Heute verabschiedete ich mich von meiner Mutter. Als ich in ihr Zimmer trat, lag sie in der Mitte des Raumes wie aufgebahrt in ihrem Bett. Ihr Gesicht glich das einer Toten. Farblos, eingefallen, bleich. Die Augen waren geschlossen. Sie reagierte nicht mehr auf die Außenwelt. Aber sie atmete noch röchelnd. Ich setzte mich in den Sessel, der neben ihrem Bett stand. Was sollte ich jetzt tun? Es war komisch mit einer fast Toten allein in einem Zimmer zu sein. Und es war irgendwie entsetzlich, meine Mutter beim Sterben zu beobachten.

Ich berührte sie sanft an ihrer Schulter. Ich testete ihren Energiezustand. Ich spürte nichts. Ich überlegte, ob ich jetzt neben ihr sitzen und einfach nur lange Zeit ihre Hand halten sollte. Aber mir war eher danach im Sessel zu sitzen, zur Ruhe zu kommen und zu meditieren. Ich ließ die Situation auf mich wirken und spürte, wie es mir damit ging. Ich fühlte mich sehr fremd. Eine solche Situation war mir neu. Ich wartete einfach ab, welche Impulse in mir auftraten.

Da spürte ich plötzlich die Energie meiner Mutter in meinem Kopf. Sie war mit ihrem Bewusstsein in meinem Kopf. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Es fühlte sich an als ob Strom in meinem Kopf war. Es kribbelte etwas in meinem Kopf. Aber es war auch irgendwie ruhig. Ich spürte, dass ich jetzt geistig mit meiner Mutter verbunden war. Ich konnte auf der geistigen Ebene mit ihr kommunizieren.

Das war sehr glücklich, denn ich hatte ihr noch einiges zu sagen. Sie war mir vor drei Tagen im Traum erschienen. Sie zeigte mir, dass sie sich im Altersheim gefangen fühlt. Sie fand nicht den Weg hinaus. Ich habe lange darüber nachgedacht, wo der Weg hinaus für meine Mutter ist. Das erste Problem bestand darin, dass sie eine Atheistin ist und nicht an das Leben nach dem Tod glaubt. Wie sollte ich ihr klarmachen, dass das Leben nach dem Tod weitergeht?

Das war plötzlich ganz einfach. Wir waren geistig verbunden. Das spürte auch sie genau. Ich erklärte ihr, dass die Bewusstseinsenergie vom Körper unabhängig ist. Deshalb war sie in der Lage mich zu spüren, obwohl ihr Körper im Koma lag. Der Beweis im Leben nach dem Tod liegt in der Existenz der Bewusstseinsenergie. Gibt es eine vom Körper unabhängige Bewusstseinsenergie, kann das Bewusstsein eines Menschen nach dem Tod weiterleben. Diese Erkenntnis ist wichtig. Sie nimmt einem die Angst vor dem Tod. Der Tod ist nicht das Ende. Das Leben geht weiter.

Wenn man begreift, dass nach dem Tod alle Vorstellungen nur geistige Konstrukte sind, wird man mit seiner Seele frei. Sonst würde meine Mutter im Altersheim geistig festhängen. Sie würde auch nach dem Tod glauben, dass sie nicht aus dem Altersheim entkommen kann. Sie würde ewig weiter den Ausgang suchen. Dabei ist der Ausgang ganz einfach. Sie kann als freies Bewusstsein durch die Wände fließen. Sie kann im Jenseits überall hingelangen, wenn sie begreift, dass alle Gegenstände nur traumhafte Vorstellungen sind. Sie muss sie einfach nur loslassen und ist frei. Sie kann dann mit der Seele auch meinen Vater und alle ihre toten Verwandten besuchen. Und sogar mich, wenn sie es möchte. Weil ich die Fähigkeit habe sie als Seele zu spüren.

Diese Fähigkeit wurde mir vor etwa zwanzig Jahren bewusst, als die Mutter meiner damaligen Freundin starb. Sie wollte mich noch einmal sehen und kam einfach bei mir vorbeigeflogen, als ich gerade beim Spazierengehen war. Ich erkannte sie klar und wusste, dass sie jetzt tot war. Von ihrem realen Tod erfuhr ich erst einige Tage später.

Das zweite große Problem bestand darin, meiner Mutter den Weg ins Licht zu zeigen. Es gibt im Jenseits einen glückseligen Energiebereich, den man auch als Paradies bezeichnen kann. Für einen Christen ist es leicht sich das Paradies vorzustellen, zu Gott zu beten und ins Paradies zu gelangen. Aber meine Mutter war eine Atheistin. Sie glaubte nicht an das Paradies. Also musste ich es ihr so erklären, dass sie es verstand.

Ich visualisierte gemeinsam mit ihr eine große Sonne am Himmel. In dieser Sonne sahen wir einen goldenen Buddha. Das war der Buddha Amitabha, der alle Seelen ins Licht führt, wenn sie beim Sterben seinen Namen denken. Als Atheist wird man einfach zu Buddha Amitabha. Wenn man längere Zeit das Mantra denkt und darauf meditiert, lösen sich irgendwann alle Formen auf. Man ist dann plötzlich reines Bewusstsein im Licht, in einer Energie aus Frieden, Liebe und Glückseligkeit. Das gelingt, wenn man die Sonne über dem Kopf visualisiert und dadurch die Kundalini-Energie aktiviert. Die Kundalini-Energie gibt einem die Kraft ins Licht zu kommen.

Um das zu Üben, zog ich meine Ukulele aus dem Rucksack und sang mit meiner Mutter das Amitabha-Lied. Erst zupfte ich nur zaghaft die Saiten, weil ich im Zimmer einer Sterbenden war. Aber nach einiger Zeit wurde ich mutiger und lauter. Ich spürte, wie ich mich immer stärker mit der Seele meiner Mutter verband, wie das Licht der Sonne in uns hineinströmte und die Kundalini-Energie erwachte. Ich probierte noch viele andere Lieder und Mantren aus. Ich sang auch die Namen meiner Meister, Mutter Meera, Jesus, Buddha, Shiva und Ganesha.

Sehr stark wurde die Energie, als ich zu christlichen Liedern überging. He's got the whole world in his hands, Vater Abraham hat viele Kinder, O when the saints go marching on, We shall overcome. Der Mund meiner Mutter schloss sich und ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. Ich spürte, wie sie jetzt auch körperlich zuhörte. Als sie nach eine Stunde ganz mit glückseliger Energie gefüllt war, öffnete sich ihr Mund wieder und sie fiel in einen glückseligen Schlaf.

Die Bettnachbarin kam herein. Sie wohnte zusammen mit meiner sterbenden Mutter. Es schien ihr aber nichts auszumachen. Ich fragte, ob ich auch für sie einige Lieder singen sollte. Sie meinte, dass sie nicht singen kann, aber sie würde gerne zuhören. Also sang ich noch einige weitere Lieder. Sie wurde auch von der Glücksenergie erfasst und wiegte sich glücklich im Sitzen hin und her. Ich verabschiedete mich von ihr und von meiner Mutter mit den Lied "Mein Vater war ein Wandersmann...und werde bis an´s kühle Grab
ein froher Wandrer sein. Faleri falera."

Im Gang traf ich die Altenpflegerin. Sie hatte auf den Wunsch meiner Schwester die Infusion und alle lebensverlängernden Medikamente abgesetzt. Sie meinte, dass meine Mutter wohl noch einige Tage leben würde. Meine Schwester kommt jetzt aus dem Schwarzwald nach Hamburg und übernimmt die Betreuung meiner Mutter.

Auf dem Nachhauseweg spürte ich in mich hinein, ob ich traurig bin. Aber da war einfach nur Glückseligkeit, Frieden und eine starke Energie. Ich fühlte mich in Glückseligkeit mit meiner Mutter verbunden. Das Singen hatte uns beide in eine glückselige Energie gebracht, in der kein Platz mehr war für Trauer und Unglück.

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Kommentare

  • Heute ist Neumond - Dîpâvalî - das Lichterfest - der Sieg des Lichtes über die Dunkelheit
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