Woran man den selbstverwirklichten Menschen erkennt

Bhagavad Gita, 2. Kapitel, 54. Vers, Zwiegespräch zwischen Krishna, dem Lehrer und Arjuna, dem Schüler. Der Arjuna fragt: „Wie, Oh Krishna, ist ein Mensch von stetiger Weisheit, einer, der im überbewussten Zustand aufgegangen ist? Wie spricht jemand, der ewige Weisheit besitzt, wie sitzt er, wie geht er?“

Das ist eine wichtige Frage, denn es gibt ein psychologisches Gesetz, das sagt: Woran man denkt, das wird man. Wenn man ständig über seine Fehler und Schwächen nachdenkt, dann sind die besonders gegenwärtig und vielleicht werden sie sogar stärker. Im Menschen ist ja alles drin. Da sind Schwächen, Stärken, Probleme - aber auch das höchste Selbst. Darum fragt der Arjuna an einigen Stellen in der Bhagavad Gita, wie er sich den vollkommenen Zustand vorstellen soll. Er will wissen, wie jemand spricht, der das höchste Selbst erreicht hat, wie er geht und wie er sitzt. „Wie müsste ich sprechen, damit ich so große Weisheit besitze? Überlegt er sich. „Wie müsste ich mich hinsetzen oder gehen?“ Vielleicht spricht ein selbstverwirklichter Mensch sehr getragene und ruhige Worte. Vielleicht sitzt er ständig gerade aufgerichtet und schaut einen mit durchdringenden Blick an. Vielleicht schreitet er sehr gemäßigt in ruhigen Schritten.
Krishna geht in seiner Antwort darauf überhaupt nicht ein, denn einen Verwirklichten erkennt man nicht an seinem Verhalten. Es gibt Verwirklichte, die sprechen sehr gemäßigt und es gibt andere, die sprechen überschwänglich. Es gibt Verwirklichte, die sitzen kerzengerade und es gibt auch solche, die vielleicht nicht so gerade sitzen. Es gibt Verwirklichte, die schreiten tatsächlich sehr gemäßigt und es gibt solche, die rennen durch die Gegend. Es gibt so viele Weisen, wie es Charaktere gibt und letztlich ist jeder Mensch anders. Trotzdem beschreibt Krishna an vielen anderen Stellen einige Charakteristika verwirklichter Menschen. Hier einige davon:
„Von dem Menschen, Oh Arjuna, der alle Wünsche des Geistes von sich weist und im Selbst durch das Selbst Zufriedenheit erfährt, wird gesagt, er sei ein Sthita-Prajna, ein Verwirklichter, ein Mensch beständiger Weisheit.“
„Ein Mensch, dessen Geist durch Unglück nicht erschüttert wird, der sich nicht nach Vergnügen sehnt und frei ist von Anhaftung, Furcht und Zorn, wird ein Mensch stetiger Weisheit genannt.“
„Wer überall ohne Verhaftung ist, Gutem oder Schlechtem verhaftungslos begegnet, weder bejubelt noch verabscheut, dessen Weisheit ist fest begründet.“
„Wenn er in der Lage ist, so wie die Schildkröte, die ihre Glieder an allen Seiten einzieht, seine Sinne von den Sinnesobjekten zurückzuziehen, wird seine Weisheit unerschütterlich.“
„Nachdem der Weise über alle Sinne hinausgewachsen ist, sitze er unverwandt und versenke sich in das höchste Selbst; die Erkenntnis des Menschen ist stetig, der über seine Sinne hinausgewachsen ist.“
„Der Mensch erlangt Frieden, in den alle Wünsche einfließen wie das Wasser in den Ozean und der unbewegt bleibt, obgleich er von allen Seiten her gespeist wird.“
„Der Mensch erlangt Frieden, der über alle Wünsche hinausgewachsen ist, ohne Verlangen, ohne den Gedanken von „Mein“ und ohne Ichbewusstsein.“
„Das ist der Sitz Brahmans, der ewige Zustand. Keiner, der diesen erreicht hat, unterliegt jemals wieder der Täuschung. Und wer darin auch am Ende des Lebens fest verankert ist, erreicht die Einheit mit Brahman.“

Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga-Vorträge als mp3

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