Einfach leben, erhaben denken

Hallo und herzlich willkommen zu den Yoga Vidya täglichen Inspirationen! Heute spreche ich über das Motto von Swami Sivananda, das er in seinem Buch „Licht, Kraft und Weisheit“ beschreibt: „Einfach leben und erhaben denken“.

Das ist eines der Grundprinzipien der spirituellen Praxis: Einfach leben, erhaben denken oder in Englisch: „Simple living, high thinking“.

Wir sind es heutzutage gewohnt, unser Leben immer komplizierter zu machen. Wir denken, wenn wir nur eine ausreichend große Wohnung, eine ausreichend warme und schöne Wohnung haben, ein ausreichend gutes Auto, ein ausreichend gutes Handy, ein ausreichend guten Notebook, dann wird alles gut. Und wenn wir dann noch eine ausreichend gute Krankenversicherung, Lebensversicherung, Diebstahlversicherung, Einbruchsversicherung und hunderttausend andere Versicherungen haben, dann sind wir glücklich. In unserer Gesellschaft sind Menschen hauptsächlich damit beschäftigt, die äußeren Lebensumstände immer wieder zu verbessern, was ja an sich nichts Schlechtes ist. Aber indem man sich die ganze Zeit hauptsächlich damit beschäftigt, kommt man weniger dazu, erhaben zu denken.

Auch unter Yogaschülern gibt es eine gewisse Neigung dazu. In letzter Zeit gibt es im Yogaforum so Diskussionen. Welche Matte ist die Richtige für mich? Nagelmatte, Yantramatte, Schafswollmatte oder eine Plastikmatte, Sticky Mat oder eine Öko Sticky Mat oder eine Tapasmatte oder die Yogistar-Matte. Als ich mit Yoga angefangen habe, hat man immer gesagt, Handtuch plus Teppich, fertig, mehr braucht es nicht. Was ist das ideale Kissen? Großes Kissen, kleines Kissen, ovales Kissen, rundes Kissen, Halbmondkissen, quadratisches Kissen, dinkelspelzgefülltes Kissen oder buchweizenspelzgefülltes Kissen oder kapokgefülltes Kissen, rotes Kissen, blaues Kissen, grünes Kissen, mit Innenfutter, ohne Innenfutter. Als ich mit Yoga angefangen habe, hat man noch gesagt, eine gerollte Decke ist alles, was es braucht. Oder die Yogakleidung. Leichter Stretchingstoff oder fester Stoff, Baumwolle oder nicht ganz Baumwolle, Chi-angereicherte Kleidung, dehnbarer Stoff, haltbarer Stoff, Öko-Stoff.

Inzwischen sind viele Menschen hauptsächlich – oder doch zu einem großen Teil – damit beschäftigt, solche äußeren Dinge zu verbessern, in der Hoffnung, es verbessere die Qualität von Meditation und Asanas. Ich will euch ein offenes Geheimnis sagen, auch wenn das jetzt umsatzschädigend für unsere Boutique ist. Die Qualität der Meditation hängt nicht allzu sehr davon ab, worauf man sitzt. Und die Tiefe der Erfahrung im Pranayama und in den Asanas hängt nicht davon ab, worauf man liegt. Die Erhabenheit der Erfahrung in der Yogapraxis hängt auch nicht übermäßig davon ab, welche Kleidung man trägt. Sie sollte irgendwo zweckmäßig sein. Natürlich ist es auch nichts Falsches, seinen ästhetischen Sinn auszuleben, solange man das ein bisschen spielerisch macht und nicht nach dem Motto: „Wenn ich nur die richtige Matte und die richtige Kleidung und das richtige Kissen finde, dann werde ich Samadhi in der Hälfte der Zeit erreichen.“

So sollte man sich immer wieder bewusst machen: Simple living und high thinking, einfach leben, erhaben denken. Ihr könnt öfters mal überlegen: „Bin ich wieder dabei, dem westlichen Prinzip von „Leben komplexer gestalten“ zum Opfer zu fallen? Ist mein Geist irgendwo im Materiellen gefangen und kann sich nicht erheben?“ Wie gesagt, man kann das Spiel mitspielen. Bei Yoga Vidya, spielen wir es ja auch bis zu einem gewissen Grad mit. Aber letztlich halten wir es hier eher mit dem Gedanken: Einfacher geht es genau so gut. Angenommen, wir hätten die Yoga Vidya Häuser für eine halbe Million luxuriös ausgestattet und saniert. Angenommen, wir hätten einen edlen Spender gefunden. Wäre die Meditation hier besser? Oder tiefer? Oder weiter? Könnte man deshalb Gott besser erfahren? Nein.

Natürlich, der Altar muss irgendwo schön sein, denn das hat eine Wirkung auf uns. Der Rest ist einfach so, wie man es sich halt leisten kann. Wenn man sich mehr leisten kann, spricht nichts dagegen, mehr Geld auszugeben und damit vielleicht anderen etwas Gutes zu tun. Es wird ja heute überall gesagt, man soll mehr Geld ausgeben, damit Arbeitsplätze erhalten werden. Nur sollte man sich nicht vorstellen, dass das dazu führen würde, die Meditation zu vertiefen. „Simple living, high thinking. Einfach leben, erhaben denken.

Ihr könnt auch ohne materielle Güter glücklich sein, freundlich sein, liebevoll eure Beziehungen mit anderen Menschen gestalten, die Schönheit wahrnehmen in dem, was schon ist, euren Geist erheben, um Satchidananda wahrzunehmen: Sein, Wissen und Glückseligkeit. Swami Sivanada schreibt hier zum Schluss des Kapitels: „Möge ein Meer göttlicher Ekstase und göttlicher Glückseligkeit sich dir auftun. Möge dir so alles herrlich gelingen.“

Hari Om Tat Sat


Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3

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