Die Bhagavad Gita

Ich lese etwas aus dem Buch „Göttliche Erkenntnis“ von Swami Sivananda, aus dem Kapitel „Gita“. Gita heißt wörtlich Gesang. Was in Indien einfach als „Gita“ steht, ist die Bhagavad Gita, also der göttliche Gesang, das Zwiegespräch von Krishna und Arjuna, welches dann allerdings in Versform gefasst worden ist und daher auch gesungen werden kann. „Gita“ steht aber auch für ein bestimmtes Prinzip. Wir können sagen, unser ganzes Leben ist eine Gita, ein Gesang. Man kann Leben auf verschiedene Weisen betrachten: Auf der einen Seite ist Leben Tragödie. Das Ende steht schon fest. Was ist das Ende unseres Lebens? Der Tod. Daran können wir nichts ändern. Wir können zwar viel Asanas und viel Pranayama üben, uns mit reiner vegetarischen Biokost ernähren, freundlich mit anderen umgehen, glücklich sein – trotzdem werden wir irgendwann sterben. Also auf einer Ebene ist das Leben eine Tragödie. Und angenommen es dauert ein bisschen länger bis wir sterben, dann ist es eine noch größere Tragödie – warum? – dann sterben alle anderen vor uns. Das mag man auch nicht so gerne. Es gibt dort diese berühmte Geschichte, wo ein Zen-Meister mal gefragt wurde:, „Was ist der größte Segen?“ Er antwortete: „Der größte Segen ist, wenn alles in der rechten Reihenfolge stirbt.“ Denn die Vorstellung, dass etwas ewig dauert, ist unrealistisch. Das Beste, was wir haben können ist, dass wir eben in einer gewissen Reihenfolge sterben. Nicht zu früh und nicht zu spät. Genauso geht es mit Dingen, die wir besitzen: Auch unser Auto geht irgendwann kaputt. Selbst unser Computer geht irgendwann kaputt. Garten kann kaputt gehen usw. Gut, auf der einen Ebene können wir also sagen, Leben ist eine Tragödie. Besteht eigentlich nur aus Verlusten. Eine Sichtweise. Auf der anderen Seite ist Leben Abenteuer. Es stellt uns immer wieder neue Herausforderungen. Oder wie viele Tage gibt es in eurem Leben, die genau so ablaufen, wie ihr das morgens euch so vorstellt? Es mag sie zwar auch geben, aber es ist selten und wer Yoga übt, erfährt sie noch seltener. Da heißt es ja so schön, wenn wir Yoga üben, kriegen wir mehr Prana, dann beschleunigt sich unser Karma. Freuen wir uns drüber. Aber beschleunigen heißt dann, es passiert auch mehr. Vielleicht passiert noch nicht mal unbedingt mehr, aber wir bemerken es bewusster. Menschen, die vielleicht weniger Yoga oder gar kein Yoga üben, die verpassen so viel. Kriegen es gar nicht mit. Ein einfaches Beispiel: Irgendwann mal habe ich mal ein Interview gelesen von einem Professor, das war in „Psychologie heute“, der wurde gefragt, „Was heißt Gesundheit?“ Und der hat gesagt: „Schwierig zu beantwortende Frage. Aber das Einfachste wäre: Solange man seinen Körper nicht spürt, ist man gesund.“ Erst habe ich gemeint, er hätte das irgendwo satirisch gemeint, aber aus den nächsten Sätzen ging klar hervor, er hat es so gemeint. Dann ist mir klar geworden, dass für die meisten, oder für viele Menschen, der Körper nur eine Quälerei ist. Die einzigen Körpererfahrungen, die man hat, sind vielleicht Schmerzen. Wenn man Yoga übt – ist ein ganz anderes Universum da, wenn wir Asanas üben, wenn wir unser Herz spüren in der Kobra. In der Vorwärtsbeuge wird die Wirbelsäule warm. Wenn wir Kapalabhati machen, spüren wir das Prana in alle Richtungen fließen. Und wir können verschiedene Formen von Freuden spüren. Wenn wir Yoga üben wird unser Leben kunterbunter und viel dimensionaler. Wir kriegen mehr mit. Und damit ist es auch ein Abenteuer. Und auf diese Weise gilt es auch, ein Abenteurer zu sein. Manchmal wünschen wir uns erst einmal: „Ach, wäre doch schön, wenn im Leben mal mehr passieren würde.“ Und dann wenn plötzlich mehr passiert wünschen wir uns: „Ach, es wäre doch schön, wenn es wieder ruhiger wäre.“ Also, auf einer gewisse Weise ist das Leben auch ein Abenteuer. Es gibt Herausforderungen und Herausforderungen gilt es anzunehmen. Manchmal habe ich das Gefühl, es gibt Yogis, die haben ein bisschen das Abenteurertum verloren. Die sind irgendwo ein bisschen konservativ geworden. Nicht im Sinne von, dass sie jetzt rechts wählen oder so etwas. Aber die Grünen sind ja auch zum Teil recht konservativ geworden. Zum Teil. Es gibt rühmenswerte Ausnahmen. Und genauso auch: „Es soll bloß keine eine neue Herausforderung kommen.“ Kennt ihr das? Ich erlebe es oft. Menschen machen eine Anstrengung und dann klappt was nicht. Drei Leute haben etwas dagegen. Sagen: „Ich ziehe mich jetzt zurück.“ Wohin zieht man sich eigentlich zurück? Man zieht sich nicht zurück, man lässt nur das Leben zur Tragödie werden und man hat den Abenteurergeist verloren. Gut, manche Menschen lieben es auch, wenn es ruhig ist. Andererseits kann man das Abenteurertum aber auch übertreiben. Die meisten Abenteurer, die vielleicht wagemutig werden, stürzen dann irgendwann ab. So wie z.B. Reinhold Messners Bruder, der im Himalaya abgestürzt ist, oder wie er, dem auch schon einige Körperteile abgefroren sind. Auf einer weiteren Seite ist Leben Gita, ein Gesang. Aus diesem Blickwinkel heraus ist das Leben wie ein klassisches indisches Konzert: Es besteht aus vielem Verschiedenen. Es beginnt oft ruhig und meditativ mit klassischen Ragas und steigert sich dann bis er wieder eher meditativ wird. Im Ashram von Swami Vishnu gab es einen Schüler von Ravi Shankar, der häufig Konzerte gegeben hat. Bei den stilleren Tönen bin ich öfters eingenickt… Aber wenn man das Leben als Gita betrachtet, dann ist es wie eine Meditation, ist Ruhe, ist Bewusstheit, ist Schönheit, ist Genießen und es ist Tempo, es gibt Abenteuer, es gibt Dramen und endet wieder in Stille. So können wir im Leben uns entweder auf eine Sichtweise versteifen oder wir können uns auf mehrere Sichtweisen einlassen, wie bei einer Art Konzert, wie bei einer Art klassischen Gesangs, der abwechselt in verschiedenen Geschwindigkeiten und Stimmungen. Und hinter allen wissen wir immer, wenn es ein Gesang ist, dann gibt es jemanden der singt. Der steckt dahinter. Und das kann die Ironie des Schicksals sein, das ist eine Weise, oder wir können sagen, es ist Bhagavad Gita. Leben ist Gesang Gottes. Gott singt. Und wir sind auch nur einzelne Klänge. Wir sind Teil dieses göttlichen Gesanges. Und wir können versuchen, uns eben zu fühlen als Teil dieses göttlichen Gesanges. Und wir können diesen vielstimmigen Chor, den Gott in dieser Welt anstimmt, so auch genießen, wir sind Teil davon. Manchmal hören wir zu, manchmal sind wir aktiv, manchmal dröhnt es uns in den Ohren. Es bleibt aber immer Bhagavad Gita, Gesang Gottes. Hari Om Tat Sat Transkription eines Kurzvortrages von Sukadev Bretz im Anschluss an die Meditation im Satsang im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg. Mehr Yoga Vorträge als mp3.
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