Shraddha ist zum einen ein wichtiger Aspekt im Yoga, auch ein wichtiger Aspekt im Leben, aber im Yoga gibt es keinen blinden Glauben. Die großen Yogameister sagen immer, du brauchst zunächst an nichts zu glauben, aber halte vieles für möglich. Und dann probiere es aus. Und wenn du Yoga übst, wenn du Meditation übst, wenn du den spirituellen Weg mit offenen Augen gehst, dann wirst du Erfahrungen machen. Und die Erfahrungen, die werden dann zu deinem Vertrauen führen. Also, das ist anders als in vielen Religionen, wo es darum geht, man soll einfach etwas glauben, einfach, weil es gesagt wird, und wenn man glaubt, dann kommt man vielleicht in den Himmel. Es ist im Yoga, wie auch z.B. im Buddhismus oder im Taoismus, so, dass es heißt, du brauchst an nichts zu glauben, fange erstmal an. Praktiziere, und wenn du praktizierst, kommst du zu Erfahrungen. Und auch, was du praktizierst, kannst du auf unterschiedliche Weisen deuten.

Auf einer anderen Ebene gilt aber, Shraddha ist schon auch wichtig. Menschen, die an nichts glauben und kein Vertrauen haben, die sind dann sehr schnell erschüttert. Heutzutage haben viele Menschen keine feste Grundlage für ihr Dasein und deshalb kommen sie leicht in Stress. Leben ist nun mal etwas Unsicheres, Leben ist nun mal so, dass es mal schöner ist, mal weniger schön, Dinge kommen, Dinge vergehen und es gibt so viele Veränderungen. Es ist gut, einen gewissen Shraddha zu haben, ein gewisses Vertrauen zu haben. Vertrauen basierend auf Erfahrung, Vertrauen basierend auf einer bestimmten Erkenntnis, letztlich auch, Vertrauen auf einer bestimmten Grundlage.

Und es ist gut, dir selbst bewusst zu werden: „Was sind meine festen Vertrauenssätze? Woran glaube ich?“ Und bei diesen dann zu bleiben. Vertrauen ist so das Gegenteil von Zweifel. Es ist gut, auch skeptisch zu sein, es ist gut, auch Zweifel zu haben, man soll eben Autoritäten nicht einfach so glauben und es ist gut, sich selbst auch öfters mal in Frage zu stellen. Es zeugt von einem gesunden Selbstvertrauen, einem gesunden Selbstwertgefühl, wenn man zwischendurch über sich selbst lachen kann und sich selbst Fehler zugestehen kann. Und das ist eine andere Art von Vertrauen, als wenn man jede Kritik gleich abwehrt, wenn man sagt: „So ist es halt.“

Also, Shraddha, in vielerlei Hinsicht eine komplexe Angelegenheit. Du kannst überlegen, letztlich, was sind deine Vertrauenssätze. Im Yoga gibt es einige Grundvertrauenssätze. Die heißen zunächst mal: Es gibt eine höhere Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist erfahrbar. Und das Ziel des Lebens ist es, diese höhere Wirklichkeit zu erfahren. Es gibt Praktiken, um diese höhere Wirklichkeit zu erfahren, sie zu erkennen, sie zu verwirklichen. Diese Praktiken wurden seit Jahrhunderten und seit Jahrtausenden gelehrt. Menschen haben seit Jahrhunderten und seit Jahrtausenden mittels dieser Praktiken die höchste Verwirklichung erreicht. Auch du kannst diese Praktiken üben. Auch du kannst die höchste Wirklichkeit erfahren und erreichen. Und wenn du die Praktiken gut gehst, wirst du sie erreichen. Und der Weg dorthin ist auch ein schöner.

Es stimmt zwar nicht ganz, dass der Weg das Ziel ist, aber das Schöne ist, wenn du das Ziel hast der höchsten Verwirklichung, dann ist auch der Weg dorthin schön. Das sind alles einige der Shraddhas, denen du vertrauen kannst. Wenn du dann nach guter Prüfung und nach gutem Überlegen jemanden als deinen Lehrer anerkennst, dann gilt es auch wieder, Shraddha zu haben. Du kannst sagen: „Ja, ich vertraue darauf, dass der Lehrer mich schon gut unterrichtet. Ich vertraue auch auf mich selbst, ich vertraue, dass ich selbst eine Unterscheidungskraft habe zwischen dem, was vielleicht der Lehrer aus der höchsten Wirklichkeit sagt und dem, was er nur aus einer Laune heraus sagt und was vielleicht menschlich unvollkommen ist. Ich habe ein Vertrauen, dass ich unterscheiden kann bei den Schriften.“

Also, das sind verschiedene Arten von Vertrauen. Und du kannst dir jetzt vielleicht selbst überlegen, was ist dein Shraddha, was ist dein Vertrauen. Und manchmal hilft es auch, wenn du nicht wirklich so ein Urvertrauen hast, einfach davon auszugehen, z.B. du kannst sagen: „Im nächsten Jahr werde ich Yoga so leben, als ob es eine höchste Wahrheit gibt. Ich werde für ein Jahr lang so praktizieren, als ob es die höchste Wahrheit gibt. Für ein Jahr werde ich meinem Meister folgen, als ob er tatsächlich ein Meister ist. Und ein Jahr lang werde ich es ausprobieren. Am Ende des Jahres werde ich schauen: „Was ergibt sich darauf.“ Das ist eine Form von Shraddha.

Shraddha gehört auch zu den sechs Shatsampat, also den sechs großen Reichtümern. Und diese sechs Shatsampat, diese sechs Reichtümer oder diese sechs großen Schätze, sind Teil des Sadhana Chatushtayas, der Vierheit des SadhanasSadhana Chatushtaya besteht aus Viveka – Unterscheidungskraft, Vairagya – Nicht-Anhaften, Shatsampat – die sechs edlen Tugenden der Gleichmut, und Mumukshutva – intensiver Wunsch nach Befreiung. Shatsampat besteht aus sechs: Shama – geistige Kontrolle, Dama – Sinneskontrolle, Uparati – Meiden des Unguten, Titiksha – Duldungskraft, etwas aushalten können, und fünftens Shraddha – Vertrauen, und sechsten ist dann Samadhana, die Gelassenheit, die kommt, wenn du die anderen fünf Shatsampats übst.

Vertrauen, wichtig, in allem im Leben ein gewisses Grundvertrauen zu haben. Und nochmals die Anregung, überlege dir selbst, was sind deine Grundglaubenssätze, die du für wahr halten willst? Worauf vertraust du? Was ist die Grundlage deines Seins?

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