Vielfach herrscht die verbreitete Vorstellung, Samadhi bedeute, nur mit einem Lendenschurz bekleidet im Zustand absoluten Nichtbewusstseins in Padmasana, der Lotusstellung, zu sitzen, wobei der Atem vollkommen still steht. Menschen meinen manchmal, dass der in Samadhi Ruhende sich seiner Umgebung nicht bewusst sein dürfe und vollkommen emp­findungslos zu sein hat, selbst wenn ein Messer in seinen Körper gestochen wird. Natürlich gibt es solche Samadhis. Das sind Jada Samadhis (Empfindungslosigkeit des Körpers), die durch Hatha Yoga Kriyas herbeigeführt werden können.

Mit Hilfe der Praxis von Khechari Mudra kann sich ein Hatha Yogi in einer Kiste ein­schließen und sich darin monatelang unter der Erde vergraben lassen. Zweifellos ist das eine schwierige Yoga Kriya (Yoga Übung), aber sie gibt nicht Atma Jñana, die Erkenntnis des Selbst.

In Jada Samadhi wird das Prana hochgezogen und in einem Chakra festgehalten. Der Mensch ist für diesen Zeitraum praktisch tot. Es ist wie ein langer tiefer Schlaf. Diese Samadhis sind wertlos. Es werden nicht alle Samskaras und Vasanas verbrannt. In diesem Samadhi herrscht kein vollkommenes Wachsein. Der Mensch kommt als derselbe alte Mensch aus seinem Samadhi, mit allen alten Samskaras und Vasanas. Er hat keine überintuitive Er­kenntnis. Es ist irgendwie ein akrobatisches Kunststück oder eine innere Gymnastik. Solche Samadhis können nicht Mukti, Befreiung, bringen. Unbedarfte Menschen lassen sich von solchen Kunststücken täuschen.

Wahrer Samadhi gibt übersinnliches Wissen. Der Yogi geht daraus mit neuer übersinn­licher Weisheit hervor. Das ist wahrer Chaitanya Samadhi. Im Chaitanya Samadhi herrscht vollkommenes Wachsein. In Jada Samadhi ist der Sadhaka (der, die Übende) unbewusst.

Chaitanya Samadhi ist etwas völlig anderes als Jada Samadhi. Darin werden alle Zweifel, Täuschungen und die drei Knoten - AvidyaKama und Karma - zerstört. Er schenkt absolute Furchtlosigkeit und einen unerschütterlichen Geisteszustand. Der Samadhi Zustand wird auch im Tätigsein aufrechterhalten.

Wer in Samadhi verwurzelt ist, hält Geist und Körper in vollkommenem Gleichgewicht, und nützt sie mit Atma Bhava zum Dienst an den Menschen. Er ruht immer fest in Brah­man. Er ist immer in Samadhi. Er schwankt unter keinen Umständen. Er steht fest aufgrund seiner Selbsterkenntnis.

Wirklicher Samadhi wird sowohl im Tätigsein wie auch in der Meditation aufrechter­halten. Das ist die wahre Prüfung für die innere Stärke und Verwirklichung eines Menschen. Das ist wahrer Chaitanya Samadhi. Ein Samadhi, in den man mit geschlossenen Augen in Berghöhlen und Wäldern gelangt, der aber während des Tätigseins gebrochen oder erschüttert wird, ist schon ein großer Entwicklungsschritt, aber noch keine anhaltende Verwirklichung.

- Dies ist eine Textpassage aus dem Buch:

Swami Sivanandas
Inspiration und Weisheit
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