Wie ein Yogi regiert

 

Wie ein Yogi regiert (Nacherzählt von Bhajan Noam)

 

In einem kleinen Königreich im alten Indien war es einst üblich, dass, wenn der Herrscher starb ohne einen Nachfolger zu hinterlassen, die Minister einen besonderen Palastelefanten auf die Straße ließen. Dieser Elefant fing sich nach eigenem Gefallen irgendjemanden auf der Straße ein, schwang ihn mit seinem Rüssel auf seinen Rücken, brachte ihn in den Palast und ohne weitere Fragen wurde dieser Mann dann zum König gekrönt. Einmal fing sich der Elefant einen armen aber weisen Yogi. Er wurde mit allem Prunk und großer Feierlichkeit zum Hofe gebracht. Der Yogi, der aus einer anderen Gegend stammte und von dem Brauch nichts wusste, war verwundert und fragte die Minister: „Was ist los? Warum habt ihr mich hergebracht?“ „Mein Herr, du sollst zum König gekrönt werden. So ist es Brauch bei uns. Der Palastelefant hat dich ausgewählt.“ „Nein, nein, ich möchte nicht König eines Königreichs werden. Seht, ich bin ein einfacher Yogi, ein Bettler, und ich bin ganz zufrieden mit meinem Leben. Warum soll ich mir die Last und den Ärger des Regierens antun?“ „Bitte, enttäusche uns nicht“, baten die Minister. Und so überredeten sie ihn mit vielen Höflichkeiten, den Thron zu besteigen.

 

Als König interessierte sich der Yogi jedoch überhaupt nicht für das, was im Königreich geschah. Wie zuvor an der Straße, saß er jetzt nicht anders auf seinem Thron und meditierte oder starrte schweigend Löcher in die Luft. Trotzdem war alles gut und es herrschte Wohlstand. Der Herrscher des Nachbarreiches hörte von dem neuen König, dass er ein Bettler war und offensichtlich recht einfältig. Er dachte bei sich, dies sei eine gute Gelegenheit das Königreich zu überfallen und einzunehmen. Die Minister, als sie von der Gefahr für das Land erfuhren, informierten sogleich den neuen Herrscher von dem Vorhaben des Nachbarherrschers. „Aber, warum möchte er unser Königreich überfallen? Was haben wir ihm denn getan?“ fragte der Yogi. „Wir wissen es nicht. Es gibt keinen sichtbaren Grund. Seine Armeen marschieren in unser Gebiet ein. Bitte gib uns deinen Befehl, damit wir sie bekämpfen können.“ „Nein, nein. Bleibt ruhig. Warum sollten wir kämpfen?“ sagte der Derwisch gelassen. Die Minister waren verwundert. Sie wussten nicht, was sie tun sollten.

 

Als der feindliche Herrscher feststellte, dass die Armeen des Gegners nicht zum Gefecht antraten, ging er selbst zum Palast und zum König. Dieser schaute gelassen seinem forschen Auftreten zu. Der feindliche König sprach „Oh Rajah! Ich bin gekommen, dich zu bekämpfen. Was sagst du nun?“ „Was hast du denn davon? Warum willst du uns bekämpfen?“ „Ich möchte dein Königreich erobern.“ „Oh Herrscher, dazu brauchst du doch meine Armeen nicht zu bekämpfen. Du kannst diesen Thron haben. Ich bin nur ein Yogi. Ich war immer ein Yogi und armer Mann. Ich gehe wieder weg. Komm, besteige diesen Thron. Von jetzt an bist du auch von diesem Königreich der Herrscher.“

 

Der feindliche König war beschämt. Völlig verwirrt warf er sich vor dem Yogi nieder, bat ihn um Verzeihung und bot ihm stattdessen sein eigenes Königreich an. So wurde der Heilige Herrscher beider Königreiche! Die Minister, die voller Ehrfurcht erstarrt waren, wurden hierdurch erleuchtet. Sie verstanden nun die Macht der Entsagung. Dem ganzen Land war ein Blutbad erspart geblieben und der Heilige gewann ein Königreich hinzu, ohne darum gebeten zu haben!

 

 

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