Die Chinmudra sieht so aus: Du hebst deine rechte Hand, du bringst Daumen und Zeigefinger zusammen. Das gilt als Chinmudra. Es gibt eine schöne Geschichte, wie diese Chinmudra in die Existenz kam. Zu Anfang der Schöpfung gab es vier Söhne von Brahma. Brahma, der Schöpfer. Die vier Söhne waren Kumaras, vier Kumaras, vier Söhne. Kumar heißt Sohn. Vier Söhne von Brahma. Und da sie die ersten waren, werden sie einfach als Kumaras, die Söhne, bezeichnet. Diese Kumaras wollten aber relativ zügig herausfinden: „Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ Anstatt jetzt tiefer in die Schöpfung hineinzugehen und anzufangen, alles Mögliche zu tun und Sinnesfreuden zu genießen, wollten sie wissen: „Wer bin ich?“

Es gibt ein altes Sprichwort, das besagt: „Ist der Schüler bereit, ist der Meister nicht weit.“ So, als die Schüler bereit waren, musste sich Gott manifestieren als Meister. So inkarnierte sich oder manifestierte sich Shiva als Dakshinamurti, die Verkörperung höchsten Wissens, die Verkörperung der Einweihung. Dakshinamurti wurde so zum Guru der vier Kumaras. Die vier Kumaras sahen plötzlich Dakshinamurti meditierend unter einem Baum. Es gibt auch schöne Darstellungen und Bilder von Dakshinamurti, meditierend unter einem Baum. Die vier Kumaras kommen dazu und sie fragen ihn. Und Dakshinamurti sagt nichts. Er hebt die rechte Hand und bringt sie in Chinmudra. Die vier Kumaras sahen diese Chinmudra, sie meditierten über die Bedeutung der Chinmudra und sie erreichten die Selbstverwirklichung, die Gottverwirklichung.

Es heißt, Brahma war nicht so ganz glücklich darüber, dass die Kumaras, seine Söhne, so schnell die Selbstverwirklichung erreicht hatten und kein Interesse mehr hatten, jetzt wirklich die Sinneswelt weiter zu manifestieren und an der Schöpfung weiter beteiligt zu sein. So heißt es, dass Brahma danach Menschen nochmals schuf. Diesmal schuf er sie als Mann und Frau und mit gegenseitiger Anziehungskraft, mit der Sicherheit, dass selbst wenn jemand die Selbstverwirklichung erreicht, er wird weiter in Familie und Partnerschaft in dieser Welt bleiben wollen.

Chinmudra – was ist jetzt die Bedeutung dieser Chinmudra? Der Daumen symbolisiert Brahman, das Absolute, das reine Bewusstsein, deshalb auch Chinmudra, Mudra des Bewusstseins. Daumen symbolisiert Bewusstsein. Zeigefinger symbolisiert hier das Ego. Und die drei kleineren Finger, die nächsten drei Finger, symbolisieren die drei Gunas. Da gibt es Sattva, den Ringfinger, den man auch schmückt, es gibt Tamas, den mittleren Finger, auch in Deutschland hat er durchaus so eine tamasige Bedeutung, und es gibt den kleinen Finger, das ist der rajasige Finger. Klein, aber wenn man auf den Tisch haut, dann nimmt man den kleinen Finger. Oder wenn man in Karate ein Holz durchtrennen will oder einen Stein, dann macht man das mit dem kleinen Finger, rajasig. Normalerweise ist jetzt das Ego weg von Brahman und verbindet sich mit den drei Gunas. Folge ist, wir nehmen die Welt wahr und wir vergessen, dass wir reines Bewusstsein sind. Wenn sich das Ego beugt in DemutEhrerbietung und Verehrung und abwendet von den drei Gunas und sich Brahman zuwendet, dann entsteht die Einheit, dann erfährst du selbst dich als reines Bewusstsein.

Chinmudra, die Mudra des reinen Bewusstseins. Das ist zunächst mal die Bedeutung, aber Chinmudra hat auch praktische Wirkung, sie erhöht das Prana, sie erhöht die Achtsamkeit. Wenn du meditierst z.B., kannst du die Hände in Chinmudra geben und dann die Hände auf Knie oder Oberschenkel legen. Wenn du Pranayama übst, z.B. Kapalabhati, kannst du auch Daumen und Zeigefinger sich berühren lassen, Chinmudra üben. Du kannst auch, wenn du Wechselatmung übst, die andere Hand in Chinmudra halten. Es gibt natürlich noch andere Handhaltungen und es gibt viele Mudras, aber heute geht es um Chinmudra, die Mudra des Wissens, mit Daumen und Zeigefinger zusammen und die anderen drei Finger entspannt, lang daneben. Chinmudra – die Handhaltung des reinen Bewusstseins.

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