz. Und keiner muss perfekt sein. Perfektionismus ist eine Wahnidee der kapitalistischen Leistungsgesellschaft. Sie macht viele Menschen unglücklich, weil sie sich zu allem nicht gut genug fühlen. Ich zeige, dass man auch als völlig unmusikalischer Mensch Freude an der Musik haben kann. Und selber zu musizieren bringt mehr Spaß als nur von anderen gemachte Musik zu konsumieren. Im Internet schrieb mir eine Frau, dass sie durch mein Vorbild jetzt auch begonnen haben in der Familie zu singen. Das war mein schönstes Weihnachtsgeschenk.

Video: Die kleine Wanze, Drei Chinesen, Grün sind alle meine Kleider. Meine Schwester und ihr Sohn (Kamera) waren auch da. Nach und nach kamen einige Alte hinzu und sangen mit. So wurde es ein schönes Weihnachtsfest. https://www.youtube.com/watch?v=Mu8uG-H6ZmI

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Kommentare

  • Danke. Sehr schön. Eine gute Idee. Nameste Nils

  • Lieber Nils,
    mein Bobtailmädchen Paula und ich waren gestern auch im Altenheim, wo wir beide ehrenamtlich tätig sind.
    Paula ist ein Besucherhund.
    Wie sooft erlebt bei der dement Gruppe:
    Die Freude die wir geben kehrt ins eigene Herz zurück!
    So auch gestern Mittag.

    Namasté8703538891?profile=original

    lg Wuschel

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