Das Schicksal annehmen und über das Leben lachen

Heute im Altersheim. Meiner Mutter geht es gut. Sie ist wieder etwas wacher. Sie konnte viele Lieder mitsingen. Es finden sich immer mehr Menschen zum Singen ein. Ein großer Kreis von alten Frauen und sogar einem Mann sitzen eng gescharrt um Meister Om Om herum. Der Meister schlägt in die Saiten und beginnt zu singen "Mein Hut der hat drei Ecken." Der Frauenchor antwortet und schon ist die Stimmung am Kochen. Da wacht sogar die alte Mutter des Meisters auf und singt laut mit. Das erste Mal. Alle Frauen freuen sich, wenn ihr Name in dem Lied genannt wird. Jede einzelne wird gesehen und besungen. Und geliebt. Bei "Froh zu sein bedarf es wenig. Und wer froh ist, ist ein König" dröhnt das ganze Altersheim. Die zahnlose Alte lacht wieder so laut und etwas verrückt. Diesmal wird sie von einer sehr alten und kranken Frau auf einem Liegegestell unterstützt. Diese kann zwar nicht mehr sprechen und klar denken. Aber singen und lachen kann sie noch. Sehr berührend, wie die schiefe Musik von Meister Om Om alte Frauen glücklich machen kann. Jetzt muss es nur noch bei jungen Frauen gelingen. Dafür muss der Meister aber noch viel üben. Oder sehr überzeugend argumentieren.

Nach dem Singen fiel es den Seniorinnen schwer den Meister gehen zu lassen. Er hatte sie so glücklich gemacht und sie wollten dieses Glück bewahren. Aber Meister Om Om meinte locker: "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei." Er merkte jedoch, wie es auch ihm schwerfiel aus der glücklichen Situation herauszugehen und in seine einsame Yogihütte zu fahren. In den letzten Tagen gab es viel Freude und Geselligkeit in seinem Leben. Erst das Pfingstretreat mit vielen guten Gesprächen, Spaziergängen, Gesang und Meditation. Und heute den glücklichen Nachmittag im Altersheim. Jetzt musste der Meister umschalten von glücklicher Geselligkeit auf glückliches Alleinesein. Er spürte Anhaftung an die Liebe seiner Mitmenschen. Welcher Gedanke konnte ihm helfen loszulassen und bei sich anzukommen?

Zuerst versuchte er es mit dem Begriff "Genügsamkeit". Sein großes Vorbild Epikur lehrte die Genügsamkeit in allen äußeren Dingen. Der Mensch sollte sich in seinem inneren Glück, in der Ruhe und im positiven Denken zentrieren. Dann würde täglich ein kleines Stück Käse ausreichen um mit dem Leben zufrieden zu sein. Der Meister hatte einige Tage glückliche Geselligkeit genossen. Der Begriff "Genügsamkeit" half ihm damit zufrieden zu sein.

Er sinnierte weiter und dachte an das Leben insgesamt. Jedes Leben geht irgendwann zu ende. Es genügt, wenn man einige gute Tage gehabt hat. Die gab es viele in seinem Leben. Trotzdem spürte er, dass er unersättlich war und immer mehr gute Tage wollte. Er wollte eigentlich gar nicht sterben, sondern ewig glücklich leben. Obwohl jedes Leben gute und schlechte Zeiten kennt und letztlich zeitlich begrenzt ist. Wer im inneren Frieden leben will, der muss mit dem Leben fließen. Er muss die Dinge so annehmen wie sie kommen. Er muss selbst den Tod annehmen, wenn dessen Zeit gekommen ist. Da half ihm nicht mehr der Begriff "Genügsamkeit", sondern der Begriff "Demut".

Der Mensch muss demütig gegenüber dem Schicksal, dem Leben und letztlich Gott sein. Das Leben ist mächtiger als der Mensch. Der Mensch ist nur ein Staubkorn im Weltall, dass jederzeit verwehen kann. Wie das Schicksal es will. Der Mensch findet letztlich nur Frieden, wenn er sich vollständig dem Leben, dem Schicksal oder nennen wir es Gott unterordnet. Er muss seinen Eigenwillen loslassen. Der Mensch kann zwar versuchen, sein Leben so weit wie möglich positiv zu gestalten. Aber seiner Gestaltungsmöglichkeit sind Grenzen gesetzt. Der Tod ist so eine Grenze. Die meisten Alten im Altersheim können das gut akzeptieren. Meister Om Om muss das noch üben. Heute übt er es demütig zu sein. Und kann sich so über das freuen, was es Schönes in seinem Leben gibt. Und was gibt es Schönes? Letztlich den Weg des inneren Glücks und der umfassenden Liebe.

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Kommentare

  • Weise Worte,lieber Nils.Das Leben ist so vielfältig.Genügsamkeit u. Demut..danke dass du mich wieder dran erinnert hast.

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