Frische Erdbeeren und ein Yoga-Rockstar

Meine Mutter traf ich bei der Friseurin. Sie sah zehn Jahre jünger aus, also wie 82 statt wie 92. Aber ansonsten war sie gleich geblieben. Sie konnte noch immer nicht wieder laufen. Ich musste sie in ihrem Rollstuhl schieben. Ich schob sie erstmal ins Altersheim-Cafe. Dort bestellte ich zwei große Stücke Kuchen für dem hungrigen Yogi und Erdbeeren mit Schlagsahne für meine Mutter. Da meiner Mutter die frischen Erdbeeren wieder so gut schmeckten, bestellte ich mir auch eine Portion. Langsam entwickel ich Geschmack für Erdbeeren. Sollte ich in meinem Alter noch anfangen mich gesund zu ernähren? Eine gute Frage. Mit meiner Ernährung ringe ich seit meiner Yogizeit. Vorher habe ich unbekümmert ungesund gegessen. Jetzt gibt es mindestens einen Apfel am Tag zur Beruhigung des Gewissens. An apple a day keeps the doctor away. Oder ersatzweise Erdbeeren. Heute habe ich mir sogar Kirschen gekauft. Und Weintrauben. Seit sie ohne Kerne sind, mag ich auch Weintrauben.

Ich holte mein Harmonium hervor und wir begannen an unserem Platz im Gang zu singen. Der neue Platz ist inzwischen zu unserem Stammplatz geworden. Dort lasse ich mich nicht mehr so leicht vertreiben. Und gestern kamen nach und nach sehr viele Alte hinzu. Es hat sich herumgesprochen, dass ich der Rockstar unter den Sängern im Altersheim bin. Bei mir rockt das Altersheim. Und so war es auch gestern. Nach einer halben Stunde war die Stimmung am Siedepunkt. Und das, obwohl ich meinen Zettel mit den Texten vergessen hatte. Ich musste also spielen, was mir spontan einfiel und was ich auswendig singen konnte.

Meine Mutter war heute wieder etwas besser drauf und konnte alle Lieder mitsingen. Und dann gab es noch vier andere Frauen, die in ihrer Jugend viel gesungen hatten. Wir waren ein richtig guter gemischter Chor. Ein Mann und zehn Frauen. Einer der falsch singt und zehn, die die Töne gut treffen. Früher war ich aus dem Kirchenchor verbannt worden, weil der Pastor meine falschen Töne nicht ertragen konnte. Ich durfte nicht Weihnachten als Engel auftreten. Alle Kinder wurden zu Engeln und ich blieb ein armer Teufel. Das habe ich der Kirche nie vergessen.

Deshalb wurde ich ein Yogi. Hier bin ich der Chef. Und hier darf ich so viel falsch singen wie ich will. Die Frauen lieben mich trotzdem. Es hat sich merkwürdigerweise auch noch keine der Frauen über meine falschen Töne beschwert. Sie scheinen sie nicht zu bemerken. Sollte ich der einzige sein dem bewusst ist, dass ich immer aus der Reihe tanze? Egal. Ich bin der Guru. Und als Guru ist man immer genau richtig so wie man ist. Ich hoffe nur, dass die Frauen nicht eines Tages anfangen auch falsch zu singen, weil sie denken das gehört sich so. Aber bis jetzt bleiben die Frauen wacker bei ihren richtigen Tönen.

Was die Frauen begeistert ist vermutlich die gute Energie, die ich im Altersheim erzeuge. Das spüren sie. Und meine Energie nimmt seit einiger Zeit immer mehr zu. Das kommt möglicherweise auch von dem Singen. Ich benutze das Singen als tägliche Chakrenreinigung und zur Erweckung der Kundalini-Energie. Bei mir allein geht das sehr schnell. Bei den alten Frauen brauche ich einige Zeit bis die Energie fließt. Aber es gelingt immer besser. Ich werde auch immer sicherer bei meinen Auftritten. Ich beginne sogar schon während des Singens mit den alten Frauen zu scherzen und zu flirten. Wie ein richtiger Rockstar.

Meine Mutter geriet nach 1 1/2 Stunden wieder in ihre spirituelle Trance. Sie war so voller Glück, dass sie nur noch ruhig da saß und meditierte. Außer wenn ihre Lieblingslieder kamen. Dann sang sie mit. Die anderen Alten gerieten in einen Energierausch und wollten nicht mehr aufhören zu singen. Ich war schon bald völlig erschöpft und konnte mich kaum noch auf die Texte und Töne konzentrieren. Aber ich merkte wie sehr sie das Singen erfreute. Und so sang ich immer weiter, bis das Abendbrot eine natürliche Grenze bildete. Dann verabschiedete ich mich und radelte zurück in meinen Yogiwald.

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Kommentare

  • Es ist eine tolle Idee, lass sie reifen und gebe Bescheid. Namaste

  • Ich werde es hier in meinem Blog mitteilen, vermutlich im Januar oder Februar 2017. Geplant habe ich eine Woche Feiern (Singen, Meditieren, Spazierengehen, schönes Essen, gute Gespäche und natürlich auch etwas Yoga) Mitte Mai. Dann im Juni und Juli 2 Wochen Yoga, 1 Woche Meditation und 1 Woche spirituelle Therapie (Gespräche, Meditation, positives Denken). Vielleicht hast du /habt ihr noch gute Ideen? Ich habe ein schönes Haus in der Natur, verkehrsgünstig gelegen am Stadtrand von Hamburg und viel spirituelles Wissen. Ich habe 18 Jahre als Yogalehrer an der Volkshochschule gearbeitet, eine Ausbildung als Psychotherapeut und 28 Jahre als abgeschiedener Yogi gelebt. An der Erleuchtung arbeite ich noch, obwohl es langsam Fortschritte gibt.

  • Ich bin gespannt und neugierig. Zur Zeit plane ich weit im Vorraus, manches ergibt sich spontan. Bleib bei Dir, alles andere wird sich ergeben. Ich gehe davon aus, das Du wenn es soweit ist, Deine Angebote bei Yoga Vidya veröffentlichst. Alles Liebe Dir

  • Wissen allein reicht nicht. Es muss auch umgesetzt werden. Das sagte schon Swami Sivananda. Deshalb plane ich ab nächstem Jahr Yogaausbildungen und Fortbildungen gegen eine kleine Spende/Unkostenbeitrag. Vielleicht hast du Lust zu kommen? Yoga, Meditation, spirituelle Therapie, Feiern und Singen (natürlich mit Harmonium). Im Moment baue ich mein Haus dafür um (großes Bad, Heizung, Yogahalle). Da ich in der freien Natur lebe, können wir natürlich auch schön gemeinsam spazieren gehen. Namaste

  • Lieber Nils, ich glaube Wissen ist nichts. Frei nach dem Motto ich weiß das ich nichts weiß.Gibt es nicht Menschen welche spirituell sind, leben ohne das sie Wissen? Ich glaube das du auch ohne Dein Wissen spirituell bist. Denn bitte wer macht solche Dinge mit solcher Hingabe. Du hast mich jedenfalls im Kern angesprochen, Namaste

  • Danke für deinen Bericht. Vielleicht werde ich im Winter die Geschichten zu einem Buch zusammenfassen. Meine Erkenntnis ist auch, dass das Alter eine gute Zeit sein kann. Insbesondere wenn man spirituelles Wissen hat.

  • Tschuldigung natürlich auch...Sollte ich in meinem Alter noch anfangen mich gesund zu ernähren? ... Mit meiner Ernährung ringe ich seit meiner Yogizeit. Vorher habe ich unbekümmert ungesund gegessen. Jetzt gibt es mindestens einen Apfel am Tag zur Beruhigung des Gewissens. An apple a day keeps the doctor away. Oder ersatzweise Erdbeeren. Heute habe ich mir sogar Kirschen gekauft. Und Weintrauben. Seit sie ohne Kerne sind, mag ich auch Weintrauben. Alles Liebe Dir

  • Lieber Niels,
    eine wunderschöne Geschichte, aus Deinem Alltag. Ich bin immer wieder begeistert über Deine Worte. Habe heute herzhaft gelacht.
    Beim Lesen deiner Zeilen steigen in mir viele Bilder auf. Auch schmerzliche Erfahrungen welche Du mit ein paar Worten weg wischt.
    ...Das habe ich der Kirche nie vergessen. ... Kenn ich, ich musste immer bei Veranstaltungen in der letzten Reihe stehen, weil ich rumzappelte. Das war gemein, weil ich nie sehr groß war, und die anderen mich überragten. Ein zugewiesener Platz mit Sichtbehinderung.:-)))
    Als Einstieg in mein zweites Berufsleben gestaltete ich wöchentlich 3 Seniorengruppennachmittage. Ein Projekt vom damaligen DRK. Die Senioren wurden, da sie auf Grund ihres Hirnleistungsabbaus und körperlichen Einschränkungen aus ihren Wohnungen zu mir gebracht. Wir haben viel gesungen, unglaublich, was da an Wissen aus den früheren Jahren zum Vorschein kam: Schillers "Die Glocke" - fließend perfekt interpretiert, faszinierend.
    Aus eben dieser:
    …Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
    Wo Starkes sich und Mildes paarten,
    Da gibt es einen guten Klang.
    Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
    Ob sich das Herz zum Herzen findet!
    Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
    Wie alt und immer noch wahr diese Worte sind.
    Neben den Frauengruppen, die Herren Machos pur. Versuchten sich gegenseitig auszustechen. Ein alter sehr edler ehemaliger Deutschlehrer, schwankend auf Grund von Gleichgewichtstörungen, gestaltete einen Nachmittag, mit alten Dias. Seine Islandreise, faszinierend. Angestachelt, der andere Herr konnte es natürlich besser, er berichtete von seiner New York Reise.
    Es war köstlich, ich freute mich über ihren geweckten Ehrgeiz. Und genoß natürlich ihren Reichtum an Lebenserfahrung.
    Die Damen, mit Perlenkette, schick gemacht für diesen einen Tag der Woche. Mit ihrem Schmuck behangen, frisch frisiert und mit Handtasche incl. Lippenstift, Kamm und Taschentuch. Ich liebe seither diesen Anblick bei älteren Damen auf der Strasse, wo immer ich ihnen begegne.
    In einem Kaffee bei ihrer Butterkremtorte.
    Zwei Damen auf der Strasse on Tour.
    Ich lernte auf einer weiteren Arbeitsstelle zwei Damen kennen:
    Die erste Dame, welche mit ihren 67 Jahren wie Anfang fünfzig aussah. Sie berichtete mir mit gläsernem Blick von ihrem Guru, wie sie ihn, sich kasteiend, fastend auf die höchsten Gipfel begleitete. Diese Dame hatte ein krankes Herz mit einer Leistung von 40%. Übersetzt heißt dies Herztransplantation.
    Die zweite hochgewachsene Dame, mit 87 Jahren, in ihren jungen Jahren vielleicht ein Model, kam schwankend, auf Grund von altersbedingten Kreislaufschwierigkeiten in mein Beratungszimmer. Sie gestand mir unter vorgehaltener Hand: "Ich habe ein Laster: jeden Tag begibt sie sich an den Kuhdamm und trinkt ihren Kaffee und isst ein Stück Torte".
    Was lehren mich diese Geschicht??? Kasteie dich nicht!!! Frei nach deinem Motto: ...Langsam entwickel ich Geschmack für Erdbeeren. ...
    Udo Jürgens:
    Sie treffen sich täglich um viertel nach drei
    Am Stammtisch im Eck in der Konditorei
    Und blasen zum Sturm auf das Kuchenbuffet,
    Auf Schwarzwälder-Kirsch und auf Sahne-Baisser,
    Auf Früchteeis: Ananas, Kirsch und Banane - aber bitte mit Sahne.
    Ohhh ja, ja, ja das möchte ich auch.!!!

    Nils ich könnte Seiten füllen unter Deiner Inspiration. Schreib ein Buch, über Deine Arbeit. Öffne die Augen der Menschen für die Schönheit des Alters.
    Vielen Dank Namaste

  • Schöne einfache Geschichte mit Herz & Schmerz !

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