Padmasana, die Lotusstellung – HYP I.46

Hatha Yoga Pradipika, 1. Kapitel, 46. Vers
„Atha padmasanam vama uru upari dakshinam cha charanam sansthapya vamam tatha daksh uru upari paschimena vidhina dhritva karabhyam dridham angushthau hridaye nidhaya chibukam nasagram alokayet etad vyadhi vinasha kari yaminam padmasanam prochyate.“
„Nun wird Padmasana erklärt. Platziere den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel und genauso den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel. Kreuze nun die Hände hinter dem Rücken bis sie zu den großen Zehen fassen. Platziere dabei das Kinn auf das Herz und blicke zur Nasenspitze. Dies bewirkt die Auflösung aller Krankheiten und ist bei den Yogis sehr hoch wertgeschätzt.“


Padmasana, die Lotusstellung. Vordergründig beschreibt er hier denn gebundenen Lotus. Also, die Füße zur Lotushaltung, auf die gegenüberliegenden Oberschenkel. Von hinten greifst du dann mit den Händen an die Füße und dann gibst du noch das Kinn zum Brustkorb und schaust dieses Mal zur Nasenspitze hin. Das ist eine fortgeschrittene Asana, die du in Hatha Yoga Kursen systematisch lernen kannst. Es gibt viele Übungen, die du machen kannst, um die Lotusflexibilität zu erreichen. Es geht durchaus mit einiger Anstrengung für die Mehrheit der Menschen, den Lotussitz zu beherrschen. Hier will ich aber bei den täglichen Inspirationen auf etwas anderes die Aufmerksamkeit richten. Er beschreibt Lotus, Padmasana. Padma – Lotus. Padma wird in Indien sehr oft verwendet.

Was heißt Padma? Wofür steht es? Zum einen natürlich, Padmas, die Lotusblumen sind sehr, sehr schön, vergleichbar mit den Seerosen, die du vielleicht auch manchmal auf Teichen siehst. Die Seerose ist ganz wunderschön. Und so steht Padma, der Lotus, ganz einfach für Schönheit. Und es heißt, Gott ist Satyam, Shivam, Sundaram. Er ist Wahrheit, Satyam, er ist Shiva, Liebe und er ist Sundaram, Schönheit. Du kannst Gott in der Schönheit sehen. Und das möchte ich dir schon als Anregung geben. Vielleicht, schaue gerade nach diesem Podcast, was ist schön für dich? Und wenn du Schönheit anschaust, lasse die Schönheit auf dich wirken. Spüre sie vom Herzen her, spüre, wie Schönheit sich anfühlt. Padma steht zum einen für das Öffnen. Zunächst gibt es eine kleine Knospe, die wird immer größer und dann öffnet sie sich immer mehr. Man kann das sogar sehen, die die Knospe sich immer weiter öffnet. Und das ist etwas ganz Wunderschönes. So steht Padma auch für die Fähigkeiten, die in dir stecken. Vieles in dir ist zunächst wie in einer Knospe. Und dann, wenn diese Knospe sich öffnet, dann wird es ganz wunderbar. Gehe davon aus, dass auch in dir noch viele Knospen sind. So wie eine Seerosenpflanze nicht nur eine Blüte hat, sondern viele. So ähnlich hast du nicht nur ein Talent, sondern viele. Menschen, die etwas älter werden, blockieren oft einiges. Sie haben gemerkt, das ein oder andere können sie und das können sie gut und versuchen, jetzt dabei zu bleiben.

Als spiritueller Aspirant bleibe neugierig, sei dir bewusst: „Welche Knospen sind noch in mir? Welche Knospen warten darauf, dass sie sich öffnen? Welche Knospen wollen erblühen?“ Nimm das als eine besondere Einstellung und als Vorsatz, sei neugierig, welche Blüten in dir noch sind und erblühen wollen. Und natürlich nicht nur in dir, auch in anderen Menschen. Passe auf, dass du andere nicht zu schnell in eine Schublade steckst, dass du zu schnell sagst, „ja, der Mensch ist so und so“, sondern sei dir bewusst, Menschen haben so viele Knospen. Die nächste Eigenschaft von Lotusblumen ist, wenn es regnet, dann perlen die Tropfen von den Blättern ab. So steht Lotus auch für die Unberührtheit. Es steht auch dafür, dass du im täglichen Leben allen möglichen Herausforderungen ausgesetzt bist. Du bekommst Lob und Tadel, die Dinge gehen gut oder schlecht, es gibt mal Auseinandersetzungen und mal keine. Ein spiritueller Aspirant kann all diese Stürme und Gewitter des Lebens über sich ergehen lassen und er weiß, das Selbst ist davon nicht berührt. Die Tiefe deiner Seele ist so wie dieses Lotusblatt, alles perlt daran ab. Du musst natürlich deinen Alltag leben und auf alles Rücksicht nehmen. Aber lasse dann letztlich alles abperlen und in der Meditation sei dir bewusst, du bist das Ewige und das Unendliche.

Noch eine weitere Analogie wofür Lotusblüte steht, oft wächst die Lotuspflanze am besten, wenn am Grund des Sees Dreck ist. Am Grund des Sees haben sich vielleicht verschiedene Blätter abgesetzt und so gären die dort unten und darauf können die Lotusblüten besonders gut wachsen. Und sie sind dann rein, auch wenn sie unten im scheinbaren Schlamm sind. So ähnlich, ein spiritueller Aspirant ist auch im Schlamm, das heißt, im Alltag, und der Alltag ist manchmal auch etwas dreckig. Es ist nicht immer einfach, immer das Richtige zu tun und oft ist das Richtige nicht klar und manchmal bist du auch in schwierigen Lebenssituationen, manchmal bist du in Umständen, wo du sagst, „die ziehen mich runter“. Ein spiritueller Aspirant kann aus allem Nahrung ziehen, spirituelle Nahrung. Das heißt, ein spiritueller Aspirant geht davon aus: „Was auch immer kommt, es ist Nährstoff für meine spirituelle Entwicklung. Und was auch immer kommt, hilft mir auch, meine Talente zum Vorschein zu bringen.“ Es gibt nichts, was wirklich schlecht ist für einen spirituellen Aspiranten, solange er sich ethisch verhält und aus allem das Beste macht, in allem die Lektionen sieht und in allem sieht, dass es ihm helfen kann, spirituell zu wachsen, seine Talente und Fähigkeiten zum Ausdruck zu bringen und letztlich zum Göttlichen hinzustreben. Denn natürlich, die Blüte öffnet sich nach oben zur Sonne hin, so öffnest du dich zum Göttlichen hin, und dabei erfreut die Lotusblüte alle Wesen, die sie anschauen und die Bienen bekommen viel Nektar. So ähnlich, du richtest dein Leben nach dem Göttlichen aus, du erblühst. So erfreuen sich alle Menschen an der Energie und der Freude, die du ausstrahlst und einige bekommen aus dem Zusammensein mit dir viel Nektar.

 

 

 

Unbearbeitete Niederschrift eines Hatha Yoga Pradipika Audio-Vortrags mit Sukadev Bretz. Mehr Infos:

 

 

 

 

 

E-Mail an mich, wenn Personen einen Kommentar hinterlassen –

Sie müssen Mitglied von Yoga Vidya Community - Forum für Yoga, Meditation und Ayurveda sein, um Kommentare hinzuzufügen.

Bei Yoga Vidya Community - Forum für Yoga, Meditation und Ayurveda dabei sein