Dwesha ist ein Wort mit vielerlei Bedeutung. In einer Bedeutung gebrauchen wir es bei Yoga Vidya weniger, eben Feindschaft oder Hass, aber das heißt Dwesha eben auch. Und es gibt leider noch viel Feindschaft und Hass in dieser Welt, viel Dwesha. Es gibt auch das allumfassende Gebet von Swami Sivananda, an einer Stelle sagt er: „Befreie uns von Selbstsucht, Gier, Zorn und Hass.“ Und es gibt einige, die zu uns hinkommen, die sagen: „Warum sollte man das erzählen? Warum sollte man so bitten und beten? Wäre es nicht klüger, nur auf Positives sich zu richten?“ Und natürlich, alle anderen Sätze sind ja auch positiv: „Fülle unser Herz mit göttlichen Tugenden. Sein ist dein Wesen, Wissen und Glückseligkeit. Allgegenwärtig bist du, allmächtig, allwissend. Im Inneren aller Wesen wohnst du.“ Und an einer anderen Stelle: „Befreie uns von Selbstsucht, Gier, Zorn und Hass.“
Leider gibt es Hass auf dieser Welt. Vermutlich, unter Yoga-Übenden ist Hass eine Emotion, die sie normalerweise nicht kennen. Man kann mal vorübergehend Abneigung spüren, man kann sich mal gekränkt fühlen. Aber ich vermute, dass unter den Yoga-Übenden von heute kein wirklicher Hass mehr da ist. In früheren Zeiten und in anderen Teilen der Welt gibt es das. Es gibt Menschen einer Volksgruppe, die haben einen Hass auf die andere Volksgruppe. Es gibt Menschen einer Religion, die haben einen Hass auf eine andere. Und es ist verständlich, wenn Angehörige einer anderen Volksgruppe in das Dorf eingefallen sind und viele umgebracht haben, dass man dort einen Hass entwickelt. Trotzdem, Hass führt nur zu weiterem Hass. Jemand muss den Hass unterbrechen mit Mitgefühl. Letztlich, tief im Inneren meinen es Menschen gut. Tief im Inneren ist jeder Mensch göttlich. Tief im Inneren will jeder das Gute. Menschen machen schlimme Dinge, aus Verblendung und aus Unwissen und aus Kränkungen machen sie schlimme Dinge, aus negativen Erfahrungen und traumatischen Erfahrungen machen sie Schlimmes, aber sie bleiben gut. Und wenn man mittelfristig, langfristig Güte ausstrahlt, über Dwesha hinauswächst, dann kann diese Welt eine friedvolle werden.
Ich glaube, Dwesha, im Sinne von Hass, ist tatsächlich überwindbar, braucht nicht zu existieren. Ein wichtiger Teil wäre schon, wenn man erkennt, es gibt nicht wirklich Gut und Böse, im Sinne von gute und böse Menschen. Es gibt nur Menschen mit unterschiedlichen Anliegen, die ihre Anliegen freundlicher oder weniger freundlich rüberbringen. Es gibt im tiefen Inneren gute Absichten und es gibt auch Triebe und es gibt auch Wünsche und es gibt auch Gier. All das mag es geben, aber Menschen sind nicht vom Inneren heraus böse, sondern wie sie denken und fühlen ist nachzuvollziehen, und nachzuvollziehen und nachzuempfinden mit Mitgefühl und Liebe.
Dwesha hat aber auch noch einen anderen Kontext und in diesem Kontext ist es für Yoga-Aspiranten heute noch wichtiger als im anderen Kontext. Dwesha heißt auch Abneigung. Es gibt Raga und es gibt Dwesha. Raga heißt Zuneigung, Mögen, Wunsch, und Dwesha heißt Abneigung. Und hier sagt Patanjali z.B., Krishna sagt es in anderen Worten, Patanjali, der große Yoga-Psychologe und Yoga-Meister, der vor etwa 2000 Jahren das Yoga Sutra niedergeschrieben hat, Yoga gelehrt hat, er sagt: „Raga und Dwesha führen zum Leiden.“ Er spricht von den fünf Kleshas, den fünf Ursachen von Leiden. Es beginnt mit Avidya – Unwissenheit, geht weiter mit Asmita – Identifikation, Ego, und dann folgt auch schon Raga – Mögen, und Dwesha – Nicht-Mögen, das führt zu Abhinivesha – Furcht oder Furcht vor dem Tod. Raga und Dwesha ist hier so ein Dualismus. Man mag das eine, man mag das andere nicht. Was du heute magst, magst du vielleicht morgen nicht. Die einen mögen Yoga üben, wenn es warm ist, die anderen reißen das Fenster auf. So viele Konflikte in Yoga-Stunden entstehen dadurch. Die einen mögen es lieber wärmer, beim Essen warme Nahrung, die anderen mögen kalte Nahrung. Die einen mögen es laut, die anderen leise. Die einen mögen viel Betrieb, die anderen mögen wenig Betrieb. Menschen mögen die einen Menschen und die anderen mögen sie nicht usw. Wenn all dein Handeln und Fühlen von Raga und Dwesha geprägt ist, dann bist du ständig durcheinandergerüttelt und letztlich hast du ständig Angst, dass nicht das geschieht, was du magst, und das eintrifft, was du nicht magst.
Ein spiritueller Mensch bemüht sich, über Raga und Dwesha hinauszuwachsen. Er weiß: „Tief im Inneren, Aham Brahmasmi, ich bin Brahman. Auf einer physischen, sinnlichen, emotionellen Ebene mag es Mögen und Nicht-Mögen sein. Und ein kleines Mögen und Nicht-Mögen ist ja auch gut. Aber ich lasse mich nicht davon beherrschen. Ich bin nicht Raga und Dwesha.“ Menschen sagen, „ich will das“, „ich mag das“ und „das mag ich überhaupt nicht“ und da ist eine Vehemenz da drin, die immer wieder erstaunlich ist. Letztlich, was spielt es eine Rolle, ob du etwas magst oder nicht magst? Du bist das unsterbliche Selbst. Mögen und Nicht-Mögen mag irgendetwas sein, was dir vielleicht instinktiv etwas hilft. Und ein bisschen nach Mögen und Nicht-Mögen zu gehen, ist ja auch etwas Menschliches und kann auch etwas Schönes sein. Aber lasse dich davon nicht beherrschen. Wichtiger ist, dass du dein Dharma tust, deine Aufgabe tust, deiner Verantwortung gerecht wirst. Wichtiger ist, dass du spirituelle Praktiken übst, ob du sie magst oder nicht magst. Wichtig ist, dass du ethisch dich verhältst, ob du es magst oder nicht magst. Wichtig ist, dass du tust, was du dir vorgenommen hast, ob du es magst oder nicht magst.
Daher, werde dir deinem Raga und Dwesha bewusst, werde dir bewusst, wenn plötzlich du irgendwas magst oder irgendetwas, insbesondere Dwesha, nicht magst. Sei dir dort bewusst, nimm es zur Kenntnis und du kannst auch sagen: „Aha, lieber Geist, das magst du jetzt gerade nicht. Und du hast auch Gründe, es nicht zu mögen. Und es gäbe auch Gründe, vielleicht danach zu handeln. Aber ich selbst, zum Wohl eines übergeordneten Ganzen und weil ich es mir vorgenommen habe, mache ich es trotzdem. Ob ich es mag oder nicht mag, mein Dwesha ist irrelevant. Von einer tieferen Warte aus will ich es.“ Dwesha ist auch nicht etwas, dem du ausgeliefert bist und gegen das du kämpfen musst. Du kannst dein Dwesha auch beeinflussen und daraus ein Mögen machen. Du kannst insbesondere Maitri Bhavana als Grundstimmung im Alltag etablieren. Maitri Bhavana heißt, das Grundgefühl der Freundlichkeit, des Mitgefühls und der Liebe. Es ist absolut unsinnig zu sagen: „Den Menschen mag ich und den mag ich nicht.“ Es ist gut, wenn du Liebe, Mitgefühl zu allen hast. Es mag mal sein, dass du mit dem einen mehr Zeit verbringen willst als mit dem anderen, gut. Es mag auch sein, dass es sinnvoller ist, das ein oder das andere zu tun, aber du solltest kein Dwesha gegenüber einem Menschen beibehalten. Behandle jeden Menschen mit Maitri Bhavana, mit dem tiefen Gefühl von Liebe und Mitgefühl. Nimm Raga und Dwesha als kleine Dinge und so kannst du kleine Dinge genießen und du kannst auch das ein oder andere, was dich unglücklich macht, vermeiden. Aber lasse dich nicht beherrschen von Raga, insbesondere nicht von Dwesha, denn tief im Inneren bist du Ananda, du brauchst nichts, und nichts und niemand kann dir deine wahre Natur der Freude wegnehmen. Sei ein Mensch, der über Dwesha und Raga hinauswächst.
Dwesha – Abneigung, Feindschaft und Hass. Ersetze Dwesha zum einen durch Maitri Bhavana, durch bedingungslose Liebe und Mitgefühl, und zum anderen durch Samatva, durch Gelassenheit. Gelassenheit gegenüber Dingen und Maitri Bhavana gegenüber Menschen. Und letztlich, erkenne: „Sarvam Kalvidam Brahman. Alles ist Brahman, jenseits von Raga, insbesondere von Dwesha, Nicht-Mögen.“
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