Eine yogische Weihnachtsgeschichte

Nachdem Renate und ich die Flüchtlinge am Hamburger Hauptbahnhof mit Äpfeln beschenkt hatten, kam ich in Geberlaune und beschloss auch Renate glücklich zu machen. Sie hatte so viel für ihre Mitmenschen getan. Sie arbeitete in der Flüchtlingsinitiative mit. Sie kümmerte sich rührend um ihre alte kranke Mutter. Und trotzdem hatte es sie im Leben schwer. Wer Gutes tut erntet gutes Karma. Das ist das kosmische Gesetz. Und dieses gute Karma kann manchmal durch Mitmenschen wirken. Ich war heute dieser Mitmensch.Gleich hinter dem Hauptbahnhof begann der Weihnachtsmarkt. Die ganze Hamburger Innenstadt hatte sich im Dezember in ein riesiges Lichtermeer verwandelt. Auch am Sonntag strömten tausende von Menschen dort hin und huldigten dem Konsumrausch. Der neue Hauptgott der westlichen Menschen ist der Weihnachtsmann, der alle seine Anhänger mit dem Weg des äußeren Glücks verführt. Bis sie Weisheit erlangen und erkennen, dass äußerer Reichtum nicht glücklich macht. Man muss inneren Reichtum erlangen. Und diesen Reichtum erfährt man durch Genügsamkeit in äußeren Dingen, durch die umfassende Liebe und durch spirituelle Übungen (Yoga, Meditation, Gebet).Was gab es auf dem Weihnachtsmarkt nicht alles zu kaufen! Kunsthandwerk, Weihnachtsengel und edles Geschirr. Und vor allem viel zu essen. Verlockernd ausgestellt in kleinen Holzhäuschen mit vielen Weihnachtslichtern, Tannengrün und glitzernden Sternen. Über allem tronte der fliegende Weihnachtsmann, das neue Wahrzeichen der Stadt, der auf dem Rathausmarkt mit seinem Renntierschlitten durch die Luft glitt und eine Weihnachtsgeschichte erzählte. Natürlich von Rudolf dem Renntier, das klein und häßlich geboren zum Anführer des Schlittens und Liebling aller Kinder wurde. Damit kann sich jedes Kind gut identifizieren. Und viele Erwachsene auch. Jeder möchte anerkannt, geliebt, reich und erfolgreich sein. Dazu muss man aber erstmal in der Schule fleißig sein und dann sein Leben lang viel arbeiten. Dann kann man in Deutschland Karriere machen und darf den Traum des westlichen Konsumglücks leben.Außer man scheitert auf diesem langen arbeitsreichen Weg, kann im Leistungsstress nicht mithalten, bekommt keinen der begehrten Jobs, erleidet einen Burnout, wird krank und endet in der Sozialhilfe (Hartz 4) oder als Bettler am Rande des Weihnachtsmarktes. Davon gab es viele, Junge und Alte, Frauen und Männer. Doch kaum jemand beachtete sie, wie sie zitternd nach etwas Geld und Liebe in der Winterkälte ihre Hand ausstrecken. Die Augen der Passanten waren auf die vielen schönen Glitzerdinge und den Weihnachtsmann am Himmel gerichtet.Ich erklärte Renate, dass heute ihr Glückstag sei und sie sich kaufen könne was sie wolle. Sie war begeistert und so stürzten wir beide uns ins Gewühl. Zuerst füllten wir uns mit Glühwein ab. Oder vielmehr mit Feuerzangbohle, die an einem schön dekorierten Stand aus großen Kupferkesseln in kleinen flammenbemalten Bechern verkauft wurde. Da der kleine Yogi keinen Alkohol gewöhnt ist, wurde er schnell lustig. Er torkelte mit schweren Beinen und lockerer Zunge über den Weihnachtsmarkt. Das fiel im Gedränge nicht weiter auf. Renate wollte sich ihren Lieblingswunsch erfüllen und zerrte ihn zu einem kerzengeschmückten Hochzeitstor. In der Mitte hing ein Mistelzweig. Wer gemeinsam unter diesem Zweig durchgeht, wird sich verlieben, heiraten und ewig glücklich sein. Voller Panik wich Nils vor dem Mistelzweig zurück. Dieses Geschenk wollte er Renate nicht wirklich machen.Sie nahm es mit Humor und zog ihn zu den Essensständen. Wenn schon nicht heiraten, dann wenigstens den Magen vollschlagen. Sie begannen mit Crepes mit Plaumenmus und Alkohol. Dann kamen gebrannte Mandeln hinzu. Und zum Schluss gab es Grünkohl mit Röstkartoffeln und Kassler-Braten. Wobei sich eine Diskussion über die vegetarische Ernährung entspann. Renate war Vegetarierin, lies sich aber von Nils zu leckeren Fleischstückchen verführen. Nils war als Yogi zwar eigentlich auch Vegetarier, aber ein ziemlich undogmatischer. Und zu Grünkohl gehörte einfach Schweinefleisch dazu. Renate taten die armen Schweine leid. Nils segnete sie und verzehrte sie ohne schlechtes Gewissen.Als Karma-Ausgleich schenkte er einer alten Bettlerin vier große Äpfel. Sie saß etwas abseits auf der Erde und hatte ein Schild um den Hals: "Ich habe Hunger." Da konnte sie die Äpfel schlecht ablehnen, obwohl ihr Geld wahrscheinlich lieber gewesen wäre. Ein Arbeitsloser ging durch die Menschenmenge, hielt die Hände auf und erklärte, dass er von Hartz4 leben müsste. Auch er bekam einen Apfel. Ebenso eine junge Frau, die frierend auf der Erde saß und lethargisch die Menschen anblickte. Sie war Ausländerin und vermutlich von einer rumänischen Bettlerbande hierher gebracht worden.Den letzten Apfel bekam ein Straßenmusiker. Er spielte schöne Melodien auf einer Querflöte. Er sah nicht aus wie ein Bettler, sondern wie ein Musiker, der gerne Musik macht. Auch solche Menschen gab es hier. Das bunte Leben. Und irgendwie passte das alles zu Weihnachten. Nils segnete alle Menschen, sandte allen Licht und wurde dadurch frei von der weltlichen Sucht- und Egoenergie, die sowohl die Konsummenschen als auch die Bettler beherrschte. Das wahre Glück liegt in einer Ebene darüber. Es ist der innere Frieden und das innere Glück, das durch den Weg der Erleuchtung und der umfassenden Liebe entsteht. Das ist die wirkliche Weihnachtsenegie. Mögen wir das alle zu Weihnachten erfahren.

Video vom fliegenden Hamburger Weihnachtsmann https://www.youtube.com/watch?v=yoWHbRjJ2J4


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