Was uns wirklich satt macht

Hallo und herzlich willkommen zu den Yoga Vidya täglichen Inspirationen! Ich will heute etwas lesen aus der Bergpredigt, aus dem Matthäus-Evangelium. Jesus sagt dort: „Selig sind, die da hungert und durstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“

Das ist ein Vers, der nicht einfach zu verstehen ist, denn angenommen, man schaut in dieser Welt nach Gerechtigkeit, was wird man feststellen? Es gibt keine Gerechtigkeit. Diejenigen, die Gutes tun werden krank, die, die Schlechtes tun sind vielleicht auch gesünder und so weiter. Wenn man wirklich nach Gerechtigkeit geht, dann wird man feststellen, da scheint keine Gerechtigkeit zu herrschen.

Natürlich, wir können dann in die Richtung Karma gehen und können sagen, vielleicht gibt es noch ein früheres Leben und künftige Leben und so ist dann irgendwo die Gerechtigkeit wieder hergestellt. Man kann das aber auch noch auf andere Weisen verstehen. Zum einen: „hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit“ heißt letztlich auch, die Sinnfrage zu stellen. Wenn wir fragen: „Warum ist das Ganze so?“, dann bringt es natürlich wenig, wenn wir nur sagen: „Warum bekomme ausgerechnet ich, zu dem Zeitpunkt, wo ich mich zu etwas Gutem entschlossen habe, diesen Unfall oder diese Krankheit? Oder irgendjemand anderes wirft mir irgendwelche Steine in den Weg.“ Das bringt uns nicht weiter. Aber insgesamt zu fragen: „Gibt es da nicht einen höheren Sinn dahinter?“ Wenn wir dieses Hungern und Dursten haben, dann sind wir auf der richtigen Fährte.

Wenn wir dort noch weitergehen, dann entdecken wir, dass Gerechtigkeit, das, was dort im Griechischen steht und was vielleicht Jesus im Aramäischen gesagt hat, mehr ist, als der deutsche Begriff „Gerechtigkeit“, sondern da geht es noch etwas tiefer. Es geht darum, zum Heil zu kommen. Selig sind die, die da hungert und durstet nach etwas Höherem - das wäre dann das, was wir im Yoga als Mumukshutwa bezeichnen. Mumukshutwa ist der Wunsch nach Befreiung.

Vielleicht hat der ein oder andere von euch auch mal in irgendwelchen Zeitungen oder Fernsehen oder Internet gelesen, dass die christlichen Kirchen sich immer mit der so genannten Rechtfertigungsfrage beschäftigen. Der theologische Begriff „Rechtfertigung“ heißt: Wie kommen wir zum Heil? Wie kommen wir zur Erlösung? Wie kommen wir zu Gott? Und damit ist auch hier klar: Nach Gerechtigkeit zu streben, das ist nicht wirklich die irdische Gerechtigkeit, auch wenn dort jeder sich bemühen muss. Aber von einer höheren Ebene aus ist das Streben nach dem Höchsten eine der ganz wichtigen Aspekte auf dem Weg.

Patanjali sagt auch: „Verwirklichung kommt schnell für die, deren Streben intensiv ist.“ So ist jetzt vielleicht auch so ein Moment, in dem man sich fragen kann: „Strebe ich weiter nach dem Höchsten? Dieser Wunsch nach Befreiung oder Wunsch nach Gottverwirklichung oder Wunsch, die Einheit zu erfahren, ist dieser Wunsch stark genug in mir?

Man kann nach Höherem streben, man kann nach Einfacheren streben. Wir können Yoga machen, um ein bisschen mehr Energie zu haben, wir können Yoga machen, um ein bisschen besser zu entspannen, wir können Yoga machen, um ein bisschen gesünder zu sein. Es gibt Menschen, die machen Yoga, um besser auszusehen. Es gibt Menschen, die machen Yoga, um kreativer zu werden, um im Job etwas erfolgreicher zu sein. Und Yoga hilft ja auch bei all dem. Aber das wird uns nicht dauerhaft satt machen. Was uns satt macht, ist, wenn wir wirklich nach dem Höchsten streben. Das Höchste mag schwer zu erreichen sein, aber es macht uns dauerhaft satt. Nichts anderes wird uns dauerhaft satt machen. So können wir jetzt noch einmal einen Moment lang in die Meditation gehen, in die innere Stille, und uns fragen: „Was ist wirklich das tiefste Ziel in meinem Leben? Wozu bin ich auf der Welt? Was ist mein wirklich starkes Streben?“

Hari Om Tat Sat

Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3
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