Meine Mutter liegt im Sterben

Als ich sie heute besuchte, lag sie im Bett und reagierte nicht mehr. Die Altenpflegerin versuchte sie aufzuwecken, schlug ihr leicht ins Gesicht, aber meine Mutter blieb im Schlafzustand. Sie ist heute den ganzen Tag noch nicht aufgewacht. Die Serviererin im Altersheimcafe meinte, dass so der Tod normalerweise beginnt. Aber genau weiß man es nicht. Vielleicht wacht meine Mutter die nächsten Tage wieder auf. Vielleicht hat sie noch einmal eine Wachphase. Aber insgesamt beobachte ich in den letzten Wochen einen schrittweisen Verfall. Wir werden sehen wie sich die Dinge entwickeln.

Als ich in ihr Zimmer kam, war ich etwas geschockt. Meine Mutter hing wieder am Tropf. Obwohl wir vor einem Jahre einen langen Kampf darum geführt hatten, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen bekommt. Dazu gehört auch die Infusion. Ich werde es wohl eine Woche dulden. Wenn meine Mutter dann immer noch in der Sterbephase ist, werde ich mich für die Entfernung der Infusion einsetzen.

Ich rief meine Schwester an und teilte ihr den Zustand meiner Mutter mit. Eigentlich wollte sie Weihnachten nach Hamburg kommen um mit meiner Mutter zu feiern. Mein Schwester war relativ gefasst. Sie ist den Umgang mit dem Tod gewohnt, weil sie eine Ziegenherde hat. Dort müssen immer wieder Tiere geschlachtet werden, obwohl ihr alle Ziegen ans Herz gewachsen sind. Sie macht dann für die jeweilige Ziege ein Sterberitual. Jetzt ist meine Mutter dran. Ein kleiner makabrer Witz am Rande. Aber Menschen und Tiere sind ähnlich empfindsame Wesen. Sterben ist für alle nicht einfach.

Grundsätzlich ist gegen das Sterben meiner Mutter nichts einzuwenden. Sie ist fast 94 Jahre alt und hatte ein erfülltes Leben. In unserer Familie werden wir 94 Jahre alt. So war es auch bei meinem Großvater. Dann ist die Lebenszeit abgelaufen. Ich habe also noch etwa 30 Jahre. Was mache ich mit so viel Zeit? Wenn meine Mutter nicht mehr da ist, brauche ich eine neue Aufgabe. Vielleicht gehe ich in die Politik und werde Bundeskanzler. Dort ist es Zeit für einen Politikwechsel. Oder ich rette anderweitig die Welt.

Jedenfalls ist geplant, dass ich mit Freunden nächstes Jahr den Landesverband Hamburg für die "Menschliche Welt" gründe. Sie hat bei den Bundestagswahlen bereits 0,1 % der Stimmen erhalten. Da geht noch mehr. Die Partei wartet auf einen Politikprofi wie mich. In meiner Jugend konnte ich jedenfalls wilde Reden schwingen und die Massen mitreißen. Jedenfalls die Studentenmassen. Jetzt reiße ich vielleicht die Seniorenmassen mit. Deutschland wird alt und dort gibt es ein großes Wählerpotential. Ich könnte Wahlkampflieder zur Ukulele singen und alle Altersheime mobilisieren. Erstmal muss ich aber in die Partei eintreten. Vielleicht wird das mein guter Silvestervorsatz oder Silvesterscherz.

Aber ich schweife ab. Meine Mutter liegt im Sterben. Ich überlegte, was jetzt zu tun ist. Meine Mutter wollte ich erstmal schlafen lassen. Vielleicht schläft sie ins Jenseits hinein. Es gibt keinen schöneren Tod. Jedenfalls wünschen sich das alle meine alten Freundinnen. Die warteten schon darauf, dass ich mit ihnen singe. Kann ich jetzt fröhliche Lieder singen. So wirklich nach Fröhlichkeit war mir nicht zumute. Andererseits, warum muss der Tod etwas Trauriges sein? Wenn man ein erfülltes Leben hatte und dann friedlich einschläft, ist das doch ein Grund zur Freude.

Ich spürte zu meiner Mutter hin und kam zu dem Schluss, dass ihr etwas Glücksenergie gut tat. Also sang ich mit den alten Frauen und schickte etwas von dieser Energie zu meiner Mutter. Und wir sangen ihre Lieblingslieder. Wanderlieder, Die Gedanken sind frei, Datt du min Leevsten büst, Bunt sind schon die Wälder, Kein schöner Land in dieser Zeit. Etwas melancholisch war mir doch zumute. Dazu passten die genannten Lieder sehr gut. Trotzdem kamen wir nach einiger Zeit in gute Laune und gröhlten wieder unsere Lieblingslieder wie das Hamburg Lied (An de Eck steiht en Jung), Hamburger Veermaster und Wir lagen vor Madagaskar.

Ich beendete den Gesang aber mit zwei christlichen Liedern, Gottes Liebe ist so wunderbar und Gott hält die Welt in seiner Hand. Ich hoffe, dass Gott und meine erleuchteten Meister meine Mutter sehen und ihr einen guten Übergang beschehren. In gewisser Weise beteten wir mit diesen Liedern für meine Mutter. Ich erzählte den alten Frauen auch vom Sterben meiner Mutter. Das nahmen sie relativ gelassen. Sie haben alle mit ihrem Leben abgeschlossen und warten auf den Tod. Ihr einziger Wunsch ist ein friedlicher Übergang. Und vielleicht, dass sie nach dem Tod ins Paradies kommen. Soweit sie gläubig sind und an das Paradies glauben. Die meisten tun das halb und halb. Ob einen das wirklich ins Paradies bringt, bezweifel ich. Aber es genügt vielleicht für ein gutes nächstes Leben. Dort wachsen dann alle weiter zur Erleuchtung.

Vor der Heimfahrt sah ich noch einmal nach meiner Mutter. Sie lag unverändert reglos in ihrem Bett. Auf dem Heimweg erfasste mich dann doch eine leichte Trauer. Zum Glück habe ich meine Mutter bereits weitgehend losgelassen. Ich hafte nicht an. Ich tue das Notwendige, helfe ihr soweit wie möglich spirituell und gehe ansonsten einfach weiter meinen spirituellen Weg. Meditieren, Yoga machen, spazierengehen, die Welt retten und spirituelle Lieder singen. Das ist ein guter Weg in schwierigen Zeiten seinen inneren Frieden zu bewahren. https://www.youtube.com/watch?v=1TnqiDbiKwk

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Kommentare

  • Gerade habe ich meinen Morgenspaziergang gemacht. Auf der Wiese lagert eine Horde von Kühen. Sie sind einjährig, in der Bauernsprache Staken. Sie liegen einfach nur da und genießen ihr Leben. Gemütlich kauen sie das Gras so lange, bis sie es gut verdauen können. Die meisten Kühe liegen im Gras, aber einige liegen direkt in der Scheiße. Warum sie sich in den Schlamm und die Scheiße gelegt haben, begreife ich nicht wirklich. Vermutlich haben sie sich einfach dort niedergelassen, wo das Leben sie gerade hingestellt hat. Sie vollbringen das Kunststück in der Scheiße zu liegen und trotzdem glücklich und zufrieden zu sein. Sie sind heute mein großes Vorbild. Ich lebe im Moment auch in der Scheiße. Es belastet mich schon etwas, dass meine Mutter am Sterben liegt. Heute kümmert sich aber meine Schwester um sie. Ich erhole mich etwas und genieße einfach nur mein Leben. Ein schöner Spaziergang, ein paar Kekse, eine heiße Tasse Schokolade, fröhliche Musik von Meister Om Om. Einfach nur sein, Kakau trinken und in der Scheiße leben. Und sich wohl fühlen, weil das Glück in mir ist. Dank meiner Yogaübungen kann ich in jeder Situation Glücksenergie erzeugen. Und jezt rette ich sogar noch nebenbei die Welt. Ich habe gerade mein Weltretterbuch überarbeitet. Ich habe zu den einzelnen Kapiteln die besten Videos aus dem Internet angefügt. So vermittelt das Weltretterbuch sehr anschaulich die derzeitige Situation der Welt und enthält gleichzeitig ein wunderbare Sammlung von eindruckvollen Filmen. Man kann sich umfassend über die Probleme informieren, die Lösungen erkennen und sich durch positive Videos in gute Laune bringen. Eine perfekte Inspiration für Weltretter. https://sites.google.com/site/nilshorn2/weltretter-grundwissen

  • Hallo lieber Nils,
    ich habe mal eine Ziegenherde betreut.
    Sie schließen sich weniger an Menschen an wie Hunde.
    Sie sind wählerisch essen Kräuter und Blätter und kaum Gras.
    Die Milch und der Käse daraus waren mir eine Delikatesse.
    Ich danke dir für deine immer wieder lesenswerten Beiträge.

    om shanti

  • Wenn die Achtsamkeit
    etwas Schönes berührt, 
    offenbart sie dessen Schönheit.

    Wenn die Achtsamkeit
    etwas Schmerzvolles berührt, 
    wandelt sie es um und heilt es.

    Viel Kraft wünsche ich dir lieber Nils

    Namasté Wuschel

  • Danke Devani. Dann brauche ich zum Glück nicht Bundeskanzler werden. Das ist mir eigentlich auch zu anstrengend. Ich werde dich wählen. Danke auch für den Trost, dass ich schon viel früher sterben kann. Ein paar Jahre möchte ich aber mit deiner Erlaubnis doch noch auf der Erde bleiben. Dn Tod nehme ich gelassen. Alles geschieht von alleine. Meine Mutter hat einen erleuchteten Meister und der wird sich schon um sie kümmern.

  • Hallo Nils,
    es ist keine leichte Zeit für Dich, wenn Deine Mutter im Sterben liegt. Ich wünsche Dir viel Kraft, Mut und Zuversicht. Deinen Worten nach zu urteilen bist Du ein guter weil liebender Sohn. Das spürt Deine Mutter. IMeine Eltern sind auch verstorben und ich weiß, es ist nicht leicht. Wenn sie "weg sind", sind irgendwann wir dran. Aber es ist kein Gesetz, dass Du wie Deine Vorfahren mit 94 stirbst. Möglich sind 150 Jahre. Früher kann es auch geschehen. Wer weiß.
    Wenn jemand im Sterben liegt, bilden sich Vertiefungen im Gesicht; Dreiecke. Schau Dir die Gegend um den Mund herum an. Erreichen kannst Du Deine Mutter auf der Körperebene noch, indem Du ihr die Innenseite der Hände massierst. Zu Beginn und am Ende des Lebens fühlen wir. Mit alten Liedern, die Deine Mutter aus ihrer Kindheit kennt, erreichst Du tiefe Schichten in ihr. Ick heb mol in Hamburg en Vermasten sehn - ist da doch genau das Richtige! Liebe pur! Du machst das schon gut. Für das Spirituelle kannst Du eine Kerze anzünden und schöne Gerüche werden sie auch noch erreichen und gute Gedanken und Gebete. Und wenn sie gestorben sein sollte, dann begleite sie noch 40 Tage Deines Lebens, mach für sie eine Kerze an, sag ihr täglich, dass sie tot ist und ins Licht gehen soll und lass sie gehen. Nimm Abschied. Sie hätte gewollt, dass Du das Beste aus Deinem Leben machst, Dich weiter entwickelst, anderen dabei hilfst. Und übrigens: Bundeskanzlerin werde ich schon, da musst Du Dich mächtig anstrengen, um gegen mich anzukommen! Aber in einer anderen Partei. Alles Gute wünscht Dir und Deiner Mutter Devani

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