Swami Sivananda schreibt hier aus seiner eigenen Erfahrung:
„Ein Jivanmukta ist ein befreiter Weiser. Er hat zu seinen Lebzeiten Verwirklichung erreicht. Er lebt in der Welt, aber er ist nicht von der Welt. Er weilt immer in der ewigen Wonne des höchsten Selbst. Er ist eins geworden mit Ishwara selbst. Der Jivanmukta, der voll erblühte Jnani, Wissende, ist voll reiner Liebe, Mitgefühl, Barmherzigkeit, außerordentlicher Liebenswürdigkeit und verborgener Kraft und Stärke. Liebe und Glanz strahlen in seinen Augen. Der Jivanmukta hat keine selbstsüchtigen Interessen und ist daher frei von Sorgen, Schwierigkeiten, Problemen, Leiden, Kummer und Ängsten. Auch wenn sich Schmerz und dergleichen sich an seinen Körper heften und auf seinem Gesicht zeigen, krümmt sich sein Geist niemals unter ihnen und ihren Gegensätzen. Er ist kein Sklave seiner Launen. Er ist daher heiter und friedvoll. Seine höheren Vorzüge haben sich entwickelt. Die göttlichen Eigenschaften sind in ihm erwacht. All seine Schwächen und Begrenzungen sind verbrannt. Er strahlt in ursprünglicher Herrlichkeit in seiner wesentlichen Natur und im göttlichen Bewusstsein. Er strahlt nach jeder Richtung hin Frieden und Freude aus. Die wahre Größe eines verwirklichten Yogi kann nicht beschrieben werden.“
Letztlich kann sie erfahren werden, wenn wir selbst diese Vollkommenheit erreichen. Swami Sivananda beschreibt trotzdem:
„Seine Augen sind heiter und fest, seine Handlungen heilig, seine Sprache lieblich, inspirierend und beeindruckend. Seine Haltung ist hochherzig, seine Berührung ist reinigend, sein Blick barmherzig, seine Gesten erleuchtend. Er ist Sarvavid, allwissend, das heißt, er hat intuitives, transzendentes Wissen und klare Einsicht in das Herz aller Wesen und Dinge. Man erfährt in seiner Gegenwart ein tiefes Gefühl von Frieden und Harmonie, ein großes Erhobenwerden und Inspiration.“
Wenn wir das so hören, dann denken wir oft: „Ist so was für den Menschen überhaupt möglich?“ Und noch wichtiger: „Kann ich das jemals erreichen?“ Und wir wissen, wenn wir das Leben großer Heiliger anschauen, „ja, es ist möglich„. Wenn man Biographien anschaut von großen Weisen und Heiligen, egal, welcher Tradition, dort wissen wir tatsächlich, dass so etwas möglich ist. Menschen können die Begrenzungen von Körper und Geist transzendieren. Körper wird weiter seinen Schwierigkeiten unterworfen sein. Auch große Selbstverwirklichte haben durchaus Krankheiten, sie haben auch Schmerzen, sie haben auch eine Persönlichkeit, sie haben auch Emotionen. Aber sie wissen: „Aham Brahmasmi. Ich bin Brahman. Ich bin dieses Unendliche.“ Und aus diesem Unendlichen heraus können sie handeln. Sie wissen, der Körper ist ein Fahrzeug, ein Instrument, etwas, wodurch sie Erfahrungen manchen in dieser Welt. Sie sind dadurch nicht gebunden und vor allen Dingen, sie sind nicht dieser Körper. Und Emotionen kommen mit dem Astralkörper, den wir auch brauchen. Wir können aber auf Körper Einfluss nehmen, wir können auf Emotionen Einfluss nehmen und wir können von einer Warte jenseits davon kommen. Und so wissen wir aus den Biographien großer Heiliger: „Ja, es ist möglich, so zu sein, wie Swami Sivananda beschreibt.“ Und alle großen Heiligen haben eines gemeinsam, sie sagen: „Auch du kannst es erreichen. Ich bin nicht jemand grundlegend besseres. Ich bin nicht einfach ein von Gott Ausgewählter.“ Oder modern ausgesprochen: „Eine genetische Variation, die etwas Außergewöhnliches ermöglicht.“ Die großen Heiligen sagen: „Jeder kann es erreichen.“ Es gilt zum einen, es zu wollen, zum zweiten gilt, etwas dafür zu tun, und zum dritten gilt, nicht nur alles auf die Zukunft zu verschieben, sondern, denn es heißt ja, wir sind jetzt schon das höchste Selbst, wir sind jetzt schon Satchidananda. Und wir können jetzt schon mindestens in kleinen Funken und Einblicken dies erfahren und dann aus dieser Erfahrung handeln. Wenn wir aus dieser Erfahrung handeln, schon ein klein wenig, ist unser Leben unendlich bereichert. Und daraus wiederum kommt die neue Kraft, um eine tiefere Einsicht zu bekommen, etwas tiefer verankert zu werden. Interessant ist natürlich auch, verschiedene Jivanmuktas haben unterschiedliche Eigenschaften und sind unterschiedliche Charaktere. Es gibt sehr zurückgezogene Jivanmuktas, die kein Mensch kennt. Es gibt Jivanmuktas, die treten auf die Weltenbühne als große verwirklichte Heilige, Weise, die Millionen von Schülern haben, so wie z.B. Swami Sivananda. Es gibt Jivanmuktas, die in der normalen Familie sind, die im normalen Alltag sind, die noch nicht mal lehren, wo nur die Umgebung merkt, dieser Mensch hat etwas ganz Besonderes. Das ist die Mehrheit der Jivanmuktas. Es gibt Jivanmuktas, die sind eher emotioneller. Es gibt Jivanmuktas, die sind eher intellektueller. Es gibt Jivanmuktas, die sind mehr Vata, mehr Pitta, mehr Kapha. Es gibt Jivanmuktas, die sind arm. Es gibt Jivanmuktas, die sind in vornehmeren Familien geboren. Diese Dinge machen nicht das Essentielle von Jivanmuktas aus. Aber in egal welchen Umständen und egal, welches Karma die Jivanmuktas haben, sie sind verankert in dieser höchsten Weisheit und daher jenseits von Eigennutz, jenseits von letztlich Identifikation mit Leiden und daher strahlen sie diese Liebe und diese Freude überall aus. Und wir gehen noch mal einen Moment lang in die Stille und ihr könnt selbst überlegen: „Wie könnte ich sein, wenn ich Jivanmukta sein werde? Wie wird meine Erfahrung sein? Wie werde ich handeln? Ich persönlich als Jivanmukta, in diesem Körper, mit dieser Persönlichkeit, aber dennoch befreit, Bewusstsein der Einheit, frei von Eigennutz und Gier.“
Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3
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