Purvashrama ist der vorige Lebensstand

Purva heißt vorig, Ashrama heißt Lebensstand. Purvashrama – vorheriger Lebensstand. Was ist Lebensstand? Ashrama – es gibt vier Ashramas: Es gibt die Brahmacharya-Zeit, die Lernperiode, typischerweise acht bis zwölf Jahre bis zwanzig/fünfundzwanzig Jahre. Dann gibt es Garhasthya – das ist die Zeit, wo man im Berufs- und Familienleben ist, wo Kinder im Haus sind, was typischerweise bis fünfzig/sechzig ist. Dann folgt als drittes Vanaprasthya, das heißt, das Leben im Wald, die Frührente, könnte man sagen, von fünfzig/sechzig bis siebzig/achtzig. Und dann als letztes, Sannyasa, und Sannyasa ist dann die Entsagung, Leben als Mönch oder Nonne. Als Swami kannst du aber auch früher die Gelübde ablegen. Es gibt Menschen, die brauchen eben nicht zu warten, bis sie siebzig bis achtzig sind, um zum Swami zu kommen, manche Menschen haben eine innere Neigung für die monastische Berufung. Und so kann man auch schon früher zum Swami werden.

Z.B. bei Yoga Vidya sind wir in der Sivananda-Yoga-Tradition, damit in der Shankaracharya-Tradition, wer bei uns zum Swami werden will, der kann erst in einen Ashram gehen oder in ein Stadtzentrum, aber jedenfalls, er ist nicht mehr im normalen Berufs- und Familienleben, sondern er tritt dort aus. Dann ist er in einem Yoga Vidya Zentrum oder Ashram. Zunächst muss er mindestens ein Jahr dort leben und keine Beziehung haben, dann kann er Brahmachari werden und so das Noviziat ablegen. Als Brahmachari verspricht er, keine sexuelle Beziehung zu haben, verspricht, an sich zu arbeiten, regelmäßig in den Praktiken zu sein und alles zu tun, was so für die Aufrechterhaltung des Ashrams nötig ist, unterrichten, dienen usw. Und dann, nach sechs Jahren als Brahmachari, kann jemand auch zum Swami werden. Wenn jemand dann Swami ist, dann gibt es ein paar Regeln und es gibt ein paar klassische Regeln, es gibt sehr strikte Regeln. Bei Yoga Vidya folgen wir ein bisschen der Sivananda-Yoga-Vedanta-Tradition, die seit Swami Sivananda etwas sanfter dort ist. Früher hieß es, man darf nicht mit Purvashrama-Menschen zusammen sein, also man sollte nicht seine physische Familie besuchen, nicht mit Freunden zusammen sein, sollte auch nie mehr zu dem Ort gehen, wo man geboren wurde, um Verhaftungen zu vermeiden. Das waren die früheren klassischen Regeln.

Also, Purvashrama, man sollte nicht mit Menschen zu tun haben, die in einem früheren Lebensabschnitt wichtig waren, insbesondere, wenn sie nicht spirituell wichtig waren, insbesondere heißt das, die eigene Familie. Was es ja früher bei den katholischen Mönchsorden auch gab und bei den Nonnen, mindestens in einigen davon, dass die Verwandten sie nicht besuchen konnten. Auch im Katholizismus haben sich in den meisten Orden die Regeln etwas gelockert. Und auch heute beim Sivananda-Yoga ist es durchaus üblich, dass auch die Eltern, dass man normale Kontakte hat zu seinen Eltern. Dann gibt es auch die klassische Regel, man sollte über sein Purvashrama-Leben nicht sprechen. Also, man soll nicht sprechen darüber, wie es früher war. Man soll sich nicht zu sehr daran erinnern, denn eigentlich, im Moment der Swami-Einweihung verbrennt man seinen physischen Körper – symbolisch natürlich nur – man macht das Todesritual und so ist man gestorben für das frühere Leben und für das bisherige Leben. Und um diese Einsicht aufrecht zu erhalten, dafür sollte man nicht zu viel mit seinem Purvashrama-Leben zu tun haben. Bis heute gilt, wenn du ein Swami werden willst oder bist, dann gilt es durchaus, nicht zu viel mit der Verwandtschaft zu tun zu haben, nicht zu viel mit deinen Kindheits- und Jugendfreunden zu tun zu haben, nicht zu viel Zeit zu verbringen. Swami Vishnu hat uns durchaus gesagt, Eltern besuchen ist gut, eins, zwei Nächte bei ihnen zu bleiben, ist auch gut, länger sollte ein Swami nicht dort sein.

Du hörst daraus, ich war mal Swami. Und es ist gut, wenn Eltern einen besuchen, und wenn sie einen besuchen, dann sollte man sich eins, zwei Tage intensiv um die Eltern kümmern, danach weniger. Ähnlich mit anderen Verwandten. Ich selbst bin jetzt natürlich kein Swami, das siehst du daran, ich bin weiß gekleidet, nicht orange, und so gelten die Sannyas-Regeln nicht und jemand, der auf dem normalen spirituellen Weg ist, da gilt natürlich auch, du sollst Vater und Mutter ehren. Und die indischen Schriften sind auch voll von Beispielen, wie jemand die Selbstverwirklichung erreicht hat und dort sogar das Pflegen seiner Eltern, die bettlägerig waren, als wichtigen Bestandteil seines spirituellen Weges gesehen hat und durch dieses liebevollen Pflegen der eigenen Eltern zur höchsten Verwirklichung gekommen ist.

Und natürlich, auch in Indien gibt es die Mehrgenerationenhaushalte für den normalen Aspiranten, und so spricht auch für einen spirituellen Aspiranten nichts dagegen, mit seinen Eltern zusammen zu leben, entweder in der Nachbarschaft, im gleichen Haus, es gilt eben, zu schauen, was hilft für die spirituelle Entwicklung und was brauchen die Eltern, was braucht man selbst. Nur, für einen Swami gilt, dass er nicht zu viel über sein Purvashrama-Leben sprechen sollte, und es gilt für einen Swami, dass er nicht zu viel Kontakt mit Menschen aus seinem Purvashrama-Leben haben sollte, insbesondere dann, wenn sie nicht auf dem gleichen spirituellen Weg sind.

Für andere ist Nächstenliebe und Liebe das Wichtigste, und diese Liebe ausdehnen zu immer mehr Menschen und immer universeller machen. Purvashrama, also voriger Lebensashrama, voriger Lebensstand. Man könnte noch eines sagen, was man auch daraus holen kann: Angenommen, du hast schon mal eine Beziehung gehabt und deine vorige Beziehung ist in die Brüche gegangen, dann würde man sagen, es ist klug, in der neuen Beziehung nicht zu viel über die alte Beziehung zu sprechen, in diesem Sinne war es ein alter Ashrama. Und dann nicht so viel Bedauern darüber ausdrücken und deinen Mann, deine Frau oder Freund, Freundin ständig zu vergleichen. Es gilt, vom alten Leben Abstand zu nehmen. Und bis zu einem gewissen Grad, dieses Konzept ist doch auch hilfreich. Auf der einen Seite ist natürlich gut, du integrierst dein bisheriges Leben, aber irgendwann gilt es auch, loszulassen, dich nicht zu viel mit Purvashrama zu beschäftigen.

Im weiteren Sinne, mit deiner Vergangenheit in eine Opferrolle zu gehen. Es kann mal hilfreich sein, in die Kindheit zu gehen, es kann mal hilfreich sein und auch immer wieder hilfreich sein, zu erkennen, dass Schwierigkeiten, die du heute hast, vielleicht aus der Vergangenheit rühren, und dann lasse los, bleibe dort nicht hängen, löse dich von Purvashrama. Jetzt ist jetzt, und jetzt kannst du dich entwickeln, jetzt kannst du lernen, jetzt kannst du spirituell wachsen. Lasse dich nicht immer von der Vergangenheit einholen, folge nicht immer vergangenen Mustern, und auch, bedaure nicht das Vergangene und miss nicht die Gegenwart an der Vergangenheit, oder auch, vergleiche nicht die Gegenwart mit der Vergangenheit, sondern lasse Purvashrama, die vorigen Lebensabschnitte los, sei jetzt im Hier und Jetzt. In diesem Moment ist Gott erfahrbar, in diesem Moment kannst du Liebe erfahren, in diesem Moment kannst du dich spirituell entwickeln, in diesem Moment kannst du dich verbunden fühlen mit anderen Menschen, in diesem Moment kannst du den Entschluss fassen, dein Leben positiv zu gestalten, noch positiver als bisher, fortschreiten auf dem Weg. Purvashrama – voriges Lebensstadium.

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