„Der Bogenstrich des Geistes auf den Saiten der Seele soll im Körper resonieren. Immer ist er in das innere Geschehen einzubeziehen; zuerst nur zart berührt, muss er sich allmählich in jeder Zelle der transzendenten Durchdringung öffnen, muss er sich ganz dem inneren Schwingen vermählen.“ (Wilhelm Bodmershof über Mantra-Praxis,“GeistigeVersenkung“: Kober Verlag, 2. Aufl. 1978, 146) Der amerikanische Zen-Meister Dennis Genpo Merzel schildert in seinem Buch „Der Pfad“ (Aurum Verlag: 2009, 15-23) in für mich ungewohnter Offenheit und Ausführlichkeit seinen spirituellen Weg. Ich hatte diesen Bericht zweimal gelesen, einmal für mich allein, ein zweites Mal mit meiner Frau, als ich mich nach einiger Zeit bei einem Spaziergang beobachtete, wie ich meine eigene Schilderung zu formulieren begann. Da für mich der Bericht von Genpo Roshi einsichtsreich, hilfreich und wertvoll war, hoffe ich, dass mein eigener Bericht ebenfalls für den einen oder anderen Menschen von Nutzen sein wird. Als ich vor etwa 25 Jahren, im Oktober 1985 zu meditieren begann, da war das seelische Leid einer Trennung von einem geliebten Menschen vorausgegangen und ein - meiner Verzweiflung darüber folgendes - erstes „Erwachen“: ein Erleben „Gottes“, eine Erfahrung des „Göttlichen“, eine Öffnung des „spirituellen Herzens“, eine „Wesensschau“, ein Erleben der „Buddhanatur“, eine „Erleuchtung“, ein Erlebnis der „Befreiung“. Wie immer wir es nennen wollen. Denn ich will hier nicht unterscheiden, weiß aber, dass dies für viele Menschen zwar sehr verständlich ist, für andere jedoch ganz unverständlich und unbefriedigend bleiben muss. Spontan habe ich mein Erlebnis aber immer als „Gotteserfahrung“ verstanden, als Erleben der Wirklichkeit dessen, was mit diesem Wort ja immer gemeint gewesen sein musste und das sich mir damals endlich und erstmals nicht als eine Vorstellung, sondern als „realste“ Wirklichkeit gezeigt hatte. Meine Erkenntnis daraus aber lautete folgendermaßen: Gott ist in allem und alles ist in Gott, Gott ist in mir, Gott ist Liebe. All dieses wusste ich nun aus meinem eigenen, absolut unbezweifelbaren Erleben. Dieses Erlebnis war es also, das mich zur Meditation gebracht hat mit dem Buch „Zen und Wir“ und ein Jahr später auch zu Karlfried Graf Dürckheim, seinem Autor, meinem „äußeren Meister“. Dürckheim wiederum verwies mich nach einiger Zeit an Wolfram Helke, einen Leibtherapeuten, der sich für das Erleben des Seelischen im Körper und für die Verkörperung des Geistes durch die Kräfte der Seele einsetzte und auch heute noch einsetzt.(„Körper-Seele-Geist wahrnehmen“, Oratio Verlag) Als ich zu meditieren begann, ging es mir darum, in Tuchfühlung mit meinem damaligen Erlebnis zu bleiben, nein: erst einmal wieder dorthin zu gelangen! Ich wollte dieses Erleben zurückhaben, denn ich empfand es als das Kostbarste, das mir jemals in meinem Leben geworden war. Allerdings war ich mir damals noch nicht ganz sicher, ob mich sein Segen noch über den Tod meines Körpers hinaus begleiten würde. Ob ich auch nach meinem Tod ein individueller „geistiger“ Mensch bleiben würde oder mich auflösen würde in Nichts. Als ich zu meditieren begann, da wollte ich mein Kreisen um Gedanken, mein Leben in einer Gedankenwelt, meine Zentrierung im Kopf und mein Ausgeliefertsein an Gefühle wie Angst, Scham und Unsicherheit loslassen lernen. Ich wollte mich einerseits im „Hara“, einem Punkt unterhalb des Nabels, andererseits im gesamten Bauch-Becken-Bereich (ebenfalls jap. „Hara“) fokussieren, mich dort ganz versammeln. Ganz allmählich - mithilfe oftmals mühsäliger tiefenpsychologischer Schattenarbeit und der seelenbezogenen „Personalen Leibtherapie“, die Wolfram Helke aus dem Ansatz von Dürckheim immer noch weiter zu entwickeln verstand - vertiefte, verbreiterte und erhellte sich dieser Bereich zum innen empfundenen Bauch-Becken-Raum; einem gut erspürbaren und empfindbaren Innenraum; einem heilsamen Gegengewicht zur Gedankenwelt meines „Oberstübchens“. Mein „Gedanken-Himmel“ hatte endlich seine „Erde“ gefunden. Ein neues Zentrum für meine Selbstempfindung und die Wahrnehmung nach außen hin, also nach außerhalb meines Körpers hin, war nach und nach entstanden. Vor allem seit ich auf dem Stuhl zu meditieren begann, kamen immer entscheidender zum Bauch-Becken-Raum auch die auf dem Boden ruhenden Füße und die Beine zu einer spürbaren, fühlbaren Einheit hinzu. Auf dieser Basis, auf den Fundamenten dieses gesamten Innenraumes, ergab es sich im Laufe meines weiteren Lebens mehrfach, dass mir wiederum das Herz aufgehen konnte, was im ganzen Leib empfindbar war und im ganzen Leib sich auswirken wollte. Speziell war dies 1986 der Fall, als im Rahmen eines Zeichenprozesses das Bild bzw. Symbol „The Big Heart Man“ (chin.: Xinren tu, siehe meine Webseite) entstand und weiterhin besonders stark und deutlich als ich 2002 mich über 5 Tage der Übung der Stille in einer Gruppe widmete. Ich war mit dem Jesus-Gebet, das auch Herzens-Gebet genannt wird, „schwanger“ gewesen. Interessanterweise schien übrigens niemand dieses nachhaltige Erleben zu bemerken: Ich war eben trotz aller „Seligkeit“ nicht in einer „Ekstase“ als einem außer mir Sein, sondern in einer nüchternen Sammlung, einer geistigen „Enstase“ als einem ganz bei mir und in mir Sein. In mir lebte eine stille, leuchtende Einheit des Seins, erfühlt und empfunden im ganzen Leib. Seither erst weiß ich mit aller Deutlichkeit, dass man nicht in mich hineinsehen kann, was ich bis dahin immer noch gedacht hatte. Zuvor hatte ich nämlich noch den Glauben, jede(r) könne in mir lesen wie in einem offenen Buch. Welch ein Irrtum! In den Jahren 1991 und 2010 hatte ich sogar den Eindruck, dass „das Werk“ nun endgültig vollbracht sei! Ein Eindruck, den ich nach einigen Wochen oder Monaten jeweils wieder aufgeben musste. Dies mag nun vermessen geklungen haben, erklärt sich jedoch durch die Vollkommenheit und Schönheit meines damaligen Erlebens, seine makellose Reinheit, meine restlose Zufriedenheit: „Was ist das eigene Wesen im Schauen des Selbst? – unvergängliches, wandelloses, in sich volles, um sich wissendes Glück. Im höchsten Glück jenseits von Fesseln und Erlösung webst du göttlich im Dienst des Göttlichen.“ (Ramana Maharshi, nach Heinrich Zimmer: Der Weg zum Selbst, Diederichs, 6. Aufl. 1989, 163) Da mein Erleben jeweils wieder verklungen ist, darf ich also nicht wie Ramana berichten: „Diese Verschlungenheit ins ´Selbst´ hat von jener Stunde an bis heute nicht aufgehört. Andere Vorstellungen und Gedanken mögen kommen und gehen wie viele Töne einer Musik, aber dieses Ich dröhnt als Grundbass fort, der sie alle begleitet und sich mit ihnen verbindet. Ob mein Körper mit Sprechen, Lesen oder sonst etwas befasst war, immer blieb ich auf dieses ´Ich´ versammelt.“ (ebenda, 24f) Mein spiritueller Weg hat vielleicht mit der Sehnsucht des 14-jährigen begonnen, spätestens jedoch mit der Suche des 16-jährigen, der Paulus, Buddha und die Bhagavadgita zu lesen begann, zutiefst berührt von so mancher „Seinsfühlung“ (Dürckheim) und der schließlich 20-jährig unbezweifelbar Gott im eigenen Herzen erleben durfte. Wenn ich nach etwa 30 Jahren zurückblicke, so kann ich heute Folgendes sagen: Immer deutlicher, stärker und beständiger wurde mein Herz das erfühlte (aktiv) bzw. empfundene (passiv) Zentrum meines Selbsterlebens - seelisch wie körperlich. Immer leichter wurde es mir, mich selbst und die Welt im Herzen und aus dem Herzen zu erleben; mich wieder im Herzen zu zentrieren (aktiv) oder im Herzen zu empfangen (passiv), wenn ich dieses Erleben als ein bewusstes Erleben verloren hatte. In jeder formalen Meditation, die insgesamt gesehen – also durch alle Höhen und Tiefen hindurch! – immer erfüllender und erfüllter wurde, aber ebenso im Alltag. Das Herz ist für mich die Mitte, die im Ganzen lebt und gewissermaßen auch das Ganze ist. Das spirituelle oder geistige Herz, der Herz-Geist, kann im Herz des Körpers und im ganzen Körper widerklingen. Aus eigenem Erleben weiß ich also, dass der Körper allmählich zur Ausdrucksform des Herzens werden kann, zum Resonanzraum und zum Tempel des unvergänglichen, ewigen Geistes. Er kann werden, was er noch nicht im vollen Sinne ist, solange ich noch verstrickt bin in meine Gedanken, in Gefühle oder triebhafte Leidenschaften, in Neid, Gier, Hass und Unwissenheit. Alles Denken, Fühlen und Empfinden, jegliche sinnliche Wahrnehmung, Instinkt, Intuition und Inspiration, alles Reden und Handeln kann allmählich im Einklang mit dem Herzen sich ereignen. Bewusstes Sein kann den ganzen, einheitlich empfundenen Körper- und Seelenraum erfüllen. Der Mensch kann in einem Licht-Ei, einer Licht-Kugel gehen und leben, erleuchtet und durchstrahlt vom Licht des Bewusstseins, des Herz-Geistes, des wahren Selbst, ja vom Göttlichen im ursprünglichen Selbst. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass mein Selbsterleben zunehmend inniger, tiefer, dichter, lichter, klarer, praller, satter, sättigender, durchtränkter, erfüllender und erfüllter, voller und runder werden kann, obwohl die Substanz der Erfahrung immer die gleiche war und bleiben wird. „Ehe Abraham war, BIN ICH!“, das galt schon immer! Doch positiv verändert hat sich mein seelisches Selbsterleben im und durch den Körper. Den Charakter der Plötzlichkeit hatten die besonderen Erlebnisse, die Gipfelerlebnisse, die ich als Gnade empfunden habe, als Geschenke, die sich meiner Verfügungsgewalt immer entzogen haben und die ich wohl dennoch mit vorbereitet habe durch mein Leben. Nur allmählich aber hat sich das Erleben der eigenen ewigen Geistigkeit, die auch kein Tod beenden kann, in mir gefestigt. Wenn ich sterben werde, dann werde ich mich nicht in Nichts auflösen, sondern dann werde ich leben als ein universelles Individuum, ein individuelles Universum, ein einmaliges Ganzes im Ganzen, ein Nichts im Nichts, ein Herz in den Herzen, ein Himmel in den Himmeln. An einen strahlenden Stern muss ich an dieser Stelle denken. Den Morgenstern, die Venus, sah der Buddha, „erwachte“ und erkannte endlich sich selbst. Ein strahlender Stern, ein leuchtender „Sonnenstern“. Auch nach meinem Tod werde ich immer noch mit allem und jedem verbunden bleiben, in vom Körper befreiter, durch die spirituelle Entfaltung gesteigerter, seelisch-geistiger Wirksamkeit. Ungehindert durch diesen kostbaren Körper, der mir jetzt noch Träger und notwendiges Vehikel, geeignetes Heil- und Hilfsmittel für meinen Heimweg, wertvollste Werkstatt meiner seelischen Selbstgestaltung ist. Meiner ewigen Geistigkeit kann ich nichts hinzufügen, aber durch das körperliche Leben kann ich mich seelisch gestalten und seelisch wachsen bis zum Tod. Im ewigen „Geistesfunken“ erkenne ich in der Sammlung mich selbst als ein ewiges Selbst oder „innerstes Ich“, in dem ich „ICH BIN!“ sagen darf. Dieser „Funke“ ist einmalig und unzerstörbar. In ihm können die Kräfte der Seele ihre Einigung und Durchlichtung erfahren, in ihm können sie ihre Mitte, ihr bleibendes Zentrum finden. Durch die Seele kann er im ganzen Körper „resonieren“. Im „Seelengrund“ kann „Gott“ sich „gebären“, erlebbar in der geschützten, zu behütenden Höhle der Brust, im eigenen Herzen. Mir zuliebe gehe ich den Weg. Nur wenn ich mich selber im Göttlichen liebe, kann ich meinen Nächsten lieben wie mich selbst. Nur Phantasien und Konzepte? Doch nur körperbedingtes Erleben, zu Ende mit dem Tod? Aber wie könnte ich an meiner Erkenntnis und Wahrheit noch zweifeln? Wo ich doch so oft schon in meinem ganzen Körper und durch meinen ganzen Körper erleben durfte, dass ich nicht nur ein endliches Wesen, sondern vor allem und schon immer ein unendliches Wesen bin! Und Bô Yin Râ uns durch sein geistiges Lehrwerk ein so eindeutiges, sicheres Zeugnis gibt! „Sie sagen, ich sterbe“, wiederholte Ramana Maharshi mehrfach am Ende seines Lebens. ... Weiter: http://www.big-heart.de/media/Mein_spiritueller_Weg.pdf

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  • Vielen Dank für deinen inspirierenden Text! Du hast viele Themen erwähnt, die mich gerade beschäftigen. Und mir ein bißchen mehr Selbstvertrauen gegeben. Danke!
    Angelika

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