Der Kuss der schönen Pilgerin

Gerade traf ich beim Spazierengehen eine christliche Pilgerin. Ich lebe am Jakobsweg, der in Lübeck beginnt und in Spanien in Santiago de Compostela endet. Dort befindet sich eine Kathedrale. Man kann dort eine große Sitzfigur des heiligen Jakobus umarmen und küssen. Dann erhält man den Segen des heiligen Jakobus.

Die Frau war mittleren Alters. Ich erkannte sie sofort als Pilgerin, weil sie einen großen Rucksack trug und einen christlichen Gesichtsausdruck hatte. Die evangelischen Christen gucken irgendwie immer etwas streng. Und tatsächlich war sie eine evangelische Christin. Wir kamen ins Gespräch und ich lud sie zu einer Tasse Tee ein. Ich war gespannt, ob sie das Angebot annehmen würde. Nicht jeden Frau geht gleich zu einem fremden Mann ins Haus, wenn er sie auf eine Tasse Tee einlädt. Er könnte sie ja umarmen und küssen wollen. Das darf frau aber erst in Santiago und nicht beim Eremiten Nils. Obwohl der auch nichts dagegen hätte.

Sie hatte wohl nicht solche unheiligen Gedanken. Im Gegenteil freute sie sich auf eine Rast auf ihrem Pilgerweg, weil heute ihre Frühstückstückspause ausgefallen war. Natürlich zeigte ich ihr zuerst stolz mein neues Haus. Sie verliebte sich sofort in mein schnuckeliges Gartenhäuschen. Auch die Sitzecke auf meine Terasse gefiel ihr gut. Die Sonne schien, es war warm, und so setzen wir uns dort hin.

Als Tee wünschte sie sich einen Glückstee. Etwas Glück kann man auf einer Pilgerreise gut gebrauchen. Immerhin hatte sie viel Glück. Die Sonne schien und dann lud sie auch noch der heilige Nils zu einer Rast ein. Diese große Ehre begriff sie aber nicht. Sie war die erste Pilgerin, die mich in meinem Haus besuchen durfte. Irgendwie kam ich nicht dazu ihr das zu sagen. Sonst hätte sie mich sicherlich umarmt.

Ich erzählte aus meinem Yogileben. Ich berichtete, dass ich ein Schrifsteller bin und schenkte ihr eines meiner Bücher. Als ich sie nach ihrem Leben fragte, wollte sie aber schnell weiter. Darüber wollte sie nicht reden. Vermutlich gab es da einige Probleme, die sie während ihrer Pilgerreise bearbeiten wollte. Und jetzt war sie erst am Anfang ihres Weges. Immerhin verriet sie mir, dass sie eine Glaubenskrise gehabt und jetzt wieder zum Glauben zurückgefunden hatte.

Wir erkannten, dass wir beide den christlichen Weg von Taize gut finden. Sie war bereits einmal in Taize gewesen. Und ich hatte noch den Gründer Frere Roger in Hamburg erlebt und dabei eine starke spirituelle Energie gespürt. Und zufällig erklangen in meinem Haus christliche Lieder, als sie eintrat. Das war wohl ein Wunder Gottes. Ich hatte gestern in Arte einen Film über schwarze Sängerinnen gesehen. Ich war von ihrer Energie und Lebensfreude begeistert und hatte gerade einige Stücke aus dem Internet heruntergeladen.

Ich berichtete von meinen Gotteserfahrungen. Sie hörte interessiert zu als ich ihr beschrieb, wie ich jeden Tag beim Spazierengehen durch bestimmte spirituelle Techniken in die Einheit und ins Licht komme. Dieser Weg besteht im Wesentlichen aus positivem Denken, der Verbindung mit einem spirituellen Vorbild, dem Weg der umfassenden Liebe, der Meditation und dem täglichen Gehen. Möge sie auf ihrer Pilgerfahrt auch das Licht erfahren und auf ihrem spirituellen Weg gestärkt werden. Auch wenn sie nicht auf die Idee kam den heiligen Nils zu küssen. Was sehr bedauerlich ist. Meinen Segen hat sie aber auch ohne Kuss gekriegt.

https://www.youtube.com/watch?v=16wtMvuqsHg

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